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Burk, Johann Albrecht: Gebet- und Lieder-Buch zum Privat-Gebrauch für Kinder und für junge Christen reiferen Alters. Tübingen, 1775.

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Voerede.
dern verträget, bis sie zu einem grösseren Maasse
des Lichts gelangen. Man muß aber solche Ge-
duld auch dankbarlich erkennen und nicht sich selbs
rechtfertigen sondern vielmehr sich immer zurecht-
weisen lassen, den Eigensinn ablegen und GOtt die
Ehre geben."

Wenn es schon eigentlich auf das Gedeyhen das
GOtt gibt, ankommt, wenn ein Acker soll schöne
Frucht tragen, so bemühet sich doch der Bauers-
mann um schöne Saatfrucht und säet mit kluger
Wahl auf ein jedes Feld diejenige Gattung von
Früchten, die daselbst gedeyhen kann. Die An-
wendung ist leicht zu machen. Wir müssen mit
Treue und Fleiß das Unserige thun, und das Wei-
tere von Anfang bis zu Ende GOtt befehlen.

Es ist eine Erfahrungs-Wahrheit (und ich kann
es der Ueberzeugung redlicher und verständiger
Christen getrost überlassen, ob sie Gottlob! oder
Leider! dazu sagen wollen) daß man überhaupt
junge Kinder, noch ehe sie es verstehen, gar viele
Sachen muß lernen lassen, die auf den Religions-
Unterricht oder den Wandel in der Gottseeligkeit
ihre Beziehung haben. Aber es wäre doch besser,
wenn die Kinder das verstünden, was sie lernen
müssen? -- Es wäre doch besser, wenn das Nö-
thigste vor dem minder-nöthigen, das gegenwärtig-
Brauchbare vor dem künftig-Brauchbaren, das
klare und verständliche vor dem dunkelen und schwe-
ren den Vorzug hätte? -- Wo muß es denn aber
herkommen, daß man insgemein auf diese Forde-
rungen, die nicht erst ich mache, sondern die der
Sache selbst so gemäs sind, doch so wenig Rück-
sicht nimmt? -- Hier öfnet sich ein weites Feld
zu Betrachtungen, Klagen uud Wünschen! -- ich
wende mich aber zu dem Gegenstand, den ich jetzt
vor mir habe. Wenn ja der Unterricht in der Re-
ligion so unvollkommen bleiben soll, wenn die Kin-
der noch immerhin mit Unverstand lesen, auswen-

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Voerede.
dern vertraͤget, bis ſie zu einem groͤſſeren Maaſſe
des Lichts gelangen. Man muß aber ſolche Ge-
duld auch dankbarlich erkennen und nicht ſich ſelbs
rechtfertigen ſondern vielmehr ſich immer zurecht-
weiſen laſſen, den Eigenſinn ablegen und GOtt die
Ehre geben.„

Wenn es ſchon eigentlich auf das Gedeyhen das
GOtt gibt, ankommt, wenn ein Acker ſoll ſchoͤne
Frucht tragen, ſo bemuͤhet ſich doch der Bauers-
mann um ſchoͤne Saatfrucht und ſaͤet mit kluger
Wahl auf ein jedes Feld diejenige Gattung von
Fruͤchten, die daſelbſt gedeyhen kann. Die An-
wendung iſt leicht zu machen. Wir muͤſſen mit
Treue und Fleiß das Unſerige thun, und das Wei-
tere von Anfang bis zu Ende GOtt befehlen.

