Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Wahl des Standes.
§ 498.

Aber auch der aufgeklärte Theil des Publikums kann
den Arzt nicht beurtheilen (§ 461) und wenn er geachtet
wird, er sey auch der größte Künstler, so ist es meistens
wegen äußerer Zufälligkeiten, nicht wegen seines Verdien-
stes. Kann man sich aber wohl eine solche Achtung, deren
sich der Arzt in seinem Herzen schämen muß, als ein wün-
schenswerthes Gut vorstellen? -- Der Arzt befindet sich
nur zu oft in der Lage des Künstlers, welcher unverdrossen
für seine Kunst arbeitet, wenn er gleich von seinem Zeitalter
nicht gefaßt, nicht verstanden wird. Da wo er wirklich
Verdienst sich erworben, wo er etwas Großes geleistet hat,
wird seine Bemühung übersehen, wo hingegen ein Zufall ihn
unterstützte, ärndet er Ruhm und das Anstaunen der Men-
ge. Wer also blos vom Ehrgeize geleitet wird, muß bald
ermüden, Arzt zu seyn, er muß Charlatan werden.

§ 499.

2. Geldgeiz kann eben so wenig der Bestimmungs-
grund zur Wahl dieses Standes seyn; denn erstlich ist es
widersinnig, die Natur mit Interesse für sie zu beobachten
(dies unumgängliche Erforderniß des Arztes) um Geld zu
verdienen; sodann kann man bey Ergreifung irgend einer
andern Kunst oder eines Handwerks diesen Zweck weit ge-
mächlicher und mit minderer Anstrengung erreichen, als
durch die Heilkunst.

Plaz de exiguo lucro ex medicina. Lips. 780. 4.
§ 500.

Ganz anders ist es mit dem Charlatan. Es ist kein
sicherer Weg, reich zu werden, als durch Vorspiegelung ver-
übter Wunderkuren, des Vermögens alle Krankheiten zu

heilen,
K 4
Wahl des Standes.
§ 498.

Aber auch der aufgeklaͤrte Theil des Publikums kann
den Arzt nicht beurtheilen (§ 461) und wenn er geachtet
wird, er ſey auch der groͤßte Kuͤnſtler, ſo iſt es meiſtens
wegen aͤußerer Zufaͤlligkeiten, nicht wegen ſeines Verdien-
ſtes. Kann man ſich aber wohl eine ſolche Achtung, deren
ſich der Arzt in ſeinem Herzen ſchaͤmen muß, als ein wuͤn-
ſchenswerthes Gut vorſtellen? — Der Arzt befindet ſich
nur zu oft in der Lage des Kuͤnſtlers, welcher unverdroſſen
fuͤr ſeine Kunſt arbeitet, wenn er gleich von ſeinem Zeitalter
nicht gefaßt, nicht verſtanden wird. Da wo er wirklich
Verdienſt ſich erworben, wo er etwas Großes geleiſtet hat,
wird ſeine Bemuͤhung uͤberſehen, wo hingegen ein Zufall ihn
unterſtuͤtzte, aͤrndet er Ruhm und das Anſtaunen der Men-
ge. Wer alſo blos vom Ehrgeize geleitet wird, muß bald
ermuͤden, Arzt zu ſeyn, er muß Charlatan werden.

§ 499.

2. Geldgeiz kann eben ſo wenig der Beſtimmungs-
grund zur Wahl dieſes Standes ſeyn; denn erſtlich iſt es
widerſinnig, die Natur mit Intereſſe fuͤr ſie zu beobachten
(dies unumgaͤngliche Erforderniß des Arztes) um Geld zu
verdienen; ſodann kann man bey Ergreifung irgend einer
andern Kunſt oder eines Handwerks dieſen Zweck weit ge-
maͤchlicher und mit minderer Anſtrengung erreichen, als
durch die Heilkunſt.

Plaz de exiguo lucro ex medicina. Lipſ. 780. 4.
§ 500.

Ganz anders iſt es mit dem Charlatan. Es iſt kein
ſicherer Weg, reich zu werden, als durch Vorſpiegelung ver-
uͤbter Wunderkuren, des Vermoͤgens alle Krankheiten zu

