Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

und boshaft. Fliehe diese, aber laß dich gern
zu jenen herab, und verschmähe ihre Liebe nicht;
denn sie sind es wehrt, daß man ihnen Freude
zu machen suche, und unsere Herablassung macht
sie ihnen in hohem Grade; aber auch um dein
selbstwillen nicht: denn wenn du irgend etwas
Gutes wirken wilst, wozu körperliche Mühe,
Aufmerksamkeit auf Kleinigkeiten und große Ge-
duld, nur nicht vorzügliche Geistesfähigkeiten, er-
fodert werden: so wisse, daß diese simpeln Leute
grade die brauchbarsten und bereitwilligsten Werk-
zeuge sein werden, deren du dich bedienen kanst.
Ich kan mit Wahrheit sagen, daß ich Leuten dieser
Art sowohl in Ansehung solcher Dienste, die
mein eigenes Wohlergehn betrafen, als auch in
Ansehung des guten Fortgangs meiner Wirksam-
keit auf andere, mehr zu verdanken habe, als den
meisten wizigen und klugen Köpfen, welche mich
ihrer Freundschaft würdigten.

Jene dienen uns gern, und von ganzem Her-
zen, und ohne Rüksicht auf sich selbst zu nehmen:
diese hingegen haben insgemein erst so manche
Bedenklichkeit! Müssen erst so manchen Blik auf

sich

und boshaft. Fliehe dieſe, aber laß dich gern
zu jenen herab, und verſchmaͤhe ihre Liebe nicht;
denn ſie ſind es wehrt, daß man ihnen Freude
zu machen ſuche, und unſere Herablaſſung macht
ſie ihnen in hohem Grade; aber auch um dein
ſelbſtwillen nicht: denn wenn du irgend etwas
Gutes wirken wilſt, wozu koͤrperliche Muͤhe,
Aufmerkſamkeit auf Kleinigkeiten und große Ge-
duld, nur nicht vorzuͤgliche Geiſtesfaͤhigkeiten, er-
fodert werden: ſo wiſſe, daß dieſe ſimpeln Leute
grade die brauchbarſten und bereitwilligſten Werk-
zeuge ſein werden, deren du dich bedienen kanſt.
Ich kan mit Wahrheit ſagen, daß ich Leuten dieſer
Art ſowohl in Anſehung ſolcher Dienſte, die
mein eigenes Wohlergehn betrafen, als auch in
Anſehung des guten Fortgangs meiner Wirkſam-
keit auf andere, mehr zu verdanken habe, als den
meiſten wizigen und klugen Koͤpfen, welche mich
ihrer Freundſchaft wuͤrdigten.

Jene dienen uns gern, und von ganzem Her-
zen, und ohne Ruͤkſicht auf ſich ſelbſt zu nehmen:
dieſe hingegen haben insgemein erſt ſo manche
Bedenklichkeit! Muͤſſen erſt ſo manchen Blik auf

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="223"/>
und boshaft. Fliehe die&#x017F;e, aber laß dich gern<lb/>
zu jenen herab, und ver&#x017F;chma&#x0364;he ihre Liebe nicht;<lb/>
denn &#x017F;ie &#x017F;ind es wehrt, daß man ihnen Freude<lb/>
zu machen &#x017F;uche, und un&#x017F;ere Herabla&#x017F;&#x017F;ung macht<lb/>
&#x017F;ie ihnen in hohem Grade; aber auch um dein<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;twillen nicht: denn wenn du irgend etwas<lb/>
Gutes wirken wil&#x017F;t, wozu ko&#x0364;rperliche Mu&#x0364;he,<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit auf Kleinigkeiten und große Ge-<lb/>
duld, nur nicht vorzu&#x0364;gliche Gei&#x017F;tesfa&#x0364;higkeiten, er-<lb/>
fodert werden: &#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;e, daß die&#x017F;e &#x017F;impeln Leute<lb/>
grade die brauchbar&#x017F;ten und bereitwillig&#x017F;ten Werk-<lb/>
zeuge &#x017F;ein werden, deren du dich bedienen kan&#x017F;t.<lb/>
Ich kan mit Wahrheit &#x017F;agen, daß ich Leuten die&#x017F;er<lb/>
Art &#x017F;owohl in An&#x017F;ehung &#x017F;olcher Dien&#x017F;te, die<lb/>
mein eigenes Wohlergehn betrafen, als auch in<lb/>
An&#x017F;ehung des guten Fortgangs meiner Wirk&#x017F;am-<lb/>
keit auf andere, mehr zu verdanken habe, als den<lb/>
mei&#x017F;ten wizigen und klugen Ko&#x0364;pfen, welche mich<lb/>
ihrer Freund&#x017F;chaft wu&#x0364;rdigten.</p><lb/>
        <p>Jene dienen uns gern, und von ganzem Her-<lb/>
zen, und ohne Ru&#x0364;k&#x017F;icht auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu nehmen:<lb/>
die&#x017F;e hingegen haben insgemein er&#x017F;t &#x017F;o manche<lb/>
Bedenklichkeit! Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;t &#x017F;o manchen Blik auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0253] und boshaft. Fliehe dieſe, aber laß dich gern zu jenen herab, und verſchmaͤhe ihre Liebe nicht; denn ſie ſind es wehrt, daß man ihnen Freude zu machen ſuche, und unſere Herablaſſung macht ſie ihnen in hohem Grade; aber auch um dein ſelbſtwillen nicht: denn wenn du irgend etwas Gutes wirken wilſt, wozu koͤrperliche Muͤhe, Aufmerkſamkeit auf Kleinigkeiten und große Ge- duld, nur nicht vorzuͤgliche Geiſtesfaͤhigkeiten, er- fodert werden: ſo wiſſe, daß dieſe ſimpeln Leute grade die brauchbarſten und bereitwilligſten Werk- zeuge ſein werden, deren du dich bedienen kanſt. Ich kan mit Wahrheit ſagen, daß ich Leuten dieſer Art ſowohl in Anſehung ſolcher Dienſte, die mein eigenes Wohlergehn betrafen, als auch in Anſehung des guten Fortgangs meiner Wirkſam- keit auf andere, mehr zu verdanken habe, als den meiſten wizigen und klugen Koͤpfen, welche mich ihrer Freundſchaft wuͤrdigten. Jene dienen uns gern, und von ganzem Her- zen, und ohne Ruͤkſicht auf ſich ſelbſt zu nehmen: dieſe hingegen haben insgemein erſt ſo manche Bedenklichkeit! Muͤſſen erſt ſo manchen Blik auf ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/253
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/253>, abgerufen am 22.11.2024.