Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

haben, weil sie auf den Haß, die Mißgunst und Alles, was zum Argen führt, gestützt waren? Dort wird die Freiheit, dieses erhabene, edle und, richtig verstanden, so schöne Vorbild, wie bisher, so auch künftig stets in Fluthen von Wein, mitten unter zertrümmerten Gläsern und Flaschen, ersäuft werden. -

Wenn das Wirthshaus die Schule der bösen Leidenschaften ist, so kann es zugleich als das Grab der wahren Freiheit betrachtet werden; selbst die besten Ansichten können dort nicht lange bestehen. Man denke sich doch nur, was aus einer geschändeten, besudelten Freiheit, deren Gewand von Wein-, Koth- und Blutflecken starrt, jemals werden kann! Darf es denn unter solchen Umständen irgend Wunder nehmen, daß vor dem Anblick einer solchen Gestalt alle rechtschaffenen Leute, sie, die sich die Freiheit so rein und so edel vorgestellt haben, schaudernd zurückweichen?

Diejenigen aber, welche so Viele in diese Oerter verlocken, indem sie ihnen von der Freiheit vorschwatzen, diese haben ihren Verführten keinesweges auch gesagt, daß die wilden und unwissenden Völkerschaften nur durch den ihnen von den Siegern dargereichten Branntwein, den sie in ihrer naiven und bilderreichen Sprache mit dem Namen Feuerwasser tauften, der Knechtschaft anheimgefallen sind. Sie wissen nicht, daß überall da, wo man beabsichtigt, ein Volk zu unterjochen, zu zähmen, zu verthieren, man es zum Trinken angereizt, es an den Genuß der alkoholischen Flüssigkeiten gewöhnt hat.

Zum Schlusse dieses Capitels geschehe noch kürzlich der Manöver Erwähnung, welche angewendet werden, wenn ein Mensch darauf ausgeht, Jemand in einem Handel zu betrügen. Was thut er nämlich? Er ladet ihn ein, mit ihm Eins zu trinken, anfangs nur in der Absicht, um die geschäftliche Unterhaltung in leichtern Fluß zu bringen, oder, richtiger gesagt, um die Aufmerksamkeit des Andern besser für sich gefangen nehmen zu können, späterhin aber, um sich zum Herrn über ihn zu machen, indem er ihn zu betäuben, sein Gehirn einzulullen

haben, weil sie auf den Haß, die Mißgunst und Alles, was zum Argen führt, gestützt waren? Dort wird die Freiheit, dieses erhabene, edle und, richtig verstanden, so schöne Vorbild, wie bisher, so auch künftig stets in Fluthen von Wein, mitten unter zertrümmerten Gläsern und Flaschen, ersäuft werden. –

Wenn das Wirthshaus die Schule der bösen Leidenschaften ist, so kann es zugleich als das Grab der wahren Freiheit betrachtet werden; selbst die besten Ansichten können dort nicht lange bestehen. Man denke sich doch nur, was aus einer geschändeten, besudelten Freiheit, deren Gewand von Wein-, Koth- und Blutflecken starrt, jemals werden kann! Darf es denn unter solchen Umständen irgend Wunder nehmen, daß vor dem Anblick einer solchen Gestalt alle rechtschaffenen Leute, sie, die sich die Freiheit so rein und so edel vorgestellt haben, schaudernd zurückweichen?

Diejenigen aber, welche so Viele in diese Oerter verlocken, indem sie ihnen von der Freiheit vorschwatzen, diese haben ihren Verführten keinesweges auch gesagt, daß die wilden und unwissenden Völkerschaften nur durch den ihnen von den Siegern dargereichten Branntwein, den sie in ihrer naiven und bilderreichen Sprache mit dem Namen Feuerwasser tauften, der Knechtschaft anheimgefallen sind. Sie wissen nicht, daß überall da, wo man beabsichtigt, ein Volk zu unterjochen, zu zähmen, zu verthieren, man es zum Trinken angereizt, es an den Genuß der alkoholischen Flüssigkeiten gewöhnt hat.

