mehr. Die Sache war nicht neu und ein Spöttervolk wie6. Abschnitt. die Florentiner hatte schon im XIV. Jahrhundert die Ca- ricatur davon, wo sie sich auf seinen Kanzeln blicken ließ, malträtiren gelernt 1); als Savonarola auftrat, riß er sie doch soweit hin, daß bald ihre ganze geliebte Bildung und Kunst in dem Gluthfeuer, das er entzündete, zusammengeschmolzen wäre. Selbst die stärkste Profanation durch heuchlerische Mönche, welche mit Hülfe von Einverstandenen die Rührung beliebig in ihren Zuhörern hervorzubringen und zu ver- breiten wußten (vgl. S. 461), war nicht im Stande der Sache selbst zu schaden. Man fuhr fort, über gemeine Mönchspredigten mit erdichteten Wundern und Vorzeigung falscher Reliquien 2) zu lachen und die echten großen Buß- prediger hoch zu achten. Dieselben sind eine wahre italie- nische Specialität des XV. Jahrhunderts.
Der Orden -- in der Regel der des h. FranciscusIhr Orden. und zwar von der sogenannten Observanz -- schickt sie aus je nachdem sie begehrt werden. Dieß geschieht hauptsächlich bei schwerer öffentlicher oder Privatzwietracht in den Städten, auch wohl bei schrecklicher Zunahme der Unsicherheit und Unsittlichkeit. Ist dann aber der Ruhm eines Predigers gewachsen, so begehren ihn die Städte alle auch ohne be- sondern Anlaß; er geht wohin ihn die Obern senden. Ein besonderer Zweig dieser Thätigkeit ist die Kreuzpredigt gegen die Türken 3), wir haben es aber hier wesentlich mit der Bußpredigt zu thun.
Die Reihenfolge der Predigten, wenn eine solche me-Ihre Methode. thodisch beobachtet wurde, scheint sich einfach an die kirch-
1)Franco Sacchetti, Nov. 72. Verfehlte Bußprediger sind bei allen Novellisten ein häufiges Thema.
2) Vgl. die bekannte Posse im Decamerone VI, Nov. 10.
3) Wobei die Sache wieder ganz eigenthümliche Farben annahm. Vgl. Malipiero, Ann. venet., arch. stor. VII, I, p, 18. -- Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 114. -- Storia bresciana, bei Murat. XXI, Col. 898.
mehr. Die Sache war nicht neu und ein Spöttervolk wie6. Abſchnitt. die Florentiner hatte ſchon im XIV. Jahrhundert die Ca- ricatur davon, wo ſie ſich auf ſeinen Kanzeln blicken ließ, malträtiren gelernt 1); als Savonarola auftrat, riß er ſie doch ſoweit hin, daß bald ihre ganze geliebte Bildung und Kunſt in dem Gluthfeuer, das er entzündete, zuſammengeſchmolzen wäre. Selbſt die ſtärkſte Profanation durch heuchleriſche Mönche, welche mit Hülfe von Einverſtandenen die Rührung beliebig in ihren Zuhörern hervorzubringen und zu ver- breiten wußten (vgl. S. 461), war nicht im Stande der Sache ſelbſt zu ſchaden. Man fuhr fort, über gemeine Mönchspredigten mit erdichteten Wundern und Vorzeigung falſcher Reliquien 2) zu lachen und die echten großen Buß- prediger hoch zu achten. Dieſelben ſind eine wahre italie- niſche Specialität des XV. Jahrhunderts.
Der Orden — in der Regel der des h. FranciscusIhr Orden. und zwar von der ſogenannten Obſervanz — ſchickt ſie aus je nachdem ſie begehrt werden. Dieß geſchieht hauptſächlich bei ſchwerer öffentlicher oder Privatzwietracht in den Städten, auch wohl bei ſchrecklicher Zunahme der Unſicherheit und Unſittlichkeit. Iſt dann aber der Ruhm eines Predigers gewachſen, ſo begehren ihn die Städte alle auch ohne be- ſondern Anlaß; er geht wohin ihn die Obern ſenden. Ein beſonderer Zweig dieſer Thätigkeit iſt die Kreuzpredigt gegen die Türken 3), wir haben es aber hier weſentlich mit der Bußpredigt zu thun.
Die Reihenfolge der Predigten, wenn eine ſolche me-Ihre Methode. thodiſch beobachtet wurde, ſcheint ſich einfach an die kirch-
1)Franco Sacchetti, Nov. 72. Verfehlte Bußprediger ſind bei allen Novelliſten ein häufiges Thema.
2) Vgl. die bekannte Poſſe im Decamerone VI, Nov. 10.
3) Wobei die Sache wieder ganz eigenthümliche Farben annahm. Vgl. Malipiero, Ann. venet., arch. stor. VII, I, p, 18. — Chron. venetum, bei Murat. XXIV, Col. 114. — Storia bresciana, bei Murat. XXI, Col. 898.
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ricatur davon, wo ſie ſich auf ſeinen Kanzeln blicken ließ,
malträtiren gelernt 1); als Savonarola auftrat, riß er ſie doch
ſoweit hin, daß bald ihre ganze geliebte Bildung und Kunſt
in dem Gluthfeuer, das er entzündete, zuſammengeſchmolzen
wäre. Selbſt die ſtärkſte Profanation durch heuchleriſche
Mönche, welche mit Hülfe von Einverſtandenen die Rührung
beliebig in ihren Zuhörern hervorzubringen und zu ver-
breiten wußten (vgl. S. 461), war nicht im Stande der
Sache ſelbſt zu ſchaden. Man fuhr fort, über gemeine
Mönchspredigten mit erdichteten Wundern und Vorzeigung
falſcher Reliquien 2) zu lachen und die echten großen Buß-
prediger hoch zu achten. Dieſelben ſind eine wahre italie-
niſche Specialität des XV. Jahrhunderts.
6. Abſchnitt.
Der Orden — in der Regel der des h. Franciscus
und zwar von der ſogenannten Obſervanz — ſchickt ſie aus
je nachdem ſie begehrt werden. Dieß geſchieht hauptſächlich
bei ſchwerer öffentlicher oder Privatzwietracht in den Städten,
auch wohl bei ſchrecklicher Zunahme der Unſicherheit und
Unſittlichkeit. Iſt dann aber der Ruhm eines Predigers
gewachſen, ſo begehren ihn die Städte alle auch ohne be-
ſondern Anlaß; er geht wohin ihn die Obern ſenden. Ein
beſonderer Zweig dieſer Thätigkeit iſt die Kreuzpredigt gegen
die Türken 3), wir haben es aber hier weſentlich mit der
Bußpredigt zu thun.
Ihr Orden.
Die Reihenfolge der Predigten, wenn eine ſolche me-
thodiſch beobachtet wurde, ſcheint ſich einfach an die kirch-
Ihre Methode.
1) Franco Sacchetti, Nov. 72. Verfehlte Bußprediger ſind bei allen
Novelliſten ein häufiges Thema.
2) Vgl. die bekannte Poſſe im Decamerone VI, Nov. 10.
3) Wobei die Sache wieder ganz eigenthümliche Farben annahm. Vgl.
Malipiero, Ann. venet., arch. stor. VII, I, p, 18. — Chron.
venetum, bei Murat. XXIV, Col. 114. — Storia bresciana,
bei Murat. XXI, Col. 898.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/479>, abgerufen am 26.11.2024.
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