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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

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Einer der Erschlagenen, der den Stich
nur in den Unterleib bekommen hatte und ver-
muthlich nicht tödtlich verwundet war, fing an
sich wieder zu erhohlen, und etwas ausgerisse-
nes Gras in die Wunde zu stopfen um das Blut
zu stillen. Robinson machte seinen Wilden
aufmerksam darauf und dieser antwortete ihm
einige Worte in seiner Landessprache, die jener
zwar nicht verstand, aber welche doch wie Mu-
sik in seinen Ohren tönten, weil es die erste
menschliche Stimme war, die er nach so vielen
Jahren wieder hörte. Hierauf zeigte der In-
dianer auf sein steinernes Beil, dan auf sich,
und gab zu verstehen, daß er seinem Feinde vol-
lends den Rest damit zu geben wünschte. Unser
Held, der ungern Menschenblut vergoß und
gleichwohl die Nothwendigkeit, den Verwun-
deten völlig umzubringen, erkante, gab seinem
Schuzgenossen das Beil, und wandte seine Au-
gen weg. Dieser lief drauf hin; und spaltete
dem Verwundeten auf einen Streich den Sche-
del bis in die Schulter herab. Dan kam er la-
chend wieder zurük und legte mit vielen sonder-

baren

Einer der Erſchlagenen, der den Stich
nur in den Unterleib bekommen hatte und ver-
muthlich nicht toͤdtlich verwundet war, fing an
ſich wieder zu erhohlen, und etwas ausgeriſſe-
nes Gras in die Wunde zu ſtopfen um das Blut
zu ſtillen. Robinſon machte ſeinen Wilden
aufmerkſam darauf und dieſer antwortete ihm
einige Worte in ſeiner Landesſprache, die jener
zwar nicht verſtand, aber welche doch wie Mu-
ſik in ſeinen Ohren toͤnten, weil es die erſte
menſchliche Stimme war, die er nach ſo vielen
Jahren wieder hoͤrte. Hierauf zeigte der In-
dianer auf ſein ſteinernes Beil, dan auf ſich,
und gab zu verſtehen, daß er ſeinem Feinde vol-
lends den Reſt damit zu geben wuͤnſchte. Unſer
Held, der ungern Menſchenblut vergoß und
gleichwohl die Nothwendigkeit, den Verwun-
deten voͤllig umzubringen, erkante, gab ſeinem
Schuzgenoſſen das Beil, und wandte ſeine Au-
gen weg. Dieſer lief drauf hin; und ſpaltete
dem Verwundeten auf einen Streich den Sche-
del bis in die Schulter herab. Dan kam er la-
chend wieder zuruͤk und legte mit vielen ſonder-

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[75/0081] Einer der Erſchlagenen, der den Stich nur in den Unterleib bekommen hatte und ver- muthlich nicht toͤdtlich verwundet war, fing an ſich wieder zu erhohlen, und etwas ausgeriſſe- nes Gras in die Wunde zu ſtopfen um das Blut zu ſtillen. Robinſon machte ſeinen Wilden aufmerkſam darauf und dieſer antwortete ihm einige Worte in ſeiner Landesſprache, die jener zwar nicht verſtand, aber welche doch wie Mu- ſik in ſeinen Ohren toͤnten, weil es die erſte menſchliche Stimme war, die er nach ſo vielen Jahren wieder hoͤrte. Hierauf zeigte der In- dianer auf ſein ſteinernes Beil, dan auf ſich, und gab zu verſtehen, daß er ſeinem Feinde vol- lends den Reſt damit zu geben wuͤnſchte. Unſer Held, der ungern Menſchenblut vergoß und gleichwohl die Nothwendigkeit, den Verwun- deten voͤllig umzubringen, erkante, gab ſeinem Schuzgenoſſen das Beil, und wandte ſeine Au- gen weg. Dieſer lief drauf hin; und ſpaltete dem Verwundeten auf einen Streich den Sche- del bis in die Schulter herab. Dan kam er la- chend wieder zuruͤk und legte mit vielen ſonder- baren

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/81>, abgerufen am 27.11.2024.