Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.findet sich für den Trinker fortwährend Stoff zur Ausschweifung und zum Müßiggange. Die großen Auszahlungstage in den Werkstätten und Manufacturen dienen den Trinkern ebenfalls zu einem Vorwande, und zwar zu einem solchen, der sich ihnen alle vierzehn Tage darbietet. Wie viele Arbeiter könnten wir namhaft machen, welche fast die ganze Summe, die sie in den vierzehn Tagen mühsam verdient haben, binnen zwei oder drei Tagen durch die Kehle jagen; wie viele ließen sich nennen, welche, einmal von diesem Strudel ergriffen, so lange auf den Straßen und in den Schenken gleich armen Blödsinnigen umherlungern, bis sie den letzten Sou durchgebracht haben; erst dann kehren sie zu ihrer Arbeit zurück, bettelarm, an Körper und Geist erschöpft, und sie arbeiten dann wieder ein Paar Wochen oder einen Monat, um die alte Leier von Neuem und immer wieder anzustimmen. Sind diese Unglücklichen nicht verheirathet, so ist die Sache damit abgethan, daß sie sich um ihre Gesundheit bringen, dem Elend verfallen und ihr Leben in einem Spitale beschließen. Haben sie hingegen Frau und Kinder, alsdann bleibt uns noch zu bedenken, was aus diesen Unglücklichen wird, denen es oft an dem Allernothwendigsten fehlt und welche sich daher oft gedrungen sehen, bei einem erschöpften Credit um ihr Bischen Brod, und nicht selten vergebens, zu betteln. Brillat-Savarin, dieser so geistreiche Schriftsteller und scharfe Beobachter, berichtet unter Anderem, daß er in Holland mit einem reichen Danziger gereis't sei, der in seiner Vaterstadt seit funfzig Jahren den bedeutendsten Detailverkauf von Branntwein hatte, und durch den er gesprächsweise mit der Lebensweise der dortigen Säufer und der Art ihres Todes bekannt wurde. "Mein Herr," sagte dieser Patriarch, "man macht sich in Frankreich schwerlich einen richtigen Begriff von der Wichtigkeit des Handels, der nun schon seit länger als einem Jahrhundert in meinem Hause vom Vater auf den Sohn fortgeerbt findet sich für den Trinker fortwährend Stoff zur Ausschweifung und zum Müßiggange. Die großen Auszahlungstage in den Werkstätten und Manufacturen dienen den Trinkern ebenfalls zu einem Vorwande, und zwar zu einem solchen, der sich ihnen alle vierzehn Tage darbietet. Wie viele Arbeiter könnten wir namhaft machen, welche fast die ganze Summe, die sie in den vierzehn Tagen mühsam verdient haben, binnen zwei oder drei Tagen durch die Kehle jagen; wie viele ließen sich nennen, welche, einmal von diesem Strudel ergriffen, so lange auf den Straßen und in den Schenken gleich armen Blödsinnigen umherlungern, bis sie den letzten Sou durchgebracht haben; erst dann kehren sie zu ihrer Arbeit zurück, bettelarm, an Körper und Geist erschöpft, und sie arbeiten dann wieder ein Paar Wochen oder einen Monat, um die alte Leier von Neuem und immer wieder anzustimmen. Sind diese Unglücklichen nicht verheirathet, so ist die Sache damit abgethan, daß sie sich um ihre Gesundheit bringen, dem Elend verfallen und ihr Leben in einem Spitale beschließen. Haben sie hingegen Frau und Kinder, alsdann bleibt uns noch zu bedenken, was aus diesen Unglücklichen wird, denen es oft an dem Allernothwendigsten fehlt und welche sich daher oft gedrungen sehen, bei einem erschöpften Credit um ihr Bischen Brod, und nicht selten vergebens, zu betteln. Brillat-Savarin, dieser so geistreiche Schriftsteller und scharfe Beobachter, berichtet unter Anderem, daß er in Holland mit einem reichen Danziger gereis’t sei, der in seiner Vaterstadt seit funfzig Jahren den bedeutendsten Detailverkauf von Branntwein hatte, und durch den er gesprächsweise mit der Lebensweise der dortigen Säufer und der Art ihres Todes bekannt wurde. „Mein Herr,“ sagte dieser Patriarch, „man macht sich in Frankreich schwerlich einen richtigen Begriff von der Wichtigkeit des Handels, der nun schon seit länger als einem Jahrhundert in meinem Hause vom Vater auf den Sohn fortgeerbt <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0034" n="24"/> findet sich für den Trinker fortwährend Stoff zur Ausschweifung und zum Müßiggange.