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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Haufe dazu verurtheilt wäre, sich durch Masken,
Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme,
verdrehte Augen und weisse Schnupftücher be-
trügen zu lassen." *)

Du, mein Sohn, sei weiser, als der große
Haufe, und laß durch alle diese Dinge dich nicht
betrügen. Stimme nie in die gewöhnlichen
enthusiastischen Ausrufungen über alle die wür-
digen und herlichen Männer ein, die man noch
nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent;
sondern warte mit deinem Lobe, bis du den
Menschen eben so gut, als den Schriftsteller, in
ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft.
Dan wird die anfängliche Hize der Bewunderung
sich vermuthlich um ein großes abgekühlt haben;
und ein halbes Duzend solcher Beobachtungen,
die du künftig bei Hunderten machen wirst, wer-
den hinreichen, dich von der Möglichkeit zu über-
zeugen, daß man bescheiden, friedfertig, ent-
haltsam, menschenfreundlich, from und recht-
schaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit
ausnehmend eitel, hochmüthig, zänkisch, aus-

schwei-
*) Wieland.

Haufe dazu verurtheilt waͤre, ſich durch Masken,
Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme,
verdrehte Augen und weiſſe Schnupftuͤcher be-
truͤgen zu laſſen.„ *)

Du, mein Sohn, ſei weiſer, als der große
Haufe, und laß durch alle dieſe Dinge dich nicht
betruͤgen. Stimme nie in die gewoͤhnlichen
enthuſiaſtiſchen Ausrufungen uͤber alle die wuͤr-
digen und herlichen Maͤnner ein, die man noch
nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent;
ſondern warte mit deinem Lobe, bis du den
Menſchen eben ſo gut, als den Schriftſteller, in
ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft.
Dan wird die anfaͤngliche Hize der Bewunderung
ſich vermuthlich um ein großes abgekuͤhlt haben;
und ein halbes Duzend ſolcher Beobachtungen,
die du kuͤnftig bei Hunderten machen wirſt, wer-
den hinreichen, dich von der Moͤglichkeit zu uͤber-
zeugen, daß man beſcheiden, friedfertig, ent-
haltſam, menſchenfreundlich, from und recht-
ſchaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit
ausnehmend eitel, hochmuͤthig, zaͤnkiſch, aus-

ſchwei-
*) Wieland.
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[216/0246] Haufe dazu verurtheilt waͤre, ſich durch Masken, Mienen, Gebehrden, Inflexionen der Stimme, verdrehte Augen und weiſſe Schnupftuͤcher be- truͤgen zu laſſen.„ *) Du, mein Sohn, ſei weiſer, als der große Haufe, und laß durch alle dieſe Dinge dich nicht betruͤgen. Stimme nie in die gewoͤhnlichen enthuſiaſtiſchen Ausrufungen uͤber alle die wuͤr- digen und herlichen Maͤnner ein, die man noch nicht anders, als nur aus ihren Schriften kent; ſondern warte mit deinem Lobe, bis du den Menſchen eben ſo gut, als den Schriftſteller, in ihnen kennen zu lernen, Gelegenheit erhalten haft. Dan wird die anfaͤngliche Hize der Bewunderung ſich vermuthlich um ein großes abgekuͤhlt haben; und ein halbes Duzend ſolcher Beobachtungen, die du kuͤnftig bei Hunderten machen wirſt, wer- den hinreichen, dich von der Moͤglichkeit zu uͤber- zeugen, daß man beſcheiden, friedfertig, ent- haltſam, menſchenfreundlich, from und recht- ſchaffen auf dem Papier, und zu gleicher Zeit ausnehmend eitel, hochmuͤthig, zaͤnkiſch, aus- ſchwei- *) Wieland.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/246>, abgerufen am 23.11.2024.