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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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6. Abschnitt.die Fähigkeit, über die höchsten Dinge zu reflectiren wenig-
stens außerhalb der Kirchenlehre, wenn auch nicht im Wider-
spruch mit ihr.

Einwirkung des
Alterthums im
XV. Jahrh.
Mit dem XV. Jahrhundert vermehrte sich, wie wir
sahen, der Besitz und die Verbreitung der Schriften des
Alterthums außerordentlich; endlich kamen auch die sämmt-
lichen noch vorhandenen griechischen Philosophen wenigstens
in lateinischer Uebersetzung unter die Leute. Nun ist es
Frömmigkeit u.
Humanismus.
zunächst sehr bemerkenswerth, daß gerade einige der Haupt-
beförderer dieser Literatur der strengsten Frömmigkeit, ja
der Ascese ergeben sind. (Vgl. S. 269.) Von Fra Am-
brogio Camaldolese darf man nicht sprechen, weil er sich
ausschließlich auf das Uebertragen der griechischen Kirchen-
väter zurückzog und nur mit großem Widerstreben auf An-
dringen des ältern Cosimo Medici den Diogenes Laertius
ins Lateinische übersetzte. Aber seine Zeitgenossen Niccolo
Niccoli, Giannozzo Mannetti, Donato Acciajuoli, Papst Ni-
colaus V. vereinigen 1) mit allseitigem Humanismus eine sehr
gelehrte Bibelkunde und eine tiefe Andacht. An Vittorino
da Feltre wurde bereits (S. 208) eine ähnliche Richtung
hervorgehoben. Derselbe Maffeo Vegio, welcher das drei-
zehnte Buch zur Aeneide dichtete, hatte für das Andenken
S. Augustins und dessen Mutter Monica eine Begeisterung,
welche nicht ohne höhern Bezug gewesen sein wird. Frucht
und Folge solcher Bestrebungen war dann, daß die platonische
Academie zu Florenz sich es förmlich zum Ziele setzte, den
Geist des Alterthums mit dem des Christenthums zu durch-
dringen; eine merkwürdige Oase innerhalb des damaligen
Humanismus.

Die mittlere
Richtung der
Humanisten.
Letzterer war im Ganzen eben doch profan und wurde
es bei der Ausdehnung der Studien im XV. Jahrhundert
immer mehr. Seine Leute, die wir oben als die rechten

1) Vespasiano fiorent. p. 26. 320. 435. 626. 651. -- Murat. XX,
Col.
532.

6. Abſchnitt.die Fähigkeit, über die höchſten Dinge zu reflectiren wenig-
ſtens außerhalb der Kirchenlehre, wenn auch nicht im Wider-
ſpruch mit ihr.

Einwirkung des
Alterthums im
XV. Jahrh.
Mit dem XV. Jahrhundert vermehrte ſich, wie wir
ſahen, der Beſitz und die Verbreitung der Schriften des
Alterthums außerordentlich; endlich kamen auch die ſämmt-
lichen noch vorhandenen griechiſchen Philoſophen wenigſtens
in lateiniſcher Ueberſetzung unter die Leute. Nun iſt es
Frömmigkeit u.
Humanismus.
zunächſt ſehr bemerkenswerth, daß gerade einige der Haupt-
beförderer dieſer Literatur der ſtrengſten Frömmigkeit, ja
der Asceſe ergeben ſind. (Vgl. S. 269.) Von Fra Am-
brogio Camaldoleſe darf man nicht ſprechen, weil er ſich
ausſchließlich auf das Uebertragen der griechiſchen Kirchen-
väter zurückzog und nur mit großem Widerſtreben auf An-
dringen des ältern Coſimo Medici den Diogenes Laertius
ins Lateiniſche überſetzte. Aber ſeine Zeitgenoſſen Niccolò
Niccoli, Giannozzo Mannetti, Donato Acciajuoli, Papſt Ni-
colaus V. vereinigen 1) mit allſeitigem Humanismus eine ſehr
gelehrte Bibelkunde und eine tiefe Andacht. An Vittorino
da Feltre wurde bereits (S. 208) eine ähnliche Richtung
hervorgehoben. Derſelbe Maffeo Vegio, welcher das drei-
zehnte Buch zur Aeneide dichtete, hatte für das Andenken
S. Auguſtins und deſſen Mutter Monica eine Begeiſterung,
welche nicht ohne höhern Bezug geweſen ſein wird. Frucht
und Folge ſolcher Beſtrebungen war dann, daß die platoniſche
Academie zu Florenz ſich es förmlich zum Ziele ſetzte, den
Geiſt des Alterthums mit dem des Chriſtenthums zu durch-
dringen; eine merkwürdige Oaſe innerhalb des damaligen
Humanismus.

Die mittlere
Richtung der
Humaniſten.
Letzterer war im Ganzen eben doch profan und wurde
es bei der Ausdehnung der Studien im XV. Jahrhundert
immer mehr. Seine Leute, die wir oben als die rechten

1) Vespasiano fiorent. p. 26. 320. 435. 626. 651. — Murat. XX,
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[504/0514] die Fähigkeit, über die höchſten Dinge zu reflectiren wenig- ſtens außerhalb der Kirchenlehre, wenn auch nicht im Wider- ſpruch mit ihr. 6. Abſchnitt. Mit dem XV. Jahrhundert vermehrte ſich, wie wir ſahen, der Beſitz und die Verbreitung der Schriften des Alterthums außerordentlich; endlich kamen auch die ſämmt- lichen noch vorhandenen griechiſchen Philoſophen wenigſtens in lateiniſcher Ueberſetzung unter die Leute. Nun iſt es zunächſt ſehr bemerkenswerth, daß gerade einige der Haupt- beförderer dieſer Literatur der ſtrengſten Frömmigkeit, ja der Asceſe ergeben ſind. (Vgl. S. 269.) Von Fra Am- brogio Camaldoleſe darf man nicht ſprechen, weil er ſich ausſchließlich auf das Uebertragen der griechiſchen Kirchen- väter zurückzog und nur mit großem Widerſtreben auf An- dringen des ältern Coſimo Medici den Diogenes Laertius ins Lateiniſche überſetzte. Aber ſeine Zeitgenoſſen Niccolò Niccoli, Giannozzo Mannetti, Donato Acciajuoli, Papſt Ni- colaus V. vereinigen 1) mit allſeitigem Humanismus eine ſehr gelehrte Bibelkunde und eine tiefe Andacht. An Vittorino da Feltre wurde bereits (S. 208) eine ähnliche Richtung hervorgehoben. Derſelbe Maffeo Vegio, welcher das drei- zehnte Buch zur Aeneide dichtete, hatte für das Andenken S. Auguſtins und deſſen Mutter Monica eine Begeiſterung, welche nicht ohne höhern Bezug geweſen ſein wird. Frucht und Folge ſolcher Beſtrebungen war dann, daß die platoniſche Academie zu Florenz ſich es förmlich zum Ziele ſetzte, den Geiſt des Alterthums mit dem des Chriſtenthums zu durch- dringen; eine merkwürdige Oaſe innerhalb des damaligen Humanismus. Einwirkung des Alterthums im XV. Jahrh. Frömmigkeit u. Humanismus. Letzterer war im Ganzen eben doch profan und wurde es bei der Ausdehnung der Studien im XV. Jahrhundert immer mehr. Seine Leute, die wir oben als die rechten Die mittlere Richtung der Humaniſten. 1) Vespasiano fiorent. p. 26. 320. 435. 626. 651. — Murat. XX, Col. 532.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/514>, abgerufen am 24.11.2024.