6. Abschnitt.die Ideale des christlichen Lebens in den Schatten stellte, und dabei wurde doch das Gefühl nicht beleidigt wie bei der Lehre von dem gänzlichen Aufhören der Persönlichkeit. Schon Petrarca gründet nun seine Hoffnung wesentlich auf diesen "Traum des Scipio", auf die Aeußerungen in andern ciceronischen Schriften und auf Plato's Phädon, ohne die Bibel zu erwähnen 1). "Warum soll ich, frägt er anderswo, als Catholik eine Hoffnung nicht theilen, welche ich erweis- lich bei den Heiden vorfinde?" Etwas später schrieb Co- luccio Salutati seine (noch handschriftlich vorhandenen) "Arbeiten des Hercules", wo am Schluß bewiesen wird, daß den energischen Menschen, welche die ungeheuern Mü- hen der Erde überstanden haben, der Wohnsitz auf den Sternen von Rechtswegen gehöre 2). Wenn Dante noch strenge darauf gehalten hatte, daß auch die größten Heiden, denen er gewiß das Paradies gönnte, doch nicht über jenen Limbus am Eingang der Hölle hinauskamen 3), so griff jetzt die Poesie mit beiden Händen nach den neuen libera- len Ideen vom Jenseits. Cosimo der ältere wird, laut Bernardo Pulci's Gedicht auf seinen Tod, im Himmel empfangen von Cicero, der ja auch "Vater des Vaterlandes" geheißen, von den Fabiern, von Curius, Fabricius und vielen Andern; mit ihnen wird er eine Zierde des Chores sein wo nur tadellose Seelen singen.
Das homerische Jenseits.Aber es gab in den alten Autoren noch ein anderes, weniger gefälliges Bild des Jenseits, nämlich das Schat- tenreich Homer's und derjenigen Dichter, welche jenen Zu- stand nicht versüßt und humanisirt hatten. Auf einzelne Gemüther machte auch dieß Eindruck. Gioviano Pontano
1)Petrarca, epp. fam. IV, 3 (p. 629). IV, 6 (p. 632).
2)Fil. Villani, vite p. 15. Diese merkwürdige Stelle, wo Werkdienst und Heidenthum zusammentreffen, lautet: che agli uomini fortis- simi, poiche hanno vinto le mostruose fatiche della terra, debitamente sieno date le stelle.
3)Inferno, IV, 24, s. -- Vgl. Purgatorio VII, 28. XXII, 100.
6. Abſchnitt.die Ideale des chriſtlichen Lebens in den Schatten ſtellte, und dabei wurde doch das Gefühl nicht beleidigt wie bei der Lehre von dem gänzlichen Aufhören der Perſönlichkeit. Schon Petrarca gründet nun ſeine Hoffnung weſentlich auf dieſen „Traum des Scipio“, auf die Aeußerungen in andern ciceroniſchen Schriften und auf Plato's Phädon, ohne die Bibel zu erwähnen 1). „Warum ſoll ich, frägt er anderswo, als Catholik eine Hoffnung nicht theilen, welche ich erweis- lich bei den Heiden vorfinde?“ Etwas ſpäter ſchrieb Co- luccio Salutati ſeine (noch handſchriftlich vorhandenen) „Arbeiten des Hercules“, wo am Schluß bewieſen wird, daß den energiſchen Menſchen, welche die ungeheuern Mü- hen der Erde überſtanden haben, der Wohnſitz auf den Sternen von Rechtswegen gehöre 2). Wenn Dante noch ſtrenge darauf gehalten hatte, daß auch die größten Heiden, denen er gewiß das Paradies gönnte, doch nicht über jenen Limbus am Eingang der Hölle hinauskamen 3), ſo griff jetzt die Poeſie mit beiden Händen nach den neuen libera- len Ideen vom Jenſeits. Coſimo der ältere wird, laut Bernardo Pulci's Gedicht auf ſeinen Tod, im Himmel empfangen von Cicero, der ja auch „Vater des Vaterlandes“ geheißen, von den Fabiern, von Curius, Fabricius und vielen Andern; mit ihnen wird er eine Zierde des Chores ſein wo nur tadelloſe Seelen ſingen.
Das homeriſche Jenſeits.Aber es gab in den alten Autoren noch ein anderes, weniger gefälliges Bild des Jenſeits, nämlich das Schat- tenreich Homer's und derjenigen Dichter, welche jenen Zu- ſtand nicht verſüßt und humaniſirt hatten. Auf einzelne Gemüther machte auch dieß Eindruck. Gioviano Pontano
1)Petrarca, epp. fam. IV, 3 (p. 629). IV, 6 (p. 632).
2)Fil. Villani, vite p. 15. Dieſe merkwürdige Stelle, wo Werkdienſt und Heidenthum zuſammentreffen, lautet: che agli uomini fortis- simi, poichè hanno vinto le mostruose fatiche della terra, debitamente sieno date le stelle.
3)Inferno, IV, 24, s. — Vgl. Purgatorio VII, 28. XXII, 100.
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Schon Petrarca gründet nun ſeine Hoffnung weſentlich auf
dieſen „Traum des Scipio“, auf die Aeußerungen in andern
ciceroniſchen Schriften und auf Plato's Phädon, ohne die
Bibel zu erwähnen 1). „Warum ſoll ich, frägt er anderswo,
als Catholik eine Hoffnung nicht theilen, welche ich erweis-
lich bei den Heiden vorfinde?“ Etwas ſpäter ſchrieb Co-
luccio Salutati ſeine (noch handſchriftlich vorhandenen)
„Arbeiten des Hercules“, wo am Schluß bewieſen wird,
daß den energiſchen Menſchen, welche die ungeheuern Mü-
hen der Erde überſtanden haben, der Wohnſitz auf den
Sternen von Rechtswegen gehöre 2). Wenn Dante noch
ſtrenge darauf gehalten hatte, daß auch die größten Heiden,
denen er gewiß das Paradies gönnte, doch nicht über jenen
Limbus am Eingang der Hölle hinauskamen 3), ſo griff
jetzt die Poeſie mit beiden Händen nach den neuen libera-
len Ideen vom Jenſeits. Coſimo der ältere wird, laut
Bernardo Pulci's Gedicht auf ſeinen Tod, im Himmel
empfangen von Cicero, der ja auch „Vater des Vaterlandes“
geheißen, von den Fabiern, von Curius, Fabricius und
vielen Andern; mit ihnen wird er eine Zierde des Chores
ſein wo nur tadelloſe Seelen ſingen.
6. Abſchnitt.
Aber es gab in den alten Autoren noch ein anderes,
weniger gefälliges Bild des Jenſeits, nämlich das Schat-
tenreich Homer's und derjenigen Dichter, welche jenen Zu-
ſtand nicht verſüßt und humaniſirt hatten. Auf einzelne
Gemüther machte auch dieß Eindruck. Gioviano Pontano
Das homeriſche
Jenſeits.
1) Petrarca, epp. fam. IV, 3 (p. 629). IV, 6 (p. 632).
2) Fil. Villani, vite p. 15. Dieſe merkwürdige Stelle, wo Werkdienſt
und Heidenthum zuſammentreffen, lautet: che agli uomini fortis-
simi, poichè hanno vinto le mostruose fatiche della terra,
debitamente sieno date le stelle.
3) Inferno, IV, 24, s. — Vgl. Purgatorio VII, 28. XXII, 100.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/566>, abgerufen am 21.11.2024.
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