Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Dritter Theil.
§ 781.

Bloße Beobachtung der Aerzte ist aber noch nicht hin-
reichend, zum Praktiker zu bilden: man kann nämlich die
Aerzte handeln sehen, ohne deshalb seine Beobachtungsgabe
oder seine Urtheilskraft zu vervollkommnen. Wenn daher
auch andere Aerzte einen Kranken behandeln, so muß man
doch immer selbst beobachten und selbst beurtheilen, und
diese Untersuchung sodann durch das, was die geübtere Ur-
theilskraft entdeckt, berichtigen.

§ 782.

Sodann muß man auch selbst Kranke übernehmen.
Doch hüte man sich, hierin zu sehr zu eileu. So lange
man nämlich noch nicht eine Zeitlang gute Aerzte beobachtet
und unter ihre Aufsicht prakricirt hat, übersieht man vieles
au den Kranken, und fällt einseitige Urtheile; geneset nun
der Kranke durch andere Umstände, so ist man geneigt zu
glauben, dies ausgerichtet zu haben; man fährt also in der-
selben Methode fort, und so wird die frühzeitige Praxis
eine gefährliche Klippe, an welcher der Arzt für immer
scheitern kann.

§ 783.

Man gewöhne sich frühzeitig daran, von allen Krank-
heiten, die man beobachtet, die Hauptdata in seinem Jour-
nale aufzuzeichnen, und man setze dies in der Praxis fort[.]
Dadurch beugt man dem Schaden vor, welcher aus der Un-
treue des Gedächtnisses erfolgt, man vergißt keinen Um-
stand der gegenwärtigen Krankheit, und kann daher glück-
licher heilen, man erinnert sich der Beschaffenheit des Kran-
ken, welchen man vormals heilte, bey neuen Krankheiten,
und erleichtert sich dadurch das Geschäft ihrer Erkenntniß,

so
Dritter Theil.
§ 781.

Bloße Beobachtung der Aerzte iſt aber noch nicht hin-
reichend, zum Praktiker zu bilden: man kann naͤmlich die
Aerzte handeln ſehen, ohne deshalb ſeine Beobachtungsgabe
oder ſeine Urtheilskraft zu vervollkommnen. Wenn daher
auch andere Aerzte einen Kranken behandeln, ſo muß man
doch immer ſelbſt beobachten und ſelbſt beurtheilen, und
dieſe Unterſuchung ſodann durch das, was die geuͤbtere Ur-
theilskraft entdeckt, berichtigen.

§ 782.

Sodann muß man auch ſelbſt Kranke uͤbernehmen.
Doch huͤte man ſich, hierin zu ſehr zu eileu. So lange
man naͤmlich noch nicht eine Zeitlang gute Aerzte beobachtet
und unter ihre Aufſicht prakricirt hat, uͤberſieht man vieles
au den Kranken, und faͤllt einſeitige Urtheile; geneſet nun
der Kranke durch andere Umſtaͤnde, ſo iſt man geneigt zu
glauben, dies ausgerichtet zu haben; man faͤhrt alſo in der-
ſelben Methode fort, und ſo wird die fruͤhzeitige Praxis
eine gefaͤhrliche Klippe, an welcher der Arzt fuͤr immer
ſcheitern kann.

§ 783.

Man gewoͤhne ſich fruͤhzeitig daran, von allen Krank-
heiten, die man beobachtet, die Hauptdata in ſeinem Jour-
nale aufzuzeichnen, und man ſetze dies in der Praxis fort[.]
Dadurch beugt man dem Schaden vor, welcher aus der Un-
treue des Gedaͤchtniſſes erfolgt, man vergißt keinen Um-
ſtand der gegenwaͤrtigen Krankheit, und kann daher gluͤck-
licher heilen, man erinnert ſich der Beſchaffenheit des Kran-
ken, welchen man vormals heilte, bey neuen Krankheiten,
und erleichtert ſich dadurch das Geſchaͤft ihrer Erkenntniß,

