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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Kritik der Heilkunst.
§ 42.

Werden nun diese Theorieen der Krankheiten, und diese
aus einzelnen Erfahrungen gebildeten allgemeinen Sätze,
durch Stetigkeit der Principien unter einander verknüpft,
und die einzelnen Thatsachen, welche sich sowohl auf
Kenntniß des Menschen, als auf Heilung seiner Krankheiten
beziehen, auf allgemeine Grundsätze zurückgeführt, so wird
eine Heilwissenschaft gebildet. Sobald wir festsetzen,
daß eine Wissenschaft nur ein Innbegriff von Erkenntnissen
aus Grundsätzen der Vernunft, also a priori erkennbar seyn
und apodyktische Wahrheiten enthalten soll, so muß freylich
die Heilkunst auf diesen Charakter Verzicht thun *). Wenn
wir aber unter einer Wissenschaft überhaupt eine deutliche
und vollständige Darstellung zusammenhängender Wahrhei-
ten verstehen, welche eben dadurch auch hinreichende Einsicht
in ihren Zusammenhang gewährt: so ist allerdings auch eine
Heilwissenschaft möglich.

*) Köllner. Ist Heilkunde als Wissenschaft möglich, und
wie ist sie es? -- (In Röschlaub's Magazin. I. Band,
S. 303 f. f. 337 f. f.)
§ 43.

Unrichtig und zu enge ist die Definition der Heilkunst
als einer Kenntniß des Menschen und seiner Erscheinungen,
denn diese Kenntniß giebt nur ein Hülfsmittel derselben ab.
Sie besteht, als Kunst, nicht im Wissen, sondern im
Handeln.

§ 44.

Zu weit ist die Definition, wenn man sie die Kunst
nennt, Krankheiten vorzubeugen und sie zu heilen *). Denn
die Verhütung von Krankheiten kann nur das Geschäft eines

jeden
B
Kritik der Heilkunſt.
§ 42.

Werden nun dieſe Theorieen der Krankheiten, und dieſe
aus einzelnen Erfahrungen gebildeten allgemeinen Saͤtze,
durch Stetigkeit der Principien unter einander verknuͤpft,
und die einzelnen Thatſachen, welche ſich ſowohl auf
Kenntniß des Menſchen, als auf Heilung ſeiner Krankheiten
beziehen, auf allgemeine Grundſaͤtze zuruͤckgefuͤhrt, ſo wird
eine Heilwiſſenſchaft gebildet. Sobald wir feſtſetzen,
daß eine Wiſſenſchaft nur ein Innbegriff von Erkenntniſſen
aus Grundſaͤtzen der Vernunft, alſo a priori erkennbar ſeyn
und apodyktiſche Wahrheiten enthalten ſoll, ſo muß freylich
die Heilkunſt auf dieſen Charakter Verzicht thun *). Wenn
wir aber unter einer Wiſſenſchaft uͤberhaupt eine deutliche
und vollſtaͤndige Darſtellung zuſammenhaͤngender Wahrhei-
ten verſtehen, welche eben dadurch auch hinreichende Einſicht
in ihren Zuſammenhang gewaͤhrt: ſo iſt allerdings auch eine
Heilwiſſenſchaft moͤglich.

*) Koͤllner. Iſt Heilkunde als Wiſſenſchaft moͤglich, und
wie iſt ſie es? — (In Roͤſchlaub’s Magazin. I. Band,
S. 303 f. f. 337 f. f.)
§ 43.

Unrichtig und zu enge iſt die Definition der Heilkunſt
als einer Kenntniß des Menſchen und ſeiner Erſcheinungen,
denn dieſe Kenntniß giebt nur ein Huͤlfsmittel derſelben ab.
Sie beſteht, als Kunſt, nicht im Wiſſen, ſondern im
Handeln.

§ 44.

Zu weit iſt die Definition, wenn man ſie die Kunſt
nennt, Krankheiten vorzubeugen und ſie zu heilen *). Denn
die Verhuͤtung von Krankheiten kann nur das Geſchaͤft eines

jeden
B
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[17/0035] Kritik der Heilkunſt. § 42. Werden nun dieſe Theorieen der Krankheiten, und dieſe aus einzelnen Erfahrungen gebildeten allgemeinen Saͤtze, durch Stetigkeit der Principien unter einander verknuͤpft, und die einzelnen Thatſachen, welche ſich ſowohl auf Kenntniß des Menſchen, als auf Heilung ſeiner Krankheiten beziehen, auf allgemeine Grundſaͤtze zuruͤckgefuͤhrt, ſo wird eine Heilwiſſenſchaft gebildet. Sobald wir feſtſetzen, daß eine Wiſſenſchaft nur ein Innbegriff von Erkenntniſſen aus Grundſaͤtzen der Vernunft, alſo a priori erkennbar ſeyn und apodyktiſche Wahrheiten enthalten ſoll, ſo muß freylich die Heilkunſt auf dieſen Charakter Verzicht thun *). Wenn wir aber unter einer Wiſſenſchaft uͤberhaupt eine deutliche und vollſtaͤndige Darſtellung zuſammenhaͤngender Wahrhei- ten verſtehen, welche eben dadurch auch hinreichende Einſicht in ihren Zuſammenhang gewaͤhrt: ſo iſt allerdings auch eine Heilwiſſenſchaft moͤglich. *⁾ Koͤllner. Iſt Heilkunde als Wiſſenſchaft moͤglich, und wie iſt ſie es? — (In Roͤſchlaub’s Magazin. I. Band, S. 303 f. f. 337 f. f.) § 43. Unrichtig und zu enge iſt die Definition der Heilkunſt als einer Kenntniß des Menſchen und ſeiner Erſcheinungen, denn dieſe Kenntniß giebt nur ein Huͤlfsmittel derſelben ab. Sie beſteht, als Kunſt, nicht im Wiſſen, ſondern im Handeln. § 44. Zu weit iſt die Definition, wenn man ſie die Kunſt nennt, Krankheiten vorzubeugen und ſie zu heilen *). Denn die Verhuͤtung von Krankheiten kann nur das Geſchaͤft eines jeden B

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/35>, abgerufen am 23.11.2024.