Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

thut, gelangt sein wird, einst die reinste Quelle seiner Freuden und der edelsten Erholung werden. Der Elementar-Unterricht *) ist derjenige, welcher sich für den Arbeiter am Besten eignet, er kann nur wohlthätig für ihn sein, denn er befruchtet seinen Geist, macht ihn einer besseren Ordnung von Ideen zugänglich, verfeinert seine Sitten und dämpft das brutale Auflodern seiner Leidenschaften, mit einem Worte: er civilisirt ihn. Zu unserem Bedauern müssen wir aber heutzutage gewahr werden, wie eine gute Anzahl Arbeiter, einmal den Schulen entwachsen, es vernachlässigt, den empfangenen Unterricht weiter auszubilden; wie Andere dagegen ihrem Geist eine Nahrung zukommen lassen, welche eben auch nicht besser ist, als das, was sie in Wirthshäusern genießen. Man sieht sie nämlich mit einer wahren Begierde eine große Anzahl Romane verschlingen, welche, indem sie ihren Geist und ihr Urtheil beirren, sie zum Haß gegen das Gemeinwesen aufregen und das müssige Leben lieb gewinnen lassen. Indem sie nun die Welt stets in einem durchaus falschen Lichte betrachten, sich unaufhörlich in Träumereien gefallen und sich, so zu sagen, mit der unmöglichen Verwirklichung einer Heldenrolle abquälen, enden sie zuletzt damit, ihre eigene Stellung im Leben zu verwünschen und die bessere von Anderen zu beneiden.

*) In Deutschland ist den Arbeitern bekanntlich fast überall und besser, als in Frankreich, von dem Obiges gilt, Gelegenheit geboten, in den Sonntagsschulen das früher Gelernte aufzufrischen und sich weiter fortzubilden. Daß dieß aber auch nur von verhältnißmäßig Wenigen benutzt wird, wenn sie nicht, wie es nur bei Lehrlingen geschehen kann und auch geschieht, dazu gezwungen werden, ist leider nur zu wahr. Die Mehrzahl hält sich für kenntnißreich genug, wähnt daher, dem Schulunterricht ein für allemal entwachsen zu sein und - vergißt in diesem Dünkel auch noch in vielen Fällen mehr oder weniger das, was sie früher gelernt hatte.
Der Uebers.

thut, gelangt sein wird, einst die reinste Quelle seiner Freuden und der edelsten Erholung werden. Der Elementar-Unterricht *) ist derjenige, welcher sich für den Arbeiter am Besten eignet, er kann nur wohlthätig für ihn sein, denn er befruchtet seinen Geist, macht ihn einer besseren Ordnung von Ideen zugänglich, verfeinert seine Sitten und dämpft das brutale Auflodern seiner Leidenschaften, mit einem Worte: er civilisirt ihn. Zu unserem Bedauern müssen wir aber heutzutage gewahr werden, wie eine gute Anzahl Arbeiter, einmal den Schulen entwachsen, es vernachlässigt, den empfangenen Unterricht weiter auszubilden; wie Andere dagegen ihrem Geist eine Nahrung zukommen lassen, welche eben auch nicht besser ist, als das, was sie in Wirthshäusern genießen. Man sieht sie nämlich mit einer wahren Begierde eine große Anzahl Romane verschlingen, welche, indem sie ihren Geist und ihr Urtheil beirren, sie zum Haß gegen das Gemeinwesen aufregen und das müssige Leben lieb gewinnen lassen. Indem sie nun die Welt stets in einem durchaus falschen Lichte betrachten, sich unaufhörlich in Träumereien gefallen und sich, so zu sagen, mit der unmöglichen Verwirklichung einer Heldenrolle abquälen, enden sie zuletzt damit, ihre eigene Stellung im Leben zu verwünschen und die bessere von Anderen zu beneiden.