</p> <p>Die großen Auszahlungstage in den Werkstätten und Manufacturen dienen den Trinkern ebenfalls zu einem Vorwande, und zwar zu einem solchen, der sich ihnen alle vierzehn Tage darbietet. Wie viele Arbeiter könnten wir namhaft machen, welche fast die ganze Summe, die sie in den vierzehn Tagen mühsam verdient haben, binnen zwei oder drei Tagen durch die Kehle jagen; wie viele ließen sich nennen, welche, einmal von diesem Strudel ergriffen, so lange auf den Straßen und in den Schenken gleich armen Blödsinnigen umherlungern, bis sie den letzten Sou durchgebracht haben; erst dann kehren sie zu ihrer Arbeit zurück, bettelarm, an Körper und Geist erschöpft, und sie arbeiten dann wieder ein Paar Wochen oder einen Monat, um die alte Leier von Neuem und immer wieder anzustimmen.</p> <p>Sind diese Unglücklichen nicht verheirathet, so ist die Sache damit abgethan, daß sie sich um ihre Gesundheit bringen, dem Elend verfallen und ihr Leben in einem Spitale beschließen. Haben sie hingegen Frau und Kinder, alsdann bleibt uns noch zu bedenken, was aus diesen Unglücklichen wird, denen es oft an dem Allernothwendigsten fehlt und welche sich daher oft gedrungen sehen, bei einem erschöpften Credit um ihr Bischen Brod, und nicht selten vergebens, zu betteln.</p> <p>Brillat-Savarin, dieser so geistreiche Schriftsteller und scharfe Beobachter, berichtet unter Anderem, daß er in Holland mit einem reichen Danziger gereis’t sei, der in seiner Vaterstadt seit funfzig Jahren den bedeutendsten Detailverkauf von Branntwein hatte, und durch den er gesprächsweise mit der Lebensweise der dortigen Säufer und der Art ihres Todes bekannt wurde. „Mein Herr,“ sagte dieser Patriarch, „man macht sich in Frankreich schwerlich einen richtigen Begriff von der Wichtigkeit des Handels, der nun schon seit länger als einem Jahrhundert in meinem Hause vom Vater auf den Sohn fortgeerbt </p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0034]
findet sich für den Trinker fortwährend Stoff zur Ausschweifung und zum Müßiggange.
Die großen Auszahlungstage in den Werkstätten und Manufacturen dienen den Trinkern ebenfalls zu einem Vorwande, und zwar zu einem solchen, der sich ihnen alle vierzehn Tage darbietet. Wie viele Arbeiter könnten wir namhaft machen, welche fast die ganze Summe, die sie in den vierzehn Tagen mühsam verdient haben, binnen zwei oder drei Tagen durch die Kehle jagen; wie viele ließen sich nennen, welche, einmal von diesem Strudel ergriffen, so lange auf den Straßen und in den Schenken gleich armen Blödsinnigen umherlungern, bis sie den letzten Sou durchgebracht haben; erst dann kehren sie zu ihrer Arbeit zurück, bettelarm, an Körper und Geist erschöpft, und sie arbeiten dann wieder ein Paar Wochen oder einen Monat, um die alte Leier von Neuem und immer wieder anzustimmen.
Sind diese Unglücklichen nicht verheirathet, so ist die Sache damit abgethan, daß sie sich um ihre Gesundheit bringen, dem Elend verfallen und ihr Leben in einem Spitale beschließen. Haben sie hingegen Frau und Kinder, alsdann bleibt uns noch zu bedenken, was aus diesen Unglücklichen wird, denen es oft an dem Allernothwendigsten fehlt und welche sich daher oft gedrungen sehen, bei einem erschöpften Credit um ihr Bischen Brod, und nicht selten vergebens, zu betteln.
Brillat-Savarin, dieser so geistreiche Schriftsteller und scharfe Beobachter, berichtet unter Anderem, daß er in Holland mit einem reichen Danziger gereis’t sei, der in seiner Vaterstadt seit funfzig Jahren den bedeutendsten Detailverkauf von Branntwein hatte, und durch den er gesprächsweise mit der Lebensweise der dortigen Säufer und der Art ihres Todes bekannt wurde. „Mein Herr,“ sagte dieser Patriarch, „man macht sich in Frankreich schwerlich einen richtigen Begriff von der Wichtigkeit des Handels, der nun schon seit länger als einem Jahrhundert in meinem Hause vom Vater auf den Sohn fortgeerbt
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