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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Bildung des Arztes.
§ 512.

Nun ist aber eine jede richtige Beurtheilung eines vor-
kommenden Krankheitsfalles eine neue Erfindung. Es hat
nämlich noch kein Fall existirt, welcher dem gegenwärtigen
ganz ähnlich gewesen wäre, und es muß daher ein, diesen
entdeckten Modificationen der Krankheit gemäßer Heilplan,
eine neue Erfindung seyn. Der große Arzt hat daher immer
auch eine lebhafte Einbildungskraft, welche ihm bey jedem
Kranken, theils alle mögliche Fälle von Krankheiten darstellt,
über deren Gegenwart nachher die Urtheilskraft entscheidet,
und welche sodann die Ideen zum Gebrauche und zur Mo-
dification der bestimmten Heilmittel in ihm weckt.

§ 513.

Ist dahingegen die Ideenassociation, worauf das Ge-
schäft beruht, träge, so prävalirt das Gedächtniß; dies er-
weckt dann die vormals gehabten Vorstellungen in derselben
Verbindung, und kann also, da es nur Wiederholung einer
Heilmethode liefert, nicht individualisiren. Dies macht da-
her den eigentlichen Unterschied zwischen dem gemeinen und
dem großen Arzte.

§ 514.

Deshalb ist Genie, oder eine von der Natur erhaltene Fer-
tigkeit im Erfinden, ein besonderes Requisit des Arztes.
Wem aber auch nicht eine in so hohem Grade lebhafte Phan-
tasie verliehen ist, der kann dieselbe doch durch zweckmäßige
Cultur verstärken. Dies geschieht besonders durch das Stu-
dium der schönen Künste, und dadurch, daß man dem Ge-
dächtnisse nicht auf Kosten der übrigen Geisteskräfte zu viel
Nahrung giebt.


4. Höhe-
Bildung des Arztes.
§ 512.

Nun iſt aber eine jede richtige Beurtheilung eines vor-
kommenden Krankheitsfalles eine neue Erfindung. Es hat
naͤmlich noch kein Fall exiſtirt, welcher dem gegenwaͤrtigen
ganz aͤhnlich geweſen waͤre, und es muß daher ein, dieſen
entdeckten Modificationen der Krankheit gemaͤßer Heilplan,
eine neue Erfindung ſeyn. Der große Arzt hat daher immer
auch eine lebhafte Einbildungskraft, welche ihm bey jedem
Kranken, theils alle moͤgliche Faͤlle von Krankheiten darſtellt,
uͤber deren Gegenwart nachher die Urtheilskraft entſcheidet,
und welche ſodann die Ideen zum Gebrauche und zur Mo-
dification der beſtimmten Heilmittel in ihm weckt.

§ 513.

Iſt dahingegen die Ideenaſſociation, worauf das Ge-
ſchaͤft beruht, traͤge, ſo praͤvalirt das Gedaͤchtniß; dies er-
weckt dann die vormals gehabten Vorſtellungen in derſelben
Verbindung, und kann alſo, da es nur Wiederholung einer
Heilmethode liefert, nicht individualiſiren. Dies macht da-
her den eigentlichen Unterſchied zwiſchen dem gemeinen und
dem großen Arzte.

§ 514.

Deshalb iſt Genie, oder eine von der Natur erhaltene Fer-
tigkeit im Erfinden, ein beſonderes Requiſit des Arztes.
Wem aber auch nicht eine in ſo hohem Grade lebhafte Phan-
taſie verliehen iſt, der kann dieſelbe doch durch zweckmaͤßige
Cultur verſtaͤrken. Dies geſchieht beſonders durch das Stu-
dium der ſchoͤnen Kuͤnſte, und dadurch, daß man dem Ge-
daͤchtniſſe nicht auf Koſten der uͤbrigen Geiſteskraͤfte zu viel
Nahrung giebt.


4. Hoͤhe-
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[157/0175] Bildung des Arztes. § 512. Nun iſt aber eine jede richtige Beurtheilung eines vor- kommenden Krankheitsfalles eine neue Erfindung. Es hat naͤmlich noch kein Fall exiſtirt, welcher dem gegenwaͤrtigen ganz aͤhnlich geweſen waͤre, und es muß daher ein, dieſen entdeckten Modificationen der Krankheit gemaͤßer Heilplan, eine neue Erfindung ſeyn. Der große Arzt hat daher immer auch eine lebhafte Einbildungskraft, welche ihm bey jedem Kranken, theils alle moͤgliche Faͤlle von Krankheiten darſtellt, uͤber deren Gegenwart nachher die Urtheilskraft entſcheidet, und welche ſodann die Ideen zum Gebrauche und zur Mo- dification der beſtimmten Heilmittel in ihm weckt. § 513. Iſt dahingegen die Ideenaſſociation, worauf das Ge- ſchaͤft beruht, traͤge, ſo praͤvalirt das Gedaͤchtniß; dies er- weckt dann die vormals gehabten Vorſtellungen in derſelben Verbindung, und kann alſo, da es nur Wiederholung einer Heilmethode liefert, nicht individualiſiren. Dies macht da- her den eigentlichen Unterſchied zwiſchen dem gemeinen und dem großen Arzte. § 514. Deshalb iſt Genie, oder eine von der Natur erhaltene Fer- tigkeit im Erfinden, ein beſonderes Requiſit des Arztes. Wem aber auch nicht eine in ſo hohem Grade lebhafte Phan- taſie verliehen iſt, der kann dieſelbe doch durch zweckmaͤßige Cultur verſtaͤrken. Dies geſchieht beſonders durch das Stu- dium der ſchoͤnen Kuͤnſte, und dadurch, daß man dem Ge- daͤchtniſſe nicht auf Koſten der uͤbrigen Geiſteskraͤfte zu viel Nahrung giebt. 4. Hoͤhe-

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/175>, abgerufen am 26.11.2024.