Hier hielt Theophron unvorsezlicher Weise einige Minuten ein, und seine von Freude glän- zenden Augen waren auf den Abendstern geheftet, welcher so eben anfieng, am westlichen Himmel hervor zu funkeln. Das stärkere Heben der ju- gendlichen Brust und ein tieferer Athemzug be- zeugten, daß Kleons Geist dem Geiste seines Va- ters nachgeflogen war. Der gute Alte fuhr dar- auf fort:
Das ist also der erste unmittelbare Vortheil, den wir durch eine jede inbrünstige Erhebung un- sers Herzens zu Gott erlangen, daß unsere Selen- kräfte dadurch gestärkt und zu allen edlen und großen Wirkungen unweit fähiger werden. Alle Arbeiten des Geistes müssen alsdan weit besser von statten gehen. Und wer den genauen Zu- sammenhang der Kräfte unserer Sele und unsers Leibes kent; wer da weiß, daß zu eben der Zeit, und in eben dem Maaße, wie jene erhöht wer- den, auch diese lebhafter zu wirken beginnen, dem wird es nicht befremdend klingen, wenn ich hin- zufüge, daß die jedesmalige Anrufung Gottes uns auch sogar zu solchen Arbeiten tüchtiger macht,
welche
Hier hielt Theophron unvorſezlicher Weiſe einige Minuten ein, und ſeine von Freude glaͤn- zenden Augen waren auf den Abendſtern geheftet, welcher ſo eben anfieng, am weſtlichen Himmel hervor zu funkeln. Das ſtaͤrkere Heben der ju- gendlichen Bruſt und ein tieferer Athemzug be- zeugten, daß Kleons Geiſt dem Geiſte ſeines Va- ters nachgeflogen war. Der gute Alte fuhr dar- auf fort:
Das iſt alſo der erſte unmittelbare Vortheil, den wir durch eine jede inbruͤnſtige Erhebung un- ſers Herzens zu Gott erlangen, daß unſere Selen- kraͤfte dadurch geſtaͤrkt und zu allen edlen und großen Wirkungen unweit faͤhiger werden. Alle Arbeiten des Geiſtes muͤſſen alsdan weit beſſer von ſtatten gehen. Und wer den genauen Zu- ſammenhang der Kraͤfte unſerer Sele und unſers Leibes kent; wer da weiß, daß zu eben der Zeit, und in eben dem Maaße, wie jene erhoͤht wer- den, auch dieſe lebhafter zu wirken beginnen, dem wird es nicht befremdend klingen, wenn ich hin- zufuͤge, daß die jedesmalige Anrufung Gottes uns auch ſogar zu ſolchen Arbeiten tuͤchtiger macht,
welche
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0073"n="43"/><p>Hier hielt <hirendition="#fr">Theophron</hi> unvorſezlicher Weiſe<lb/>
einige Minuten ein, und ſeine von Freude glaͤn-<lb/>
zenden Augen waren auf den Abendſtern geheftet,<lb/>
welcher ſo eben anfieng, am weſtlichen Himmel<lb/>
hervor zu funkeln. Das ſtaͤrkere Heben der ju-<lb/>
gendlichen Bruſt und ein tieferer Athemzug be-<lb/>
zeugten, daß Kleons Geiſt dem Geiſte ſeines Va-<lb/>
ters nachgeflogen war. Der gute Alte fuhr dar-<lb/>
auf fort:</p><lb/><p>Das iſt alſo der erſte unmittelbare Vortheil,<lb/>
den wir durch eine jede inbruͤnſtige Erhebung un-<lb/>ſers Herzens zu Gott erlangen, daß unſere Selen-<lb/>
kraͤfte dadurch geſtaͤrkt und zu allen edlen und<lb/>
großen Wirkungen unweit faͤhiger werden. Alle<lb/>
Arbeiten des Geiſtes muͤſſen alsdan weit beſſer<lb/>
von ſtatten gehen. Und wer den genauen Zu-<lb/>ſammenhang der Kraͤfte unſerer Sele und unſers<lb/>
Leibes kent; wer da weiß, daß zu eben der Zeit,<lb/>
und in eben dem Maaße, wie jene erhoͤht wer-<lb/>
den, auch dieſe lebhafter zu wirken beginnen, dem<lb/>
wird es nicht befremdend klingen, wenn ich hin-<lb/>
zufuͤge, daß die jedesmalige Anrufung Gottes uns<lb/>
auch ſogar zu ſolchen Arbeiten tuͤchtiger macht,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">welche</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[43/0073]
Hier hielt Theophron unvorſezlicher Weiſe
einige Minuten ein, und ſeine von Freude glaͤn-
zenden Augen waren auf den Abendſtern geheftet,
welcher ſo eben anfieng, am weſtlichen Himmel
hervor zu funkeln. Das ſtaͤrkere Heben der ju-
gendlichen Bruſt und ein tieferer Athemzug be-
zeugten, daß Kleons Geiſt dem Geiſte ſeines Va-
ters nachgeflogen war. Der gute Alte fuhr dar-
auf fort:
Das iſt alſo der erſte unmittelbare Vortheil,
den wir durch eine jede inbruͤnſtige Erhebung un-
ſers Herzens zu Gott erlangen, daß unſere Selen-
kraͤfte dadurch geſtaͤrkt und zu allen edlen und
großen Wirkungen unweit faͤhiger werden. Alle
Arbeiten des Geiſtes muͤſſen alsdan weit beſſer
von ſtatten gehen. Und wer den genauen Zu-
ſammenhang der Kraͤfte unſerer Sele und unſers
Leibes kent; wer da weiß, daß zu eben der Zeit,
und in eben dem Maaße, wie jene erhoͤht wer-
den, auch dieſe lebhafter zu wirken beginnen, dem
wird es nicht befremdend klingen, wenn ich hin-
zufuͤge, daß die jedesmalige Anrufung Gottes uns
auch ſogar zu ſolchen Arbeiten tuͤchtiger macht,
welche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/73>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.