Zum Schlusse dieses Capitels geschehe noch kürzlich der Manöver Erwähnung, welche angewendet werden, wenn ein Mensch darauf ausgeht, Jemand in einem Handel zu betrügen. Was thut er nämlich? Er ladet ihn ein, mit ihm Eins zu trinken, anfangs nur in der Absicht, um die geschäftliche Unterhaltung in leichtern Fluß zu bringen, oder, richtiger gesagt, um die Aufmerksamkeit des Andern besser für sich gefangen nehmen zu können, späterhin aber, um sich zum Herrn über ihn zu machen, indem er ihn zu betäuben, sein Gehirn einzulullen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0058" n="48"/>
haben, weil                     sie auf den Haß, die Mißgunst und Alles, was zum Argen führt, gestützt waren?                     Dort wird die Freiheit, dieses erhabene, edle und, richtig verstanden, so schöne                     Vorbild, wie bisher, so auch künftig stets in Fluthen von Wein, mitten unter                     zertrümmerten Gläsern und Flaschen, ersäuft werden. &#x2013;</p>
        <p>Wenn das Wirthshaus die Schule der bösen Leidenschaften ist, so kann es zugleich                     als das Grab der wahren Freiheit betrachtet werden; selbst die besten Ansichten                     können dort nicht lange bestehen. Man denke sich doch nur, was aus einer                     geschändeten, besudelten Freiheit, deren Gewand von Wein-, Koth- und Blutflecken                     starrt, jemals werden kann! Darf es denn unter solchen Umständen irgend Wunder                     nehmen, daß vor dem Anblick einer solchen Gestalt alle rechtschaffenen Leute,                     sie, die sich die Freiheit so rein und so edel vorgestellt haben, schaudernd                     zurückweichen?</p>
        <p>Diejenigen aber, welche so Viele in diese Oerter verlocken, indem sie ihnen von                     der Freiheit vorschwatzen, diese haben ihren Verführten keinesweges auch gesagt,                     daß die wilden und unwissenden Völkerschaften nur durch den ihnen von den                     Siegern dargereichten Branntwein, den sie in ihrer naiven und bilderreichen                     Sprache mit dem Namen <hi rendition="#g">Feuerwasser</hi> tauften, der                     Knechtschaft anheimgefallen sind. Sie wissen nicht, daß überall da, wo man                     beabsichtigt, ein Volk zu unterjochen, zu zähmen, zu verthieren, man es zum                     Trinken angereizt, es an den Genuß der alkoholischen Flüssigkeiten gewöhnt                     hat.</p>
        <p>Zum Schlusse dieses Capitels geschehe noch kürzlich der Manöver Erwähnung, welche                     angewendet werden, wenn ein Mensch darauf ausgeht, Jemand in einem Handel zu                     betrügen. Was thut er nämlich? Er ladet ihn ein, mit ihm Eins zu trinken,                     anfangs nur in der Absicht, um die geschäftliche Unterhaltung in leichtern Fluß                     zu bringen, oder, richtiger gesagt, um die Aufmerksamkeit des Andern besser für                     sich gefangen nehmen zu können, späterhin aber, um sich zum Herrn über ihn zu                     machen, indem er ihn zu betäuben, sein Gehirn einzulullen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0058] haben, weil sie auf den Haß, die Mißgunst und Alles, was zum Argen führt, gestützt waren? Dort wird die Freiheit, dieses erhabene, edle und, richtig verstanden, so schöne Vorbild, wie bisher, so auch künftig stets in Fluthen von Wein, mitten unter zertrümmerten Gläsern und Flaschen, ersäuft werden. – Wenn das Wirthshaus die Schule der bösen Leidenschaften ist, so kann es zugleich als das Grab der wahren Freiheit betrachtet werden; selbst die besten Ansichten können dort nicht lange bestehen. Man denke sich doch nur, was aus einer geschändeten, besudelten Freiheit, deren Gewand von Wein-, Koth- und Blutflecken starrt, jemals werden kann! Darf es denn unter solchen Umständen irgend Wunder nehmen, daß vor dem Anblick einer solchen Gestalt alle rechtschaffenen Leute, sie, die sich die Freiheit so rein und so edel vorgestellt haben, schaudernd zurückweichen? Diejenigen aber, welche so Viele in diese Oerter verlocken, indem sie ihnen von der Freiheit vorschwatzen, diese haben ihren Verführten keinesweges auch gesagt, daß die wilden und unwissenden Völkerschaften nur durch den ihnen von den Siegern dargereichten Branntwein, den sie in ihrer naiven und bilderreichen Sprache mit dem Namen Feuerwasser tauften, der Knechtschaft anheimgefallen sind. Sie wissen nicht, daß überall da, wo man beabsichtigt, ein Volk zu unterjochen, zu zähmen, zu verthieren, man es zum Trinken angereizt, es an den Genuß der alkoholischen Flüssigkeiten gewöhnt hat. Zum Schlusse dieses Capitels geschehe noch kürzlich der Manöver Erwähnung, welche angewendet werden, wenn ein Mensch darauf ausgeht, Jemand in einem Handel zu betrügen. Was thut er nämlich? Er ladet ihn ein, mit ihm Eins zu trinken, anfangs nur in der Absicht, um die geschäftliche Unterhaltung in leichtern Fluß zu bringen, oder, richtiger gesagt, um die Aufmerksamkeit des Andern besser für sich gefangen nehmen zu können, späterhin aber, um sich zum Herrn über ihn zu machen, indem er ihn zu betäuben, sein Gehirn einzulullen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/58
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/58>, abgerufen am 24.11.2024.