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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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jene Oertlichkeit mit allem möglichen Aufwand von Poesie6. Abschnitt.
und Allegorie als den Sitz der wahren Weissagung feiern.

Mit der berüchtigten Bulle Innocenz VIII. (1484) 1)Das nordische
Hexenwesen.

wird dann bekanntlich das Hexenwesen und dessen Verfol-
gung zu einem großen scheußlichen System. Wie die Haupt-
träger desselben deutsche Dominicaner waren, so wurde auch
Deutschland am Meisten durch diese Geißel heimgesucht und
von Italien in auffallender Weise diejenigen Gegenden,
welche Deutschland am nächsten lagen. Schon die Befehle
und Bullen der Päpste selber 2) beziehen sich z. B. auf die
dominicanische Ordensprovinz Lombardia, auf die Diöcesen
Brescia und Bergamo, auf Cremona. Sodann erfährt man
aus Sprengers berühmter theoretisch-practischer Anweisung,
dem Malleus Maleficarum, daß zu Como schon im ersten
Jahre nach Erlaß der Bulle 41 Hexen verbrannt wurden;
Schaaren von Italienerinnen flüchteten auf das Gebiet
Erzherzog Sigismunds, wo sie sich noch sicher glaubten.
Endlich setzt sich dieß Hexenwesen in einigen unglücklichen
Alpenthälern, besonders Val Camonica 3), ganz unaustilg-

oder ob es sich bereits um ein Element freier Romantik handelt.
Derselbe Zweifel ist bei seinem vermuthlichen Vorbild Lucan (Ges. VI.)
gestattet, wo die thessalische Hexe dem Sextus Pompejus zu Gefallen
eine Leiche beschwört.
1) Septimo Decretal. Lib. V. Tit. XII. Sie beginnt: summis de-
siderantes affectibus etc.
Beiläufig glaube ich mich zu der Be-
merkung veranlaßt, daß hier bei längerer Betrachtung jeder Gedanke
an einen ursprünglichen objectiven Thatbestand, an Reste heidnischen
Glaubens u. s. w. verschwindet. Wer sich überzeugen will, wie die
Phantasie der Bettelmönche die einzige Quelle dieses ganzen Wahns
ist, verfolge in den Memoiren von Jaques du Clerc den sog. Wal-
denserproceß von Arras im J. 1459. Erst durch hundertjähriges
Hineinverhören brachte man auch die Phantasie des Volkes auf den
Punkt, wo sich das ganze scheußliche Wesen von selbst verstand und
sich vermeintlich neu erzeugte.
2) Alexanders VI, Leo's X, Hadrians VI, a. a. O.
3) Sprichwörtlich als Hexenland genannt z. B. im Orlandino, cap. I,
str.
12.

jene Oertlichkeit mit allem möglichen Aufwand von Poeſie6. Abſchnitt.
und Allegorie als den Sitz der wahren Weiſſagung feiern.

Mit der berüchtigten Bulle Innocenz VIII. (1484) 1)Das nordiſche
Hexenweſen.

wird dann bekanntlich das Hexenweſen und deſſen Verfol-
gung zu einem großen ſcheußlichen Syſtem. Wie die Haupt-
träger deſſelben deutſche Dominicaner waren, ſo wurde auch
Deutſchland am Meiſten durch dieſe Geißel heimgeſucht und
von Italien in auffallender Weiſe diejenigen Gegenden,
welche Deutſchland am nächſten lagen. Schon die Befehle
und Bullen der Päpſte ſelber 2) beziehen ſich z. B. auf die
dominicaniſche Ordensprovinz Lombardia, auf die Diöceſen
Brescia und Bergamo, auf Cremona. Sodann erfährt man
aus Sprengers berühmter theoretiſch-practiſcher Anweiſung,
dem Malleus Maleficarum, daß zu Como ſchon im erſten
Jahre nach Erlaß der Bulle 41 Hexen verbrannt wurden;
Schaaren von Italienerinnen flüchteten auf das Gebiet
Erzherzog Sigismunds, wo ſie ſich noch ſicher glaubten.
Endlich ſetzt ſich dieß Hexenweſen in einigen unglücklichen
Alpenthälern, beſonders Val Camonica 3), ganz unaustilg-

