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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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griffen sind. Da man sich solchen Weibern nur ungern6. Abschnitt.
anvertraute, so entstand ein Dilettantismus, der ihnen diesesZauberwesen
d. Buhlerinnen.

und jenes im Stillen ablernte und auf eigene Hand damit
weiter operirte. Die römischen Buhlerinnen z. B. suchten
dem Zauber ihrer Persönlichkeit noch durch anderweitigen
Zauber in der Art der horazischen Canidia nachzuhelfen.
Aretino 1) kann nicht nur etwas über sie wissen, sondern auch
in dieser Beziehung Wahres berichten. Er zählt die ent-
setzlichen Schmierereien auf, welche sich in ihren Schränken
gesammelt vorfinden: Haare, Schädel, Rippen, Zähne,
Augen von Todten, Menschenhaut, der Nabel von kleinen
Kindern, Schuhsohlen und Gewandstücke aus Gräbern; ja
sie holen selbst von den Kirchhöfen verwesendes Fleisch und
geben es dem Galan unvermerkt zu essen (nebst noch Un-
erhörterem). Haare, Nestel, Nägelabschnitte des Galans
kochen sie in Oel, das sie aus ewigen Lämpchen in den
Kirchen gestohlen. Von ihren Beschwörungen ist es die
unschuldigste, wenn sie ein Herz aus heißer Asche formen,
und hinein stechen unter dem Gesang:

Prima che'l fuoco spenghi
Fa ch'a mia porta venghi;
Tal ti punga il mio amore
Quale io fo questo cuore.

Sonst kommen auch Zauberformeln bei Mondschein, Zeich-
nungen am Boden und Figuren aus Wachs oder Erz vor,
welche ohne Zweifel den Geliebten vorstellen und je nach
Umständen behandelt werden.

Man war an diese Dinge doch so sehr gewöhnt, daß
ein Weib, welches ohne Schönheit und Jugend gleichwohl
einen großen Reiz auf die Männer ausübte, ohne Weiteres
in den Verdacht der Zauberei gerieth. Die Mutter des

1) Im Ragionamento del Zoppino. Er meint die Buhlerinnen lern-
ten ihre Weisheit besonders von gewissen Judenweibern, welche im
Besitz von malie seien.

griffen ſind. Da man ſich ſolchen Weibern nur ungern6. Abſchnitt.
anvertraute, ſo entſtand ein Dilettantismus, der ihnen dieſesZauberweſen
d. Buhlerinnen.

und jenes im Stillen ablernte und auf eigene Hand damit
weiter operirte. Die römiſchen Buhlerinnen z. B. ſuchten
dem Zauber ihrer Perſönlichkeit noch durch anderweitigen
Zauber in der Art der horaziſchen Canidia nachzuhelfen.
Aretino 1) kann nicht nur etwas über ſie wiſſen, ſondern auch
in dieſer Beziehung Wahres berichten. Er zählt die ent-
ſetzlichen Schmierereien auf, welche ſich in ihren Schränken
geſammelt vorfinden: Haare, Schädel, Rippen, Zähne,
Augen von Todten, Menſchenhaut, der Nabel von kleinen
Kindern, Schuhſohlen und Gewandſtücke aus Gräbern; ja
ſie holen ſelbſt von den Kirchhöfen verweſendes Fleiſch und
geben es dem Galan unvermerkt zu eſſen (nebſt noch Un-
erhörterem). Haare, Neſtel, Nägelabſchnitte des Galans
kochen ſie in Oel, das ſie aus ewigen Lämpchen in den
Kirchen geſtohlen. Von ihren Beſchwörungen iſt es die
unſchuldigſte, wenn ſie ein Herz aus heißer Aſche formen,
und hinein ſtechen unter dem Geſang:

Prima che'l fuoco spenghi
Fa ch'a mia porta venghi;
Tal ti punga il mio amore
Quale io fo questo cuore.

Sonſt kommen auch Zauberformeln bei Mondſchein, Zeich-
nungen am Boden und Figuren aus Wachs oder Erz vor,
welche ohne Zweifel den Geliebten vorſtellen und je nach
Umſtänden behandelt werden.

Man war an dieſe Dinge doch ſo ſehr gewöhnt, daß
ein Weib, welches ohne Schönheit und Jugend gleichwohl
einen großen Reiz auf die Männer ausübte, ohne Weiteres
in den Verdacht der Zauberei gerieth. Die Mutter des

1) Im Ragionamento del Zoppino. Er meint die Buhlerinnen lern-
ten ihre Weisheit beſonders von gewiſſen Judenweibern, welche im
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[537/0547] griffen ſind. Da man ſich ſolchen Weibern nur ungern anvertraute, ſo entſtand ein Dilettantismus, der ihnen dieſes und jenes im Stillen ablernte und auf eigene Hand damit weiter operirte. Die römiſchen Buhlerinnen z. B. ſuchten dem Zauber ihrer Perſönlichkeit noch durch anderweitigen Zauber in der Art der horaziſchen Canidia nachzuhelfen. Aretino 1) kann nicht nur etwas über ſie wiſſen, ſondern auch in dieſer Beziehung Wahres berichten. Er zählt die ent- ſetzlichen Schmierereien auf, welche ſich in ihren Schränken geſammelt vorfinden: Haare, Schädel, Rippen, Zähne, Augen von Todten, Menſchenhaut, der Nabel von kleinen Kindern, Schuhſohlen und Gewandſtücke aus Gräbern; ja ſie holen ſelbſt von den Kirchhöfen verweſendes Fleiſch und geben es dem Galan unvermerkt zu eſſen (nebſt noch Un- erhörterem). Haare, Neſtel, Nägelabſchnitte des Galans kochen ſie in Oel, das ſie aus ewigen Lämpchen in den Kirchen geſtohlen. Von ihren Beſchwörungen iſt es die unſchuldigſte, wenn ſie ein Herz aus heißer Aſche formen, und hinein ſtechen unter dem Geſang: 6. Abſchnitt. Zauberweſen d. Buhlerinnen. Prima che'l fuoco spenghi Fa ch'a mia porta venghi; Tal ti punga il mio amore Quale io fo questo cuore. Sonſt kommen auch Zauberformeln bei Mondſchein, Zeich- nungen am Boden und Figuren aus Wachs oder Erz vor, welche ohne Zweifel den Geliebten vorſtellen und je nach Umſtänden behandelt werden. Man war an dieſe Dinge doch ſo ſehr gewöhnt, daß ein Weib, welches ohne Schönheit und Jugend gleichwohl einen großen Reiz auf die Männer ausübte, ohne Weiteres in den Verdacht der Zauberei gerieth. Die Mutter des 1) Im Ragionamento del Zoppino. Er meint die Buhlerinnen lern- ten ihre Weisheit beſonders von gewiſſen Judenweibern, welche im Beſitz von malìe ſeien.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/547>, abgerufen am 22.11.2024.