Da er diesen seinen hülflosen Zustand über- dachte, sank er auf einmal wieder in seine vorige Bekümmerniß zurük. Was hilft es mir, dachte er, daß ich dem Tode des Hun- gers vor jezt entgangen bin, da ich vielleicht diese Nacht von wilden Thieren werde zerris- sen werden!
Es kam ihm ordentlich vor, als wenn schon ein grimmiger Tieger vor ihm stünde, seinen Rachen weit aufsperte, und ihm seine großen scharfen Zähne zeigte. Jezt bildete er sich ein, er pakke ihn schon bei der Gur- gel, that einen lauten Schrei: "o meine ar- men Eltern!" -- und sank kraftlos zu Bo- den.
Nachdem er eine Zeitlang gelegen und mit Angst und Verzweifelung gerungen hatte, fiel ihm ein Lied ein, welches er seine fromme Mutter manchmahl hatte singen hören, wenn ihr etwas Trauriges begegnet war. Das Lied fängt sich so an:
Wer nur den lieben Gott läßt walten, Und hoffet auf ihn allezeit,
Den
Da er dieſen ſeinen huͤlfloſen Zuſtand uͤber- dachte, ſank er auf einmal wieder in ſeine vorige Bekuͤmmerniß zuruͤk. Was hilft es mir, dachte er, daß ich dem Tode des Hun- gers vor jezt entgangen bin, da ich vielleicht dieſe Nacht von wilden Thieren werde zerriſ- ſen werden!
Es kam ihm ordentlich vor, als wenn ſchon ein grimmiger Tieger vor ihm ſtuͤnde, ſeinen Rachen weit aufſperte, und ihm ſeine großen ſcharfen Zaͤhne zeigte. Jezt bildete er ſich ein, er pakke ihn ſchon bei der Gur- gel, that einen lauten Schrei: „o meine ar- men Eltern!„ — und ſank kraftlos zu Bo- den.
Nachdem er eine Zeitlang gelegen und mit Angſt und Verzweifelung gerungen hatte, fiel ihm ein Lied ein, welches er ſeine fromme Mutter manchmahl hatte ſingen hoͤren, wenn ihr etwas Trauriges begegnet war. Das Lied faͤngt ſich ſo an:
Wer nur den lieben Gott laͤßt walten, Und hoffet auf ihn allezeit,
Den
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Da er dieſen ſeinen huͤlfloſen Zuſtand uͤber-
dachte, ſank er auf einmal wieder in ſeine
vorige Bekuͤmmerniß zuruͤk. Was hilft es
mir, dachte er, daß ich dem Tode des Hun-
gers vor jezt entgangen bin, da ich vielleicht
dieſe Nacht von wilden Thieren werde zerriſ-
ſen werden!
Es kam ihm ordentlich vor, als wenn
ſchon ein grimmiger Tieger vor ihm ſtuͤnde,
ſeinen Rachen weit aufſperte, und ihm ſeine
großen ſcharfen Zaͤhne zeigte. Jezt bildete
er ſich ein, er pakke ihn ſchon bei der Gur-
gel, that einen lauten Schrei: „o meine ar-
men Eltern!„ — und ſank kraftlos zu Bo-
den.
Nachdem er eine Zeitlang gelegen und mit
Angſt und Verzweifelung gerungen hatte, fiel
ihm ein Lied ein, welches er ſeine fromme
Mutter manchmahl hatte ſingen hoͤren, wenn
ihr etwas Trauriges begegnet war. Das Lied
faͤngt ſich ſo an:
Wer nur den lieben Gott laͤßt walten,
Und hoffet auf ihn allezeit,
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/117>, abgerufen am 16.02.2025.
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