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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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oder wohl gar zum Uebertreffen in sich fühlen,
nichts Abschrekkendes oder Niederschlagendes;
aber es bewahrt sie vor dem Schwindel der
Selbstvermessenheit, welcher bei einem öftern
Zurüksehen auf diejenigen, welche noch unter ihnen
klimmen, nur gar zu leicht sich ihrer zu bemäch-
tigen pflegt.

Allein, indem ich dir die liebenswürdigste
Eigenschaft eines jungen Menschen, die Beschei-
denheit, empfehle, muß ich dich zugleich vor
demjenigen Uebermaaße derselben warnen,
welches in eine einfältige Blödigkeit, in eine
stupide Menschenfurcht ausartet
, und die
Folge einer sklavischen Erziehung oder auch eines
gar zu eingezogenen Lebens in der Jugend ist.
Ein solches furchtsames, ängstliches und beschäm-
tes Wesen schadet uns in der Meinung der
Menschen eben so sehr, als Eigendünkel und
Unverschämtheit, nur auf eine andere Weise.
Jenes macht, daß man uns gering schäzt, weil
man uns für einfältig hält; diese, daß man uns
nicht ausstehen kan; beide, daß man uns nicht
wohl wil, nicht geneigt ist, uns zu dienen.

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oder wohl gar zum Uebertreffen in ſich fuͤhlen,
nichts Abſchrekkendes oder Niederſchlagendes;
aber es bewahrt ſie vor dem Schwindel der
Selbſtvermeſſenheit, welcher bei einem oͤftern
Zuruͤkſehen auf diejenigen, welche noch unter ihnen
klimmen, nur gar zu leicht ſich ihrer zu bemaͤch-
tigen pflegt.

Allein, indem ich dir die liebenswuͤrdigſte
Eigenſchaft eines jungen Menſchen, die Beſchei-
denheit, empfehle, muß ich dich zugleich vor
demjenigen Uebermaaße derſelben warnen,
welches in eine einfaͤltige Bloͤdigkeit, in eine
ſtupide Menſchenfurcht ausartet
, und die
Folge einer ſklaviſchen Erziehung oder auch eines
gar zu eingezogenen Lebens in der Jugend iſt.
Ein ſolches furchtſames, aͤngſtliches und beſchaͤm-
tes Weſen ſchadet uns in der Meinung der
Menſchen eben ſo ſehr, als Eigenduͤnkel und
Unverſchaͤmtheit, nur auf eine andere Weiſe.
Jenes macht, daß man uns gering ſchaͤzt, weil
man uns fuͤr einfaͤltig haͤlt; dieſe, daß man uns
nicht ausſtehen kan; beide, daß man uns nicht
wohl wil, nicht geneigt iſt, uns zu dienen.

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[160/0190] oder wohl gar zum Uebertreffen in ſich fuͤhlen, nichts Abſchrekkendes oder Niederſchlagendes; aber es bewahrt ſie vor dem Schwindel der Selbſtvermeſſenheit, welcher bei einem oͤftern Zuruͤkſehen auf diejenigen, welche noch unter ihnen klimmen, nur gar zu leicht ſich ihrer zu bemaͤch- tigen pflegt. Allein, indem ich dir die liebenswuͤrdigſte Eigenſchaft eines jungen Menſchen, die Beſchei- denheit, empfehle, muß ich dich zugleich vor demjenigen Uebermaaße derſelben warnen, welches in eine einfaͤltige Bloͤdigkeit, in eine ſtupide Menſchenfurcht ausartet, und die Folge einer ſklaviſchen Erziehung oder auch eines gar zu eingezogenen Lebens in der Jugend iſt. Ein ſolches furchtſames, aͤngſtliches und beſchaͤm- tes Weſen ſchadet uns in der Meinung der Menſchen eben ſo ſehr, als Eigenduͤnkel und Unverſchaͤmtheit, nur auf eine andere Weiſe. Jenes macht, daß man uns gering ſchaͤzt, weil man uns fuͤr einfaͤltig haͤlt; dieſe, daß man uns nicht ausſtehen kan; beide, daß man uns nicht wohl wil, nicht geneigt iſt, uns zu dienen. Suche

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/190>, abgerufen am 18.05.2024.