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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Die Astrologie tritt mit dem XIII. Jahrhundert plötz-6. Abschnitt.
lich sehr mächtig in den Vordergrund des italienischen Lebens.
Kaiser Friedrich II. führt seinen Astrologen Theodorus mit
sich, und Ezzelino da Romano 1) einen ganzen stark besol-
deten Hof von solchen Leuten, darunter den berühmten
Guido Bonatto und den langbärtigen Saracenen Paul
von Bagdad. Zu allen wichtigen Unternehmungen mußten
sie ihm Tag und Stunde bestimmen, und die massenhaften
Gräuel, welche er verüben ließ, mögen nicht geringen Theils
auf logischer Deduction aus ihren Weissagungen beruht ha-
ben. Seitdem scheut sich Niemand mehr, die Sterne be-Ihre große
Verbreitung.

fragen zu lassen; nicht nur die Fürsten sondern auch einzelne
Stadtgemeinden 2) halten sich regelmäßige Astrologen und an
den Universitäten 3) werden vom XIV. bis zum XVI. Jahr-
hundert besondere Professoren dieser Wahnwissenschaft, sogar
neben eigentlichen Astronomen angestellt. Die Päpste 4) be-
kennen sich großentheils offen zur Sternbefragung; aller-
dings macht Pius II. eine ehrenvolle Ausnahme 5), wie er

1) Monachus Paduan. L. II, bei Urstisius, scriptores I, p. 598.
599. 602. 607. -- Auch der letzte Visconti (S. 37) hatte eine
ganze Anzahl solcher Leute bei sich. Vgl. Decembrio, bei Mura-
tori XX, Col.
1017.
2) So Florenz, wo der genannte Bonatto eine Zeitlang die Stelle ver-
sah. Vgl. auch Matteo Villani XI, 3, wo offenbar ein Stadt-
astrolog gemeint ist.
3) Libri, hist. d. sciences math. II, 52. 193. In Bologna soll
diese Professur schon 1125 vorkommen. -- Vgl. das Verzeichniß der
Professoren von Pavia bei Corio, fol. 290. -- Die Professur an
der Sapienza unter Leo X, vgl. Roscoe, Leone X, ed. Bossi,
V, p.
283.
4) Schon um 1260 zwingt Papst Alexander IV. einen Cardinal und
verschämten Astrologen, Bianco, mit politischen Weissagungen heraus-
zurücken. Giov. Villani, VI, 81.
5) De dictis etc. Alphonsi, opera, p. 493. Er fand es sei pulchrius
quam utile. Platina, vitae Pont. p.
310. -- Für Sixtus IV.
vgl. Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 173. 186.
Cultur der Renaissance. 33

Die Aſtrologie tritt mit dem XIII. Jahrhundert plötz-6. Abſchnitt.
lich ſehr mächtig in den Vordergrund des italieniſchen Lebens.
Kaiſer Friedrich II. führt ſeinen Aſtrologen Theodorus mit
ſich, und Ezzelino da Romano 1) einen ganzen ſtark beſol-
deten Hof von ſolchen Leuten, darunter den berühmten
Guido Bonatto und den langbärtigen Saracenen Paul
von Bagdad. Zu allen wichtigen Unternehmungen mußten
ſie ihm Tag und Stunde beſtimmen, und die maſſenhaften
Gräuel, welche er verüben ließ, mögen nicht geringen Theils
auf logiſcher Deduction aus ihren Weiſſagungen beruht ha-
ben. Seitdem ſcheut ſich Niemand mehr, die Sterne be-Ihre große
Verbreitung.

fragen zu laſſen; nicht nur die Fürſten ſondern auch einzelne
Stadtgemeinden 2) halten ſich regelmäßige Aſtrologen und an
den Univerſitäten 3) werden vom XIV. bis zum XVI. Jahr-
hundert beſondere Profeſſoren dieſer Wahnwiſſenſchaft, ſogar
neben eigentlichen Aſtronomen angeſtellt. Die Päpſte 4) be-
kennen ſich großentheils offen zur Sternbefragung; aller-
dings macht Pius II. eine ehrenvolle Ausnahme 5), wie er

