Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

war mit den nöthigsten Kentnissen ausgeschmükt,
sein Herz vol der edelsten Gesinnungen: aber
es fehlte ihm noch -- woran es jungen Leuten
immer fehlt -- an Erfahrung. Sein guter
Vater wolte nun diesen Mangel -- so weit
das möglich ist -- durch seinen Rath ersezen;
und dieser macht den Inhalt der folgenden
Blätter aus.



Es war an einem schönen Sommerabend,
den die Natur recht eigentlich dazu gemacht zu
haben schien, die Gemüther der Sterblichen zu
stillen, heilsamen Betrachtungen einzuladen. Alles
schwieg; nur daß in dem nahen Gebüsch ein
Paar Nachtigallen das Glück ihres Daseins und
ihrer Liebe durch süße Lieder feierten. Die
Sonne hatte ihren Lauf vollendet; schenkte ihrer
lieben Erde eben noch die lezten Abschiedsblikke,
und jezt sank sie almählig hinter das westliche
Gebirge hinab.

Da sezte Theophron sich mit seinem Sohne
auf einer kleinen Anhöhe nieder, von welcher sie
die große herliche Gegend übersehen konten, die

mit

war mit den noͤthigſten Kentniſſen ausgeſchmuͤkt,
ſein Herz vol der edelſten Geſinnungen: aber
es fehlte ihm noch — woran es jungen Leuten
immer fehlt — an Erfahrung. Sein guter
Vater wolte nun dieſen Mangel — ſo weit
das moͤglich iſt — durch ſeinen Rath erſezen;
und dieſer macht den Inhalt der folgenden
Blaͤtter aus.



Es war an einem ſchoͤnen Sommerabend,
den die Natur recht eigentlich dazu gemacht zu
haben ſchien, die Gemuͤther der Sterblichen zu
ſtillen, heilſamen Betrachtungen einzuladen. Alles
ſchwieg; nur daß in dem nahen Gebuͤſch ein
Paar Nachtigallen das Gluͤck ihres Daſeins und
ihrer Liebe durch ſuͤße Lieder feierten. Die
Sonne hatte ihren Lauf vollendet; ſchenkte ihrer
lieben Erde eben noch die lezten Abſchiedsblikke,
und jezt ſank ſie almaͤhlig hinter das weſtliche
Gebirge hinab.

Da ſezte Theophron ſich mit ſeinem Sohne
auf einer kleinen Anhoͤhe nieder, von welcher ſie
die große herliche Gegend uͤberſehen konten, die

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="4"/>
war mit den no&#x0364;thig&#x017F;ten Kentni&#x017F;&#x017F;en ausge&#x017F;chmu&#x0364;kt,<lb/>
&#x017F;ein Herz vol der edel&#x017F;ten Ge&#x017F;innungen: aber<lb/>
es fehlte ihm noch &#x2014; woran es jungen Leuten<lb/>
immer fehlt &#x2014; an Erfahrung. Sein guter<lb/>
Vater wolte nun die&#x017F;en Mangel &#x2014; &#x017F;o weit<lb/>
das mo&#x0364;glich i&#x017F;t &#x2014; durch &#x017F;einen Rath er&#x017F;ezen;<lb/>
und die&#x017F;er macht den Inhalt der folgenden<lb/>
Bla&#x0364;tter aus.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es war an einem &#x017F;cho&#x0364;nen Sommerabend,<lb/>
den die Natur recht eigentlich dazu gemacht zu<lb/>
haben &#x017F;chien, die Gemu&#x0364;ther der Sterblichen zu<lb/>
&#x017F;tillen, heil&#x017F;amen Betrachtungen einzuladen. Alles<lb/>
&#x017F;chwieg; nur daß in dem nahen Gebu&#x0364;&#x017F;ch ein<lb/>
Paar Nachtigallen das Glu&#x0364;ck ihres Da&#x017F;eins und<lb/>
ihrer Liebe durch &#x017F;u&#x0364;ße Lieder feierten. Die<lb/>
Sonne hatte ihren Lauf vollendet; &#x017F;chenkte ihrer<lb/>
lieben Erde eben noch die lezten Ab&#x017F;chiedsblikke,<lb/>
und jezt &#x017F;ank &#x017F;ie alma&#x0364;hlig hinter das we&#x017F;tliche<lb/>
Gebirge hinab.</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;ezte <hi rendition="#fr">Theophron</hi> &#x017F;ich mit &#x017F;einem Sohne<lb/>
auf einer kleinen Anho&#x0364;he nieder, von welcher &#x017F;ie<lb/>
die große herliche Gegend u&#x0364;ber&#x017F;ehen konten, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0034] war mit den noͤthigſten Kentniſſen ausgeſchmuͤkt, ſein Herz vol der edelſten Geſinnungen: aber es fehlte ihm noch — woran es jungen Leuten immer fehlt — an Erfahrung. Sein guter Vater wolte nun dieſen Mangel — ſo weit das moͤglich iſt — durch ſeinen Rath erſezen; und dieſer macht den Inhalt der folgenden Blaͤtter aus. Es war an einem ſchoͤnen Sommerabend, den die Natur recht eigentlich dazu gemacht zu haben ſchien, die Gemuͤther der Sterblichen zu ſtillen, heilſamen Betrachtungen einzuladen. Alles ſchwieg; nur daß in dem nahen Gebuͤſch ein Paar Nachtigallen das Gluͤck ihres Daſeins und ihrer Liebe durch ſuͤße Lieder feierten. Die Sonne hatte ihren Lauf vollendet; ſchenkte ihrer lieben Erde eben noch die lezten Abſchiedsblikke, und jezt ſank ſie almaͤhlig hinter das weſtliche Gebirge hinab. Da ſezte Theophron ſich mit ſeinem Sohne auf einer kleinen Anhoͤhe nieder, von welcher ſie die große herliche Gegend uͤberſehen konten, die mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/34
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/34>, abgerufen am 02.05.2024.