Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Ende Undank ein. Zu rechter Zeit, und aus dem
rechten Bewegungsgrunde ein wenig hart zu schei-
nen, und dadurch auf den Augenblik etwas miß-
fällig zu werden, ist auch Weisheit, ist oft mehr
Wirkung eines guten und edlen Herzens, als eine
gar zu ausgedehnte und zuvorkommende Gefällig-
keit, welche sich alle Menschen verbinden wil, und
darüber keinem sonderliche Dienste leisten kan. --

Dis mag denn für heute genug sein. Ich
habe mich dismahl blos auf solche Vorschriften
eingeschränkt, welche die kluge und glükliche Ver-
waltung deiner künftigen Geschäfte betreffen:
ein andermahl wil ich dir auch diejenigen Lebens-
regeln mittheilen (so viel ich ihrer gleichfals aus
meiner eigenen Erfahrung abgezogen habe) welche
dich in deinem Verhalten gegen die Menschen
lenken sollen, damit du in Fried' und Freundschaft
unter ihnen leben, und gemeinschaftlich mit ihnen
handeln könnest, ohne von den Guten verkant,
und von den Bösen niedergedrükt zu werden.

Mit diesen Worten stand er auf, und ging,
von seinem Sohne geführt, unter rührenden Em-
pfindungen beim Anschauen des gestirnten Him-
mels, zurük zu seiner ländlichen Wohnung.




II.

Ende Undank ein. Zu rechter Zeit, und aus dem
rechten Bewegungsgrunde ein wenig hart zu ſchei-
nen, und dadurch auf den Augenblik etwas miß-
faͤllig zu werden, iſt auch Weisheit, iſt oft mehr
Wirkung eines guten und edlen Herzens, als eine
gar zu ausgedehnte und zuvorkommende Gefaͤllig-
keit, welche ſich alle Menſchen verbinden wil, und
daruͤber keinem ſonderliche Dienſte leiſten kan. —

Dis mag denn fuͤr heute genug ſein. Ich
habe mich dismahl blos auf ſolche Vorſchriften
eingeſchraͤnkt, welche die kluge und gluͤkliche Ver-
waltung deiner kuͤnftigen Geſchaͤfte betreffen:
ein andermahl wil ich dir auch diejenigen Lebens-
regeln mittheilen (ſo viel ich ihrer gleichfals aus
meiner eigenen Erfahrung abgezogen habe) welche
dich in deinem Verhalten gegen die Menſchen
lenken ſollen, damit du in Fried’ und Freundſchaft
unter ihnen leben, und gemeinſchaftlich mit ihnen
handeln koͤnneſt, ohne von den Guten verkant,
und von den Boͤſen niedergedruͤkt zu werden.

Mit dieſen Worten ſtand er auf, und ging,
von ſeinem Sohne gefuͤhrt, unter ruͤhrenden Em-
pfindungen beim Anſchauen des geſtirnten Him-
mels, zuruͤk zu ſeiner laͤndlichen Wohnung.




II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="88"/>
Ende Undank ein. Zu rechter Zeit, und aus dem<lb/>
rechten Bewegungsgrunde ein wenig hart zu &#x017F;chei-<lb/>
nen, und dadurch auf den Augenblik etwas miß-<lb/>
fa&#x0364;llig zu werden, i&#x017F;t auch Weisheit, i&#x017F;t oft mehr<lb/>
Wirkung eines guten und edlen Herzens, als eine<lb/>
gar zu ausgedehnte und zuvorkommende Gefa&#x0364;llig-<lb/>
keit, welche &#x017F;ich alle Men&#x017F;chen verbinden wil, und<lb/>
daru&#x0364;ber keinem &#x017F;onderliche Dien&#x017F;te lei&#x017F;ten kan. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Dis mag denn fu&#x0364;r heute genug &#x017F;ein. Ich<lb/>
habe mich dismahl blos auf &#x017F;olche Vor&#x017F;chriften<lb/>
einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, welche die kluge und glu&#x0364;kliche Ver-<lb/>
waltung deiner <hi rendition="#fr">ku&#x0364;nftigen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte</hi> betreffen:<lb/>
ein andermahl wil ich dir auch diejenigen Lebens-<lb/>
regeln mittheilen (&#x017F;o viel ich ihrer gleichfals aus<lb/>
meiner eigenen Erfahrung abgezogen habe) welche<lb/>
dich in deinem <hi rendition="#fr">Verhalten gegen die Men&#x017F;chen</hi><lb/>
lenken &#x017F;ollen, damit du in Fried&#x2019; und Freund&#x017F;chaft<lb/>
unter ihnen leben, und gemein&#x017F;chaftlich mit ihnen<lb/>
handeln ko&#x0364;nne&#x017F;t, ohne von den Guten verkant,<lb/>
und von den Bo&#x0364;&#x017F;en niedergedru&#x0364;kt zu werden.</p><lb/>
        <p>Mit die&#x017F;en Worten &#x017F;tand er auf, und ging,<lb/>
von &#x017F;einem Sohne gefu&#x0364;hrt, unter ru&#x0364;hrenden Em-<lb/>
pfindungen beim An&#x017F;chauen des ge&#x017F;tirnten Him-<lb/>
mels, zuru&#x0364;k zu &#x017F;einer la&#x0364;ndlichen Wohnung.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">II.</hi> </hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0118] Ende Undank ein. Zu rechter Zeit, und aus dem rechten Bewegungsgrunde ein wenig hart zu ſchei- nen, und dadurch auf den Augenblik etwas miß- faͤllig zu werden, iſt auch Weisheit, iſt oft mehr Wirkung eines guten und edlen Herzens, als eine gar zu ausgedehnte und zuvorkommende Gefaͤllig- keit, welche ſich alle Menſchen verbinden wil, und daruͤber keinem ſonderliche Dienſte leiſten kan. — Dis mag denn fuͤr heute genug ſein. Ich habe mich dismahl blos auf ſolche Vorſchriften eingeſchraͤnkt, welche die kluge und gluͤkliche Ver- waltung deiner kuͤnftigen Geſchaͤfte betreffen: ein andermahl wil ich dir auch diejenigen Lebens- regeln mittheilen (ſo viel ich ihrer gleichfals aus meiner eigenen Erfahrung abgezogen habe) welche dich in deinem Verhalten gegen die Menſchen lenken ſollen, damit du in Fried’ und Freundſchaft unter ihnen leben, und gemeinſchaftlich mit ihnen handeln koͤnneſt, ohne von den Guten verkant, und von den Boͤſen niedergedruͤkt zu werden. Mit dieſen Worten ſtand er auf, und ging, von ſeinem Sohne gefuͤhrt, unter ruͤhrenden Em- pfindungen beim Anſchauen des geſtirnten Him- mels, zuruͤk zu ſeiner laͤndlichen Wohnung. II.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/118
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/118>, abgerufen am 23.11.2024.