oder ob es ſich bereits um ein Element freier Romantik handelt.
Derſelbe Zweifel iſt bei ſeinem vermuthlichen Vorbild Lucan (Geſ. VI.)
geſtattet, wo die theſſaliſche Hexe dem Sextus Pompejus zu Gefallen
eine Leiche beſchwört.
1) Septimo Decretal. Lib. V. Tit. XII. Sie beginnt: summis de-
siderantes affectibus etc.
Beiläufig glaube ich mich zu der Be-
merkung veranlaßt, daß hier bei längerer Betrachtung jeder Gedanke
an einen urſprünglichen objectiven Thatbeſtand, an Reſte heidniſchen
Glaubens u. ſ. w. verſchwindet. Wer ſich überzeugen will, wie die
Phantaſie der Bettelmönche die einzige Quelle dieſes ganzen Wahns
iſt, verfolge in den Memoiren von Jaques du Clerc den ſog. Wal-
denſerproceß von Arras im J. 1459. Erſt durch hundertjähriges
Hineinverhören brachte man auch die Phantaſie des Volkes auf den
Punkt, wo ſich das ganze ſcheußliche Weſen von ſelbſt verſtand und
ſich vermeintlich neu erzeugte.
2) Alexanders VI, Leo's X, Hadrians VI, a. a. O.
3) Sprichwörtlich als Hexenland genannt z. B. im Orlandino, cap. I,
str.
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[535/0545] jene Oertlichkeit mit allem möglichen Aufwand von Poeſie und Allegorie als den Sitz der wahren Weiſſagung feiern. 6. Abſchnitt. Mit der berüchtigten Bulle Innocenz VIII. (1484) 1) wird dann bekanntlich das Hexenweſen und deſſen Verfol- gung zu einem großen ſcheußlichen Syſtem. Wie die Haupt- träger deſſelben deutſche Dominicaner waren, ſo wurde auch Deutſchland am Meiſten durch dieſe Geißel heimgeſucht und von Italien in auffallender Weiſe diejenigen Gegenden, welche Deutſchland am nächſten lagen. Schon die Befehle und Bullen der Päpſte ſelber 2) beziehen ſich z. B. auf die dominicaniſche Ordensprovinz Lombardia, auf die Diöceſen Brescia und Bergamo, auf Cremona. Sodann erfährt man aus Sprengers berühmter theoretiſch-practiſcher Anweiſung, dem Malleus Maleficarum, daß zu Como ſchon im erſten Jahre nach Erlaß der Bulle 41 Hexen verbrannt wurden; Schaaren von Italienerinnen flüchteten auf das Gebiet Erzherzog Sigismunds, wo ſie ſich noch ſicher glaubten. Endlich ſetzt ſich dieß Hexenweſen in einigen unglücklichen Alpenthälern, beſonders Val Camonica 3), ganz unaustilg- 3) Das nordiſche Hexenweſen. 1) Septimo Decretal. Lib. V. Tit. XII. Sie beginnt: summis de- siderantes affectibus etc. Beiläufig glaube ich mich zu der Be- merkung veranlaßt, daß hier bei längerer Betrachtung jeder Gedanke an einen urſprünglichen objectiven Thatbeſtand, an Reſte heidniſchen Glaubens u. ſ. w. verſchwindet. Wer ſich überzeugen will, wie die Phantaſie der Bettelmönche die einzige Quelle dieſes ganzen Wahns iſt, verfolge in den Memoiren von Jaques du Clerc den ſog. Wal- denſerproceß von Arras im J. 1459. Erſt durch hundertjähriges Hineinverhören brachte man auch die Phantaſie des Volkes auf den Punkt, wo ſich das ganze ſcheußliche Weſen von ſelbſt verſtand und ſich vermeintlich neu erzeugte. 2) Alexanders VI, Leo's X, Hadrians VI, a. a. O. 3) Sprichwörtlich als Hexenland genannt z. B. im Orlandino, cap. I, str. 12. 3) oder ob es ſich bereits um ein Element freier Romantik handelt. Derſelbe Zweifel iſt bei ſeinem vermuthlichen Vorbild Lucan (Geſ. VI.) geſtattet, wo die theſſaliſche Hexe dem Sextus Pompejus zu Gefallen eine Leiche beſchwört.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/545>, abgerufen am 23.11.2024.