*) In Deutschland ist den Arbeitern bekanntlich fast überall und besser, als in Frankreich, von dem Obiges gilt, Gelegenheit geboten, in den Sonntagsschulen das früher Gelernte aufzufrischen und sich weiter fortzubilden. Daß dieß aber auch nur von verhältnißmäßig Wenigen benutzt wird, wenn sie nicht, wie es nur bei Lehrlingen geschehen kann und auch geschieht, dazu gezwungen werden, ist leider nur zu wahr. Die Mehrzahl hält sich für kenntnißreich genug, wähnt daher, dem Schulunterricht ein für allemal entwachsen zu sein und – vergißt in diesem Dünkel auch noch in vielen Fällen mehr oder weniger das, was sie früher gelernt hatte.
Der Uebers.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0088" n="78"/>
thut, gelangt sein wird, einst die reinste Quelle                     seiner Freuden und der edelsten Erholung werden. Der Elementar-Unterricht <note place="foot" n="*)">In Deutschland ist den Arbeitern bekanntlich fast                         überall und besser, als in Frankreich, von dem Obiges gilt, Gelegenheit                         geboten, in den Sonntagsschulen das früher Gelernte aufzufrischen und sich                         weiter fortzubilden. Daß dieß aber auch nur von verhältnißmäßig Wenigen                         benutzt wird, wenn sie nicht, wie es nur bei Lehrlingen geschehen kann und                         auch geschieht, dazu gezwungen werden, ist leider nur zu wahr. Die Mehrzahl                         hält sich für kenntnißreich genug, wähnt daher, dem Schulunterricht ein für                         allemal entwachsen zu sein und &#x2013; vergißt in diesem Dünkel auch noch in                         vielen Fällen mehr oder weniger das, was sie früher gelernt hatte.<lb/><hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Der Uebers.</hi></hi></note> ist derjenige, welcher sich für den Arbeiter am Besten eignet,                     er kann nur wohlthätig für ihn sein, denn er befruchtet seinen Geist, macht ihn                     einer besseren Ordnung von Ideen zugänglich, verfeinert seine Sitten und dämpft                     das brutale Auflodern seiner Leidenschaften, mit einem Worte: er civilisirt ihn.                     Zu unserem Bedauern müssen wir aber heutzutage gewahr werden, wie eine gute                     Anzahl Arbeiter, einmal den Schulen entwachsen, es vernachlässigt, den                     empfangenen Unterricht weiter auszubilden; wie Andere dagegen ihrem Geist eine                     Nahrung zukommen lassen, welche eben auch nicht besser ist, als das, was sie in                     Wirthshäusern genießen. Man sieht sie nämlich mit einer wahren Begierde eine                     große Anzahl Romane verschlingen, welche, indem sie ihren Geist und ihr Urtheil                     beirren, sie zum Haß gegen das Gemeinwesen aufregen und das müssige Leben lieb                     gewinnen lassen. Indem sie nun die Welt stets in einem durchaus falschen Lichte                     betrachten, sich unaufhörlich in Träumereien gefallen und sich, so zu sagen, mit                     der unmöglichen Verwirklichung einer Heldenrolle abquälen, enden sie zuletzt                     damit, ihre eigene Stellung im Leben zu verwünschen und die bessere von Anderen                     zu beneiden.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0088] thut, gelangt sein wird, einst die reinste Quelle seiner Freuden und der edelsten Erholung werden. Der Elementar-Unterricht *) ist derjenige, welcher sich für den Arbeiter am Besten eignet, er kann nur wohlthätig für ihn sein, denn er befruchtet seinen Geist, macht ihn einer besseren Ordnung von Ideen zugänglich, verfeinert seine Sitten und dämpft das brutale Auflodern seiner Leidenschaften, mit einem Worte: er civilisirt ihn. Zu unserem Bedauern müssen wir aber heutzutage gewahr werden, wie eine gute Anzahl Arbeiter, einmal den Schulen entwachsen, es vernachlässigt, den empfangenen Unterricht weiter auszubilden; wie Andere dagegen ihrem Geist eine Nahrung zukommen lassen, welche eben auch nicht besser ist, als das, was sie in Wirthshäusern genießen. Man sieht sie nämlich mit einer wahren Begierde eine große Anzahl Romane verschlingen, welche, indem sie ihren Geist und ihr Urtheil beirren, sie zum Haß gegen das Gemeinwesen aufregen und das müssige Leben lieb gewinnen lassen. Indem sie nun die Welt stets in einem durchaus falschen Lichte betrachten, sich unaufhörlich in Träumereien gefallen und sich, so zu sagen, mit der unmöglichen Verwirklichung einer Heldenrolle abquälen, enden sie zuletzt damit, ihre eigene Stellung im Leben zu verwünschen und die bessere von Anderen zu beneiden. *) In Deutschland ist den Arbeitern bekanntlich fast überall und besser, als in Frankreich, von dem Obiges gilt, Gelegenheit geboten, in den Sonntagsschulen das früher Gelernte aufzufrischen und sich weiter fortzubilden. Daß dieß aber auch nur von verhältnißmäßig Wenigen benutzt wird, wenn sie nicht, wie es nur bei Lehrlingen geschehen kann und auch geschieht, dazu gezwungen werden, ist leider nur zu wahr. Die Mehrzahl hält sich für kenntnißreich genug, wähnt daher, dem Schulunterricht ein für allemal entwachsen zu sein und – vergißt in diesem Dünkel auch noch in vielen Fällen mehr oder weniger das, was sie früher gelernt hatte. Der Uebers.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/88
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/88>, abgerufen am 27.11.2024.