Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.genauer bekannt machen, wollen wir zuvor die anfänglichen Wirkungen dieser Getränke, und zwar nach der stufenweisen Folge ihrer Entwickelung, scharf in's Auge fassen. Alle Welt kennt das wohlthuende Gefühl, das der Wein und die Spirituosen, wenn mäßig genossen, erregen; alle Welt kennt aber auch jenen eigenthümlichen Zustand, in welchen sie versetzen, wenn man ihnen im Uebermaße zugesprochen hat, und der mit dem Namen Trunkenheit bezeichnet wird, ein Zustand, in welchem der Mensch, nach einem Augenblicke von Aufgeregtheit, seine Kräfte nach und nach abnehmen, seine geistigen Eigenschaften bis zum völligen Schwinden sich vermindern fühlt. Die Art und Beschaffenheit*) der Spirituosen, welche in den Magen eingeführt werden, so wie die Gewohnheit, welche diesem Organ zu eigen wird, deren mehr oder weniger oft in sich aufzunehmen, lassen jedoch die Trunkenheit in verschiedenen Gestalten und Graden sich offenbaren. Ich will nunmehr versuchen, ein der Natur entnommenes characteristisches Bild zu entwerfen von den Nuancen, nach welchen in einer Gesellschaft von Säufern die Grade der Berauschung sich abstufen, von dem Beginne des Banketts an bis zu dem Augenblicke, wo Tumult und scandalöse Scenen ihm die Silenskrone aufsetzen. Die ersten Gläser bringen in dem Magen anfangs eine angenehme Wärme hervor, welche sich bald genug *) So wie bekanntlich in Deutschland nicht wenig Weinhändler oder Weinfabricanten, namentlich in den nordischen Seestädten, gewissenlos genug sind, manchen Weinen durch Beimischung von Bleizucker ihre zu große Herbigkeit zu benehmen und sie so nebenbei einigermaßen zu vergiften, so muß sich auch der Branntwein hie und da allerlei narkotische Beimischungen, als da sind: Trespe, Lolch, Porst, Coriander, Kockelskörner, Scharlachkraut, Wiesensalbei, gefallen lassen, durch welches betrügerische Verfahren derselbe aber natürlicherweise in eben dem Grade wie an Stärke, so an Gefährlichkeit für den Trinker gewinnt. Der Uebers.
genauer bekannt machen, wollen wir zuvor die anfänglichen Wirkungen dieser Getränke, und zwar nach der stufenweisen Folge ihrer Entwickelung, scharf in’s Auge fassen. Alle Welt kennt das wohlthuende Gefühl, das der Wein und die Spirituosen, wenn mäßig genossen, erregen; alle Welt kennt aber auch jenen eigenthümlichen Zustand, in welchen sie versetzen, wenn man ihnen im Uebermaße zugesprochen hat, und der mit dem Namen Trunkenheit bezeichnet wird, ein Zustand, in welchem der Mensch, nach einem Augenblicke von Aufgeregtheit, seine Kräfte nach und nach abnehmen, seine geistigen Eigenschaften bis zum völligen Schwinden sich vermindern fühlt. Die Art und Beschaffenheit*) der Spirituosen, welche in den Magen eingeführt werden, so wie die Gewohnheit, welche diesem Organ zu eigen wird, deren mehr oder weniger oft in sich aufzunehmen, lassen jedoch die Trunkenheit in verschiedenen Gestalten und Graden sich offenbaren. Ich will nunmehr versuchen, ein der Natur entnommenes characteristisches Bild zu entwerfen von den Nuancen, nach welchen in einer Gesellschaft von Säufern die Grade der Berauschung sich abstufen, von dem Beginne des Banketts an bis zu dem Augenblicke, wo Tumult und scandalöse Scenen ihm die Silenskrone aufsetzen. Die ersten Gläser bringen in dem Magen anfangs eine angenehme Wärme hervor, welche sich bald genug *) So wie bekanntlich in Deutschland nicht wenig Weinhändler oder Weinfabricanten, namentlich in den nordischen Seestädten, gewissenlos genug sind, manchen Weinen durch Beimischung von Bleizucker ihre zu große Herbigkeit zu benehmen und sie so nebenbei einigermaßen zu vergiften, so muß sich auch der Branntwein hie und da allerlei narkotische Beimischungen, als da sind: Trespe, Lolch, Porst, Coriander, Kockelskörner, Scharlachkraut, Wiesensalbei, gefallen lassen, durch welches betrügerische Verfahren derselbe aber natürlicherweise in eben dem Grade wie an Stärke, so an Gefährlichkeit für den Trinker gewinnt. Der Uebers.
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genauer bekannt machen, wollen wir zuvor die anfänglichen Wirkungen dieser Getränke, und zwar nach der stufenweisen Folge ihrer Entwickelung, scharf in’s Auge fassen.
Alle Welt kennt das wohlthuende Gefühl, das der Wein und die Spirituosen, wenn mäßig genossen, erregen; alle Welt kennt aber auch jenen eigenthümlichen Zustand, in welchen sie versetzen, wenn man ihnen im Uebermaße zugesprochen hat, und der mit dem Namen Trunkenheit bezeichnet wird, ein Zustand, in welchem der Mensch, nach einem Augenblicke von Aufgeregtheit, seine Kräfte nach und nach abnehmen, seine geistigen Eigenschaften bis zum völligen Schwinden sich vermindern fühlt. Die Art und Beschaffenheit *) der Spirituosen, welche in den Magen eingeführt werden, so wie die Gewohnheit, welche diesem Organ zu eigen wird, deren mehr oder weniger oft in sich aufzunehmen, lassen jedoch die Trunkenheit in verschiedenen Gestalten und Graden sich offenbaren.
Ich will nunmehr versuchen, ein der Natur entnommenes characteristisches Bild zu entwerfen von den Nuancen, nach welchen in einer Gesellschaft von Säufern die Grade der Berauschung sich abstufen, von dem Beginne des Banketts an bis zu dem Augenblicke, wo Tumult und scandalöse Scenen ihm die Silenskrone aufsetzen.
Die ersten Gläser bringen in dem Magen anfangs eine angenehme Wärme hervor, welche sich bald genug
*) So wie bekanntlich in Deutschland nicht wenig Weinhändler oder Weinfabricanten, namentlich in den nordischen Seestädten, gewissenlos genug sind, manchen Weinen durch Beimischung von Bleizucker ihre zu große Herbigkeit zu benehmen und sie so nebenbei einigermaßen zu vergiften, so muß sich auch der Branntwein hie und da allerlei narkotische Beimischungen, als da sind: Trespe, Lolch, Porst, Coriander, Kockelskörner, Scharlachkraut, Wiesensalbei, gefallen lassen, durch welches betrügerische Verfahren derselbe aber natürlicherweise in eben dem Grade wie an Stärke, so an Gefährlichkeit für den Trinker gewinnt. Der Uebers.
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