Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn demnach sämmtliche Classen der betreffenden jungen Leute zur Untersuchung gezogen worden wären, würde das Verhältniß der Auszumusternden sich wie 58,089 zu 164,405, also auf ein recht starkes Dritttheil gestellt haben.

Ist es nun deutlich? sagt der Dr. P. Bernard am Schlusse einer "das kranke Paris" betitelten Uebersicht, worin er unter Anderm darthut, wie groß die Armuth unserer Species ist und wie gering die Sorgfalt, welche man für die Fortpflanzung derselben an den Tag legt, endlich auch, wie wenig ernsthaft man sich um den Act bekümmert, der das Leben zu geben bestimmt ist. Hätte sich hier nicht Stoff zum Nachdenken geboten für den heiligen Vincent de Paula, der kein Malthusianer war und ein Herz und Gemüth hatte, wie kein Malthusianer seiner Zeit? Möge man immerhin die Gymnasien und Turnanstalten vermehren und die Bürger insgesammt behende und gewandt zu machen suchen, wie die Jäger von Vincennes, das Menschengeschlecht wird im Ganzen genommen nichts dadurch gewinnen, solange nicht etwas Höheres, Religiöses, ich möchte fast sagen Göttliches den Menschen bei dem Gedanken, dem Gefühle: Leben zu geben, durchgeistigt.

Wie viele Kinder in Paris, innerhalb und außerhalb seines Festungsrayons, schulden ihr Dasein einer noch zeugungsfähigen Trunkenheit? Wie viele elende Fötus müßten, wenn das Ende stets nothwendig dem Ursprung entspräche, wieder dem Branntwein (Weingeist) zu Theil werden; eine Rückkehr, welche, allen vorliegenden Umständen nach, in der That wünschenswerther wäre, als die Fortsetzung der fraglichen Existenz. Könnte man wohl noch fragen, wohin sie gehen, was aus ihnen wird, aus jenen selbst des Princips des menschlichen Lebens gleichsam Enterbten? Was aus ihnen wird, nun, wer sollte nicht reden gehört haben von jenen Gestalten, welche man in Paris niemals anders gewahrt, als an den bösen Tagen, wenn es um der einen oder der andern Ursache willen Verbrechen zu begehen giebt, um dann des folgenden Morgens in, wer weiß welches,

Wenn demnach sämmtliche Classen der betreffenden jungen Leute zur Untersuchung gezogen worden wären, würde das Verhältniß der Auszumusternden sich wie 58,089 zu 164,405, also auf ein recht starkes Dritttheil gestellt haben.

Ist es nun deutlich? sagt der Dr. P. Bernard am Schlusse einer „das kranke Paris“ betitelten Uebersicht, worin er unter Anderm darthut, wie groß die Armuth unserer Species ist und wie gering die Sorgfalt, welche man für die Fortpflanzung derselben an den Tag legt, endlich auch, wie wenig ernsthaft man sich um den Act bekümmert, der das Leben zu geben bestimmt ist. Hätte sich hier nicht Stoff zum Nachdenken geboten für den heiligen Vincent de Paula, der kein Malthusianer war und ein Herz und Gemüth hatte, wie kein Malthusianer seiner Zeit? Möge man immerhin die Gymnasien und Turnanstalten vermehren und die Bürger insgesammt behende und gewandt zu machen suchen, wie die Jäger von Vincennes, das Menschengeschlecht wird im Ganzen genommen nichts dadurch gewinnen, solange nicht etwas Höheres, Religiöses, ich möchte fast sagen Göttliches den Menschen bei dem Gedanken, dem Gefühle: Leben zu geben, durchgeistigt.