heilen,
K 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0169" n="151"/>
          <fw place="top" type="header">Wahl des Standes.</fw><lb/>
          <div n="4">
            <head>§ 498.</head><lb/>
            <p>Aber auch der aufgekla&#x0364;rte Theil des Publikums kann<lb/>
den Arzt nicht beurtheilen (§ 461) und wenn er geachtet<lb/>
wird, er &#x017F;ey auch der gro&#x0364;ßte Ku&#x0364;n&#x017F;tler, &#x017F;o i&#x017F;t es mei&#x017F;tens<lb/>
wegen a&#x0364;ußerer Zufa&#x0364;lligkeiten, nicht wegen &#x017F;eines Verdien-<lb/>
&#x017F;tes. Kann man &#x017F;ich aber wohl eine &#x017F;olche Achtung, deren<lb/>
&#x017F;ich der Arzt in &#x017F;einem Herzen &#x017F;cha&#x0364;men muß, als ein wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chenswerthes Gut vor&#x017F;tellen? &#x2014; Der Arzt befindet &#x017F;ich<lb/>
nur zu oft in der Lage des Ku&#x0364;n&#x017F;tlers, welcher unverdro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;eine Kun&#x017F;t arbeitet, wenn er gleich von &#x017F;einem Zeitalter<lb/>
nicht gefaßt, nicht ver&#x017F;tanden wird. Da wo er wirklich<lb/>
Verdien&#x017F;t &#x017F;ich erworben, wo er etwas Großes gelei&#x017F;tet hat,<lb/>
wird &#x017F;eine Bemu&#x0364;hung u&#x0364;ber&#x017F;ehen, wo hingegen ein Zufall ihn<lb/>
unter&#x017F;tu&#x0364;tzte, a&#x0364;rndet er Ruhm und das An&#x017F;taunen der Men-<lb/>
ge. Wer al&#x017F;o blos vom Ehrgeize geleitet wird, muß bald<lb/>
ermu&#x0364;den, Arzt zu &#x017F;eyn, er muß Charlatan werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="4">
            <head>§ 499.</head><lb/>
            <p>2. <hi rendition="#g">Geldgeiz</hi> kann eben &#x017F;o wenig der Be&#x017F;timmungs-<lb/>
grund zur Wahl die&#x017F;es Standes &#x017F;eyn; denn er&#x017F;tlich i&#x017F;t es<lb/>
wider&#x017F;innig, die Natur mit Intere&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r &#x017F;ie zu beobachten<lb/>
(dies unumga&#x0364;ngliche Erforderniß des Arztes) um Geld zu<lb/>
verdienen; &#x017F;odann kann man bey Ergreifung irgend einer<lb/>
andern Kun&#x017F;t oder eines Handwerks die&#x017F;en Zweck weit ge-<lb/>
ma&#x0364;chlicher und mit minderer An&#x017F;trengung erreichen, als<lb/>
durch die Heilkun&#x017F;t.</p><lb/>
            <list>
              <item> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Plaz</hi> de exiguo lucro ex medicina. Lip&#x017F;. 780. 4.</hi> </item>
            </list>
          </div><lb/>
          <div n="4">
            <head>§ 500.</head><lb/>
            <p>Ganz anders i&#x017F;t es mit dem Charlatan. Es i&#x017F;t kein<lb/>
&#x017F;icherer Weg, reich zu werden, als durch Vor&#x017F;piegelung ver-<lb/>
u&#x0364;bter Wunderkuren, des Vermo&#x0364;gens alle Krankheiten zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 4</fw><fw place="bottom" type="catch">heilen,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0169] Wahl des Standes. § 498. Aber auch der aufgeklaͤrte Theil des Publikums kann den Arzt nicht beurtheilen (§ 461) und wenn er geachtet wird, er ſey auch der groͤßte Kuͤnſtler, ſo iſt es meiſtens wegen aͤußerer Zufaͤlligkeiten, nicht wegen ſeines Verdien- ſtes. Kann man ſich aber wohl eine ſolche Achtung, deren ſich der Arzt in ſeinem Herzen ſchaͤmen muß, als ein wuͤn- ſchenswerthes Gut vorſtellen? — Der Arzt befindet ſich nur zu oft in der Lage des Kuͤnſtlers, welcher unverdroſſen fuͤr ſeine Kunſt arbeitet, wenn er gleich von ſeinem Zeitalter nicht gefaßt, nicht verſtanden wird. Da wo er wirklich Verdienſt ſich erworben, wo er etwas Großes geleiſtet hat, wird ſeine Bemuͤhung uͤberſehen, wo hingegen ein Zufall ihn unterſtuͤtzte, aͤrndet er Ruhm und das Anſtaunen der Men- ge. Wer alſo blos vom Ehrgeize geleitet wird, muß bald ermuͤden, Arzt zu ſeyn, er muß Charlatan werden. § 499. 2. Geldgeiz kann eben ſo wenig der Beſtimmungs- grund zur Wahl dieſes Standes ſeyn; denn erſtlich iſt es widerſinnig, die Natur mit Intereſſe fuͤr ſie zu beobachten (dies unumgaͤngliche Erforderniß des Arztes) um Geld zu verdienen; ſodann kann man bey Ergreifung irgend einer andern Kunſt oder eines Handwerks dieſen Zweck weit ge- maͤchlicher und mit minderer Anſtrengung erreichen, als durch die Heilkunſt. Plaz de exiguo lucro ex medicina. Lipſ. 780. 4. § 500. Ganz anders iſt es mit dem Charlatan. Es iſt kein ſicherer Weg, reich zu werden, als durch Vorſpiegelung ver- uͤbter Wunderkuren, des Vermoͤgens alle Krankheiten zu heilen, K 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/169
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/169>, abgerufen am 27.11.2024.