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <pb facs="#f0268" n="250"/>
            <fw place="top" type="header">Dritter Theil.</fw><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 781.</head><lb/>
              <p>Bloße Beobachtung der Aerzte i&#x017F;t aber noch <choice><sic>ncht</sic><corr>nicht</corr></choice> hin-<lb/>
reichend, zum Praktiker zu bilden: man kann na&#x0364;mlich die<lb/>
Aerzte handeln &#x017F;ehen, ohne deshalb &#x017F;eine Beobachtungsgabe<lb/>
oder &#x017F;eine Urtheilskraft zu vervollkommnen. Wenn daher<lb/>
auch andere Aerzte einen Kranken behandeln, &#x017F;o muß man<lb/>
doch immer &#x017F;elb&#x017F;t beobachten und &#x017F;elb&#x017F;t beurtheilen, und<lb/>
die&#x017F;e Unter&#x017F;uchung &#x017F;odann durch das, was die geu&#x0364;btere Ur-<lb/>
theilskraft entdeckt, berichtigen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 782.</head><lb/>
              <p>Sodann muß man auch &#x017F;elb&#x017F;t Kranke u&#x0364;bernehmen.<lb/>
Doch hu&#x0364;te man &#x017F;ich, hierin zu &#x017F;ehr zu eileu. So lange<lb/>
man na&#x0364;mlich noch nicht eine Zeitlang gute Aerzte beobachtet<lb/>
und unter ihre Auf&#x017F;icht prakricirt hat, u&#x0364;ber&#x017F;ieht man vieles<lb/>
au den Kranken, und fa&#x0364;llt ein&#x017F;eitige Urtheile; gene&#x017F;et nun<lb/>
der Kranke durch andere Um&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;o i&#x017F;t man geneigt zu<lb/>
glauben, dies ausgerichtet zu haben; man fa&#x0364;hrt al&#x017F;o in der-<lb/>
&#x017F;elben Methode fort, und &#x017F;o wird die fru&#x0364;hzeitige Praxis<lb/>
eine gefa&#x0364;hrliche Klippe, an welcher der Arzt fu&#x0364;r immer<lb/>
&#x017F;cheitern kann.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 783.</head><lb/>
              <p>Man gewo&#x0364;hne &#x017F;ich fru&#x0364;hzeitig daran, von allen Krank-<lb/>
heiten, die man beobachtet, die Hauptdata in &#x017F;einem Jour-<lb/>
nale aufzuzeichnen, und man &#x017F;etze dies in der Praxis fort<supplied>.</supplied><lb/>
Dadurch beugt man dem Schaden vor, welcher aus der Un-<lb/>
treue des Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;es erfolgt, man vergißt keinen Um-<lb/>
&#x017F;tand der gegenwa&#x0364;rtigen Krankheit, und kann daher glu&#x0364;ck-<lb/>
licher heilen, man erinnert &#x017F;ich der Be&#x017F;chaffenheit des Kran-<lb/>
ken, welchen man vormals heilte, bey neuen Krankheiten,<lb/>
und erleichtert &#x017F;ich dadurch das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft ihrer Erkenntniß,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0268] Dritter Theil. § 781. Bloße Beobachtung der Aerzte iſt aber noch nicht hin- reichend, zum Praktiker zu bilden: man kann naͤmlich die Aerzte handeln ſehen, ohne deshalb ſeine Beobachtungsgabe oder ſeine Urtheilskraft zu vervollkommnen. Wenn daher auch andere Aerzte einen Kranken behandeln, ſo muß man doch immer ſelbſt beobachten und ſelbſt beurtheilen, und dieſe Unterſuchung ſodann durch das, was die geuͤbtere Ur- theilskraft entdeckt, berichtigen. § 782. Sodann muß man auch ſelbſt Kranke uͤbernehmen. Doch huͤte man ſich, hierin zu ſehr zu eileu. So lange man naͤmlich noch nicht eine Zeitlang gute Aerzte beobachtet und unter ihre Aufſicht prakricirt hat, uͤberſieht man vieles au den Kranken, und faͤllt einſeitige Urtheile; geneſet nun der Kranke durch andere Umſtaͤnde, ſo iſt man geneigt zu glauben, dies ausgerichtet zu haben; man faͤhrt alſo in der- ſelben Methode fort, und ſo wird die fruͤhzeitige Praxis eine gefaͤhrliche Klippe, an welcher der Arzt fuͤr immer ſcheitern kann. § 783. Man gewoͤhne ſich fruͤhzeitig daran, von allen Krank- heiten, die man beobachtet, die Hauptdata in ſeinem Jour- nale aufzuzeichnen, und man ſetze dies in der Praxis fort. Dadurch beugt man dem Schaden vor, welcher aus der Un- treue des Gedaͤchtniſſes erfolgt, man vergißt keinen Um- ſtand der gegenwaͤrtigen Krankheit, und kann daher gluͤck- licher heilen, man erinnert ſich der Beſchaffenheit des Kran- ken, welchen man vormals heilte, bey neuen Krankheiten, und erleichtert ſich dadurch das Geſchaͤft ihrer Erkenntniß, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/268
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/268>, abgerufen am 23.11.2024.