Es iſt eine Erfahrungs-Wahrheit (und ich kann
es der Ueberzeugung redlicher und verſtaͤndiger
Chriſten getroſt uͤberlaſſen, ob ſie Gottlob! oder
Leider! dazu ſagen wollen) daß man uͤberhaupt
junge Kinder, noch ehe ſie es verſtehen, gar viele
Sachen muß lernen laſſen, die auf den Religions-
Unterricht oder den Wandel in der Gottſeeligkeit
ihre Beziehung haben. Aber es waͤre doch beſſer,
wenn die Kinder das verſtuͤnden, was ſie lernen
muͤſſen? — Es waͤre doch beſſer, wenn das Noͤ-
thigſte vor dem minder-noͤthigen, das gegenwaͤrtig-
Brauchbare vor dem kuͤnftig-Brauchbaren, das
klare und verſtaͤndliche vor dem dunkelen und ſchwe-
ren den Vorzug haͤtte? — Wo muß es denn aber
herkommen, daß man insgemein auf dieſe Forde-
rungen, die nicht erſt ich mache, ſondern die der
Sache ſelbſt ſo gemaͤs ſind, doch ſo wenig Ruͤck-
ſicht nimmt? — Hier oͤfnet ſich ein weites Feld
zu Betrachtungen, Klagen uud Wuͤnſchen! — ich
wende mich aber zu dem Gegenſtand, den ich jetzt
vor mir habe. Wenn ja der Unterricht in der Re-
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[LIII/0057] Voerede. dern vertraͤget, bis ſie zu einem groͤſſeren Maaſſe des Lichts gelangen. Man muß aber ſolche Ge- duld auch dankbarlich erkennen und nicht ſich ſelbs rechtfertigen ſondern vielmehr ſich immer zurecht- weiſen laſſen, den Eigenſinn ablegen und GOtt die Ehre geben.„ Wenn es ſchon eigentlich auf das Gedeyhen das GOtt gibt, ankommt, wenn ein Acker ſoll ſchoͤne Frucht tragen, ſo bemuͤhet ſich doch der Bauers- mann um ſchoͤne Saatfrucht und ſaͤet mit kluger Wahl auf ein jedes Feld diejenige Gattung von Fruͤchten, die daſelbſt gedeyhen kann. Die An- wendung iſt leicht zu machen. Wir muͤſſen mit Treue und Fleiß das Unſerige thun, und das Wei- tere von Anfang bis zu Ende GOtt befehlen. Es iſt eine Erfahrungs-Wahrheit (und ich kann es der Ueberzeugung redlicher und verſtaͤndiger Chriſten getroſt uͤberlaſſen, ob ſie Gottlob! oder Leider! dazu ſagen wollen) daß man uͤberhaupt junge Kinder, noch ehe ſie es verſtehen, gar viele Sachen muß lernen laſſen, die auf den Religions- Unterricht oder den Wandel in der Gottſeeligkeit ihre Beziehung haben. Aber es waͤre doch beſſer, wenn die Kinder das verſtuͤnden, was ſie lernen muͤſſen? — Es waͤre doch beſſer, wenn das Noͤ- thigſte vor dem minder-noͤthigen, das gegenwaͤrtig- Brauchbare vor dem kuͤnftig-Brauchbaren, das klare und verſtaͤndliche vor dem dunkelen und ſchwe- ren den Vorzug haͤtte? — Wo muß es denn aber herkommen, daß man insgemein auf dieſe Forde- rungen, die nicht erſt ich mache, ſondern die der Sache ſelbſt ſo gemaͤs ſind, doch ſo wenig Ruͤck- ſicht nimmt? — Hier oͤfnet ſich ein weites Feld zu Betrachtungen, Klagen uud Wuͤnſchen! — ich wende mich aber zu dem Gegenſtand, den ich jetzt vor mir habe. Wenn ja der Unterricht in der Re- ligion ſo unvollkommen bleiben ſoll, wenn die Kin- der noch immerhin mit Unverſtand leſen, auswen- dig d 3

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Zitationshilfe: Burk, Johann Albrecht: Gebet- und Lieder-Buch zum Privat-Gebrauch für Kinder und für junge Christen reiferen Alters. Tübingen, 1775, S. LIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burk_gebet_1775/57>, abgerufen am 21.11.2024.