1) Monachus Paduan. L. II, bei Urstisius, scriptores I, p. 598.
599. 602. 607. — Auch der letzte Visconti (S. 37) hatte eine
ganze Anzahl ſolcher Leute bei ſich. Vgl. Decembrio, bei Mura-
tori XX, Col.
1017.
2) So Florenz, wo der genannte Bonatto eine Zeitlang die Stelle ver-
ſah. Vgl. auch Matteo Villani XI, 3, wo offenbar ein Stadt-
aſtrolog gemeint iſt.
3) Libri, hist. d. sciences math. II, 52. 193. In Bologna ſoll
dieſe Profeſſur ſchon 1125 vorkommen. — Vgl. das Verzeichniß der
Profeſſoren von Pavia bei Corio, fol. 290. — Die Profeſſur an
der Sapienza unter Leo X, vgl. Roscoe, Leone X, ed. Bossi,
V, p.
283.
4) Schon um 1260 zwingt Papſt Alexander IV. einen Cardinal und
verſchämten Aſtrologen, Bianco, mit politiſchen Weiſſagungen heraus-
zurücken. Giov. Villani, VI, 81.
5) De dictis etc. Alphonsi, opera, p. 493. Er fand es ſei pulchrius
quam utile. Platina, vitæ Pont. p.
310. — Für Sixtus IV.
vgl. Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 173. 186.
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[513/0523] Die Aſtrologie tritt mit dem XIII. Jahrhundert plötz- lich ſehr mächtig in den Vordergrund des italieniſchen Lebens. Kaiſer Friedrich II. führt ſeinen Aſtrologen Theodorus mit ſich, und Ezzelino da Romano 1) einen ganzen ſtark beſol- deten Hof von ſolchen Leuten, darunter den berühmten Guido Bonatto und den langbärtigen Saracenen Paul von Bagdad. Zu allen wichtigen Unternehmungen mußten ſie ihm Tag und Stunde beſtimmen, und die maſſenhaften Gräuel, welche er verüben ließ, mögen nicht geringen Theils auf logiſcher Deduction aus ihren Weiſſagungen beruht ha- ben. Seitdem ſcheut ſich Niemand mehr, die Sterne be- fragen zu laſſen; nicht nur die Fürſten ſondern auch einzelne Stadtgemeinden 2) halten ſich regelmäßige Aſtrologen und an den Univerſitäten 3) werden vom XIV. bis zum XVI. Jahr- hundert beſondere Profeſſoren dieſer Wahnwiſſenſchaft, ſogar neben eigentlichen Aſtronomen angeſtellt. Die Päpſte 4) be- kennen ſich großentheils offen zur Sternbefragung; aller- dings macht Pius II. eine ehrenvolle Ausnahme 5), wie er 6. Abſchnitt. Ihre große Verbreitung. 1) Monachus Paduan. L. II, bei Urstisius, scriptores I, p. 598. 599. 602. 607. — Auch der letzte Visconti (S. 37) hatte eine ganze Anzahl ſolcher Leute bei ſich. Vgl. Decembrio, bei Mura- tori XX, Col. 1017. 2) So Florenz, wo der genannte Bonatto eine Zeitlang die Stelle ver- ſah. Vgl. auch Matteo Villani XI, 3, wo offenbar ein Stadt- aſtrolog gemeint iſt. 3) Libri, hist. d. sciences math. II, 52. 193. In Bologna ſoll dieſe Profeſſur ſchon 1125 vorkommen. — Vgl. das Verzeichniß der Profeſſoren von Pavia bei Corio, fol. 290. — Die Profeſſur an der Sapienza unter Leo X, vgl. Roscoe, Leone X, ed. Bossi, V, p. 283. 4) Schon um 1260 zwingt Papſt Alexander IV. einen Cardinal und verſchämten Aſtrologen, Bianco, mit politiſchen Weiſſagungen heraus- zurücken. Giov. Villani, VI, 81. 5) De dictis etc. Alphonsi, opera, p. 493. Er fand es ſei pulchrius quam utile. Platina, vitæ Pont. p. 310. — Für Sixtus IV. vgl. Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 173. 186. Cultur der Renaiſſance. 33

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/523>, abgerufen am 24.11.2024.