Der neue Tag brach an, und das aufge- hende Freudeverbreitende Licht des Tages fand den armen Robinson in der trostlosen Lage, worin er sich an den Baum gelehnt hatte. In seine Augen war kein Schlaf, und in seine Sele kein anderer Gedanke gekom- men, als die einzige schwarze, schwermüthige Frage: was sol nun aus mir werden?
Endlich machte er sich auf und schwankte, wie ein Träumender, nach seiner verwüsteten Wohnung hin. Wie groß war aber nicht das freudige Schrekken, welches ihn überfiel, da ihm nahe bei seinem Hofplaze auf einmahl seine -- was meint ihr? -- seine geliebten Lama's gesund und wohlbehalten entgegen spran- gen! Anfangs traute er seinen eigenen Augen nicht, aber jeder Zweifel wurde ihm bald benom- men. Sie kamen herzugerant, lekten ihm die Hände und drükten ihre Freude, ihn wieder zusehen, durch Hüpfen und Blöken aus.
In diesem Augenblik erwachte Robinsons Herz, welches bis dahin ganz erstorben zu sein schien. Er blikte auf seine Lama's, dan zum
Him-
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Der neue Tag brach an, und das aufge- hende Freudeverbreitende Licht des Tages fand den armen Robinſon in der troſtloſen Lage, worin er ſich an den Baum gelehnt hatte. In ſeine Augen war kein Schlaf, und in ſeine Sele kein anderer Gedanke gekom- men, als die einzige ſchwarze, ſchwermuͤthige Frage: was ſol nun aus mir werden?
Endlich machte er ſich auf und ſchwankte, wie ein Traͤumender, nach ſeiner verwuͤſteten Wohnung hin. Wie groß war aber nicht das freudige Schrekken, welches ihn uͤberfiel, da ihm nahe bei ſeinem Hofplaze auf einmahl ſeine — was meint ihr? — ſeine geliebten Lama's geſund und wohlbehalten entgegen ſpran- gen! Anfangs traute er ſeinen eigenen Augen nicht, aber jeder Zweifel wurde ihm bald benom- men. Sie kamen herzugerant, lekten ihm die Haͤnde und druͤkten ihre Freude, ihn wieder zuſehen, durch Huͤpfen und Bloͤken aus.
In dieſem Augenblik erwachte Robinſons Herz, welches bis dahin ganz erſtorben zu ſein ſchien. Er blikte auf ſeine Lama's, dan zum
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Der neue Tag brach an, und das aufge-
hende Freudeverbreitende Licht des Tages
fand den armen Robinſon in der troſtloſen
Lage, worin er ſich an den Baum gelehnt
hatte. In ſeine Augen war kein Schlaf, und
in ſeine Sele kein anderer Gedanke gekom-
men, als die einzige ſchwarze, ſchwermuͤthige
Frage: was ſol nun aus mir werden?
Endlich machte er ſich auf und ſchwankte,
wie ein Traͤumender, nach ſeiner verwuͤſteten
Wohnung hin. Wie groß war aber nicht das
freudige Schrekken, welches ihn uͤberfiel, da
ihm nahe bei ſeinem Hofplaze auf einmahl
ſeine — was meint ihr? — ſeine geliebten
Lama's geſund und wohlbehalten entgegen ſpran-
gen! Anfangs traute er ſeinen eigenen Augen
nicht, aber jeder Zweifel wurde ihm bald benom-
men. Sie kamen herzugerant, lekten ihm die
Haͤnde und druͤkten ihre Freude, ihn wieder
zuſehen, durch Huͤpfen und Bloͤken aus.
In dieſem Augenblik erwachte Robinſons
Herz, welches bis dahin ganz erſtorben zu ſein
ſchien. Er blikte auf ſeine Lama's, dan zum
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/273>, abgerufen am 21.11.2024.
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