Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Um alles in der Welt nicht, mein Sohn! Je-
mehr dir dis gelänge, desto weniger würde man
es dir verzeihen, daß du Beifal und Achtung,
die man nur als ein freiwilliges Geschenk gern
zu geben pflegt, gleich einem schuldigen Tribut,
erzwungen habest. Indes der Verstand deines
Auditoriums nicht umhin könte, dir Gerechtig-
keit wiederfahren zu lassen, würde die gekränkte
Eitelkeit eines jeden sich mächtig gegen dich em-
pören, und nicht eher ruhen noch rasten können,
bis das Falkenauge der Verkleinerungssucht an
deinen Verdiensten irgend einen Auswuchs gewahr
würde, bei dem man sie ergreifen und von ihrer
Höhe wieder herabziehen könte. Es thut so
wohl, sich zum Beschüzer bescheidener und verkan-
ter Vorzüge aufzuwerfen! Es thut so weh, sich
durch auffallende Vorzüge, die keines Beschüzers
bedürfen, gedemüthiget zu sehen! Jemehr du
also solcher Vorzüge in Beziehung auf deine je-
desmalige Geselschaft in dir fühlen wirst, desto
sorgfältiger suche sie zu verbergen, damit ihr
Dasein nur geahndet, niemand aber gezwungen
werde, sie wider seinen Willen anzuerkennen.


Wahre

Um alles in der Welt nicht, mein Sohn! Je-
mehr dir dis gelaͤnge, deſto weniger wuͤrde man
es dir verzeihen, daß du Beifal und Achtung,
die man nur als ein freiwilliges Geſchenk gern
zu geben pflegt, gleich einem ſchuldigen Tribut,
erzwungen habeſt. Indes der Verſtand deines
Auditoriums nicht umhin koͤnte, dir Gerechtig-
keit wiederfahren zu laſſen, wuͤrde die gekraͤnkte
Eitelkeit eines jeden ſich maͤchtig gegen dich em-
poͤren, und nicht eher ruhen noch raſten koͤnnen,
bis das Falkenauge der Verkleinerungsſucht an
deinen Verdienſten irgend einen Auswuchs gewahr
wuͤrde, bei dem man ſie ergreifen und von ihrer
Hoͤhe wieder herabziehen koͤnte. Es thut ſo
wohl, ſich zum Beſchuͤzer beſcheidener und verkan-
ter Vorzuͤge aufzuwerfen! Es thut ſo weh, ſich
durch auffallende Vorzuͤge, die keines Beſchuͤzers
beduͤrfen, gedemuͤthiget zu ſehen! Jemehr du
alſo ſolcher Vorzuͤge in Beziehung auf deine je-
desmalige Geſelſchaft in dir fuͤhlen wirſt, deſto
ſorgfaͤltiger ſuche ſie zu verbergen, damit ihr
Daſein nur geahndet, niemand aber gezwungen
werde, ſie wider ſeinen Willen anzuerkennen.


Wahre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="157"/>
Um alles in der Welt nicht, mein Sohn! Je-<lb/>
mehr dir dis gela&#x0364;nge, de&#x017F;to weniger wu&#x0364;rde man<lb/>
es dir verzeihen, daß du Beifal und Achtung,<lb/>
die man nur als ein freiwilliges Ge&#x017F;chenk gern<lb/>
zu geben pflegt, gleich einem &#x017F;chuldigen Tribut,<lb/>
erzwungen habe&#x017F;t. Indes der Ver&#x017F;tand deines<lb/>
Auditoriums nicht umhin ko&#x0364;nte, dir Gerechtig-<lb/>
keit wiederfahren zu la&#x017F;&#x017F;en, wu&#x0364;rde die gekra&#x0364;nkte<lb/>
Eitelkeit eines jeden &#x017F;ich ma&#x0364;chtig gegen dich em-<lb/>
po&#x0364;ren, und nicht eher ruhen noch ra&#x017F;ten ko&#x0364;nnen,<lb/>
bis das Falkenauge der Verkleinerungs&#x017F;ucht an<lb/>
deinen Verdien&#x017F;ten irgend einen Auswuchs gewahr<lb/>
wu&#x0364;rde, bei dem man &#x017F;ie ergreifen und von ihrer<lb/>
Ho&#x0364;he wieder herabziehen ko&#x0364;nte. Es thut &#x017F;o<lb/>
wohl, &#x017F;ich zum Be&#x017F;chu&#x0364;zer be&#x017F;cheidener und verkan-<lb/>
ter Vorzu&#x0364;ge aufzuwerfen! Es thut &#x017F;o weh, &#x017F;ich<lb/>
durch auffallende Vorzu&#x0364;ge, die keines Be&#x017F;chu&#x0364;zers<lb/>
bedu&#x0364;rfen, gedemu&#x0364;thiget zu &#x017F;ehen! Jemehr du<lb/>
al&#x017F;o &#x017F;olcher Vorzu&#x0364;ge in Beziehung auf deine je-<lb/>
desmalige Ge&#x017F;el&#x017F;chaft in dir fu&#x0364;hlen wir&#x017F;t, de&#x017F;to<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltiger &#x017F;uche &#x017F;ie zu verbergen, damit ihr<lb/>
Da&#x017F;ein nur geahndet, niemand aber gezwungen<lb/>
werde, &#x017F;ie wider &#x017F;einen Willen anzuerkennen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Wahre</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0187] Um alles in der Welt nicht, mein Sohn! Je- mehr dir dis gelaͤnge, deſto weniger wuͤrde man es dir verzeihen, daß du Beifal und Achtung, die man nur als ein freiwilliges Geſchenk gern zu geben pflegt, gleich einem ſchuldigen Tribut, erzwungen habeſt. Indes der Verſtand deines Auditoriums nicht umhin koͤnte, dir Gerechtig- keit wiederfahren zu laſſen, wuͤrde die gekraͤnkte Eitelkeit eines jeden ſich maͤchtig gegen dich em- poͤren, und nicht eher ruhen noch raſten koͤnnen, bis das Falkenauge der Verkleinerungsſucht an deinen Verdienſten irgend einen Auswuchs gewahr wuͤrde, bei dem man ſie ergreifen und von ihrer Hoͤhe wieder herabziehen koͤnte. Es thut ſo wohl, ſich zum Beſchuͤzer beſcheidener und verkan- ter Vorzuͤge aufzuwerfen! Es thut ſo weh, ſich durch auffallende Vorzuͤge, die keines Beſchuͤzers beduͤrfen, gedemuͤthiget zu ſehen! Jemehr du alſo ſolcher Vorzuͤge in Beziehung auf deine je- desmalige Geſelſchaft in dir fuͤhlen wirſt, deſto ſorgfaͤltiger ſuche ſie zu verbergen, damit ihr Daſein nur geahndet, niemand aber gezwungen werde, ſie wider ſeinen Willen anzuerkennen. Wahre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/187
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/187>, abgerufen am 17.05.2024.