Lotte. Das war doch wieder recht schön von Robinson, daß er die andern Wilden nicht auch todt machen wolte!
Vater. Allerdings war das gut ge- handelt; denn grausam würd' es gewesen sein, ohne dringende Noth ein Einziges dieser armen Geschöpfe zu erwürgen, die gar keinen Begrif davon hatten, daß das, was sie thaten, etwas Böses sei, und die sogar in dem traurigen Ir- thume standen, daß es etwas Verdienstliches sei, recht viele Feinde geschlachtet und verzehrt zu haben.
Christel. O das hätten sie doch auch wohl wissen können, daß das nicht hübsch sei!
Vater. Und woher, lieber Christel, hät- ten sie das denn wohl wissen können?
Christel. O das weiß ja das kleinste Kind, daß es nicht recht ist, einen umzubringen, um ihn aufzuessen!
Vater. Aber woher weiß denn dieses das kleinste Kind? Nicht wahr, weil es frühzeitig belehrt worden ist?
Christel. Ja!
Va-
S 4
Lotte. Das war doch wieder recht ſchoͤn von Robinſon, daß er die andern Wilden nicht auch todt machen wolte!
Vater. Allerdings war das gut ge- handelt; denn grauſam wuͤrd' es geweſen ſein, ohne dringende Noth ein Einziges dieſer armen Geſchoͤpfe zu erwuͤrgen, die gar keinen Begrif davon hatten, daß das, was ſie thaten, etwas Boͤſes ſei, und die ſogar in dem traurigen Ir- thume ſtanden, daß es etwas Verdienſtliches ſei, recht viele Feinde geſchlachtet und verzehrt zu haben.
Chriſtel. O das haͤtten ſie doch auch wohl wiſſen koͤnnen, daß das nicht huͤbſch ſei!
Vater. Und woher, lieber Chriſtel, haͤt- ten ſie das denn wohl wiſſen koͤnnen?
Chriſtel. O das weiß ja das kleinſte Kind, daß es nicht recht iſt, einen umzubringen, um ihn aufzueſſen!
Vater. Aber woher weiß denn dieſes das kleinſte Kind? Nicht wahr, weil es fruͤhzeitig belehrt worden iſt?
Chriſtel. Ja!
Va-
S 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0285"n="279"/><p><hirendition="#fr">Lotte.</hi> Das war doch wieder recht ſchoͤn<lb/>
von <hirendition="#fr">Robinſon,</hi> daß er die andern Wilden nicht<lb/>
auch todt machen wolte!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vater.</hi> Allerdings war das gut ge-<lb/>
handelt; denn grauſam wuͤrd' es geweſen ſein,<lb/>
ohne dringende Noth ein Einziges dieſer armen<lb/>
Geſchoͤpfe zu erwuͤrgen, die gar keinen Begrif<lb/>
davon hatten, daß das, was ſie thaten, etwas<lb/>
Boͤſes ſei, und die ſogar in dem traurigen Ir-<lb/>
thume ſtanden, daß es etwas Verdienſtliches<lb/>ſei, recht viele Feinde geſchlachtet und verzehrt<lb/>
zu haben.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Chriſtel.</hi> O das haͤtten ſie doch auch wohl<lb/>
wiſſen koͤnnen, daß das nicht huͤbſch ſei!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vater.</hi> Und woher, lieber Chriſtel, haͤt-<lb/>
ten ſie das denn wohl wiſſen koͤnnen?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Chriſtel.</hi> O das weiß ja das kleinſte Kind,<lb/>
daß es nicht recht iſt, einen umzubringen, um<lb/>
ihn aufzueſſen!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vater.</hi> Aber woher weiß denn dieſes das<lb/>
kleinſte Kind? Nicht wahr, weil es fruͤhzeitig<lb/>
belehrt worden iſt?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Chriſtel.</hi> Ja!</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 4</fw><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Va-</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[279/0285]
Lotte. Das war doch wieder recht ſchoͤn
von Robinſon, daß er die andern Wilden nicht
auch todt machen wolte!
Vater. Allerdings war das gut ge-
handelt; denn grauſam wuͤrd' es geweſen ſein,
ohne dringende Noth ein Einziges dieſer armen
Geſchoͤpfe zu erwuͤrgen, die gar keinen Begrif
davon hatten, daß das, was ſie thaten, etwas
Boͤſes ſei, und die ſogar in dem traurigen Ir-
thume ſtanden, daß es etwas Verdienſtliches
ſei, recht viele Feinde geſchlachtet und verzehrt
zu haben.
Chriſtel. O das haͤtten ſie doch auch wohl
wiſſen koͤnnen, daß das nicht huͤbſch ſei!
Vater. Und woher, lieber Chriſtel, haͤt-
ten ſie das denn wohl wiſſen koͤnnen?
Chriſtel. O das weiß ja das kleinſte Kind,
daß es nicht recht iſt, einen umzubringen, um
ihn aufzueſſen!
Vater. Aber woher weiß denn dieſes das
kleinſte Kind? Nicht wahr, weil es fruͤhzeitig
belehrt worden iſt?
Chriſtel. Ja!
Va-
S 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/285>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.