Wie viele Kinder in Paris, innerhalb und außerhalb seines Festungsrayons, schulden ihr Dasein einer noch zeugungsfähigen Trunkenheit? Wie viele elende Fötus müßten, wenn das Ende stets nothwendig dem Ursprung entspräche, wieder dem Branntwein (Weingeist) zu Theil werden; eine Rückkehr, welche, allen vorliegenden Umständen nach, in der That wünschenswerther wäre, als die Fortsetzung der fraglichen Existenz. Könnte man wohl noch fragen, wohin sie gehen, was aus ihnen wird, aus jenen selbst des Princips des menschlichen Lebens gleichsam Enterbten? Was aus ihnen wird, nun, wer sollte nicht reden gehört haben von jenen Gestalten, welche man in Paris niemals anders gewahrt, als an den bösen Tagen, wenn es um der einen oder der andern Ursache willen Verbrechen zu begehen giebt, um dann des folgenden Morgens in, wer weiß welches,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0046" n="36"/>
Wenn demnach sämmtliche Classen der betreffenden jungen Leute zur Untersuchung                     gezogen worden wären, würde das Verhältniß der Auszumusternden sich wie 58,089                     zu 164,405, also auf ein recht starkes Dritttheil gestellt haben.</p>
        <p>Ist es nun deutlich? sagt der <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">P. Bernard</hi> am Schlusse einer &#x201E;das kranke Paris&#x201C;                     betitelten Uebersicht, worin er unter Anderm darthut, wie groß die Armuth                     unserer Species ist und wie gering die Sorgfalt, welche man für die                     Fortpflanzung derselben an den Tag legt, endlich auch, wie wenig ernsthaft man                     sich um den Act bekümmert, der das Leben zu geben bestimmt ist. Hätte sich hier                     nicht Stoff zum Nachdenken geboten für den heiligen Vincent de Paula, der kein                     Malthusianer war und ein Herz und Gemüth hatte, wie kein Malthusianer seiner                     Zeit? Möge man immerhin die Gymnasien und Turnanstalten vermehren und die Bürger                     insgesammt behende und gewandt zu machen suchen, wie die Jäger von Vincennes,                     das Menschengeschlecht wird im Ganzen genommen nichts dadurch gewinnen, solange                     nicht etwas Höheres, Religiöses, ich möchte fast sagen Göttliches den Menschen                     bei dem Gedanken, dem Gefühle: Leben zu geben, durchgeistigt.</p>
        <p>Wie viele Kinder in Paris, innerhalb und außerhalb seines Festungsrayons,                     schulden ihr Dasein einer noch zeugungsfähigen Trunkenheit? Wie viele elende                     Fötus müßten, wenn das Ende stets nothwendig dem Ursprung entspräche, wieder dem                     Branntwein (Weingeist) zu Theil werden; eine Rückkehr, welche, allen                     vorliegenden Umständen nach, in der That wünschenswerther wäre, als die                     Fortsetzung der fraglichen Existenz. Könnte man wohl noch fragen, wohin sie                     gehen, was aus ihnen wird, aus jenen selbst des Princips des menschlichen Lebens                     gleichsam Enterbten? Was aus ihnen wird, nun, wer sollte nicht reden gehört                     haben von jenen Gestalten, welche man in Paris niemals anders gewahrt, als an                     den bösen Tagen, wenn es um der einen oder der andern Ursache willen Verbrechen                     zu begehen giebt, um dann des folgenden Morgens in, wer weiß welches,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0046] Wenn demnach sämmtliche Classen der betreffenden jungen Leute zur Untersuchung gezogen worden wären, würde das Verhältniß der Auszumusternden sich wie 58,089 zu 164,405, also auf ein recht starkes Dritttheil gestellt haben. Ist es nun deutlich? sagt der Dr. P. Bernard am Schlusse einer „das kranke Paris“ betitelten Uebersicht, worin er unter Anderm darthut, wie groß die Armuth unserer Species ist und wie gering die Sorgfalt, welche man für die Fortpflanzung derselben an den Tag legt, endlich auch, wie wenig ernsthaft man sich um den Act bekümmert, der das Leben zu geben bestimmt ist. Hätte sich hier nicht Stoff zum Nachdenken geboten für den heiligen Vincent de Paula, der kein Malthusianer war und ein Herz und Gemüth hatte, wie kein Malthusianer seiner Zeit? Möge man immerhin die Gymnasien und Turnanstalten vermehren und die Bürger insgesammt behende und gewandt zu machen suchen, wie die Jäger von Vincennes, das Menschengeschlecht wird im Ganzen genommen nichts dadurch gewinnen, solange nicht etwas Höheres, Religiöses, ich möchte fast sagen Göttliches den Menschen bei dem Gedanken, dem Gefühle: Leben zu geben, durchgeistigt. Wie viele Kinder in Paris, innerhalb und außerhalb seines Festungsrayons, schulden ihr Dasein einer noch zeugungsfähigen Trunkenheit? Wie viele elende Fötus müßten, wenn das Ende stets nothwendig dem Ursprung entspräche, wieder dem Branntwein (Weingeist) zu Theil werden; eine Rückkehr, welche, allen vorliegenden Umständen nach, in der That wünschenswerther wäre, als die Fortsetzung der fraglichen Existenz. Könnte man wohl noch fragen, wohin sie gehen, was aus ihnen wird, aus jenen selbst des Princips des menschlichen Lebens gleichsam Enterbten? Was aus ihnen wird, nun, wer sollte nicht reden gehört haben von jenen Gestalten, welche man in Paris niemals anders gewahrt, als an den bösen Tagen, wenn es um der einen oder der andern Ursache willen Verbrechen zu begehen giebt, um dann des folgenden Morgens in, wer weiß welches,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/46
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/46>, abgerufen am 23.11.2024.