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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Italiäner: il volto sciolto, i pensieri stretti,
d. i. dein Gesicht sei offen, aber deine Gedanken
verschloßen. *)

Gegen Leute von niederm Range zeige mehr
ein herzliches Wohlwollen als eine zu gesuchte
Höflichkeit; denn dadurch würdest du den Ver-
dacht erregten, als spottetest du ihrer.

Zum Beispiel gegen einen Man vom Lande
muß deine Höflichkeit gar sehr verschieden von
derjenigen sein, die du gegen einen Man aus der
großen Welt beobachtest. Wenn du den ersten em-
pfängst, thue es auf eine herzliche und lieber ein
wenig bäurische Weise, damit seine Schüchtern-
heit ihn nicht verlegen mache.

Sei aufmerksam, selbst in der Geselschaft der
Narren; denn ob sie gleich Narren sind, so kön-
nen sie doch wohl einmahl etwas fallen lassen oder
wiederholen, was deine Aufmerksamkeit verdient,
und dir nüzlich werden kan. Sage nie das beste,
was du aufbringen kanst, in ihrer Geselschaft;
denn sie würden dich nicht verstehen, und wohl

gar
*) Gegen solche nemlich, deren Freundschaft
du noch nicht bewährt gefunden hast.

Italiaͤner: il volto ſciolto, i penſieri ſtretti,
d. i. dein Geſicht ſei offen, aber deine Gedanken
verſchloßen. *)

Gegen Leute von niederm Range zeige mehr
ein herzliches Wohlwollen als eine zu geſuchte
Hoͤflichkeit; denn dadurch wuͤrdeſt du den Ver-
dacht erregten, als ſpotteteſt du ihrer.

Zum Beiſpiel gegen einen Man vom Lande
muß deine Hoͤflichkeit gar ſehr verſchieden von
derjenigen ſein, die du gegen einen Man aus der
großen Welt beobachteſt. Wenn du den erſten em-
pfaͤngſt, thue es auf eine herzliche und lieber ein
wenig baͤuriſche Weiſe, damit ſeine Schuͤchtern-
heit ihn nicht verlegen mache.

Sei aufmerkſam, ſelbſt in der Geſelſchaft der
Narren; denn ob ſie gleich Narren ſind, ſo koͤn-
nen ſie doch wohl einmahl etwas fallen laſſen oder
wiederholen, was deine Aufmerkſamkeit verdient,
und dir nuͤzlich werden kan. Sage nie das beſte,
was du aufbringen kanſt, in ihrer Geſelſchaft;
denn ſie wuͤrden dich nicht verſtehen, und wohl

gar
*) Gegen ſolche nemlich, deren Freundſchaft
du noch nicht bewaͤhrt gefunden haſt.
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[96/0102] Italiaͤner: il volto ſciolto, i penſieri ſtretti, d. i. dein Geſicht ſei offen, aber deine Gedanken verſchloßen. *) Gegen Leute von niederm Range zeige mehr ein herzliches Wohlwollen als eine zu geſuchte Hoͤflichkeit; denn dadurch wuͤrdeſt du den Ver- dacht erregten, als ſpotteteſt du ihrer. Zum Beiſpiel gegen einen Man vom Lande muß deine Hoͤflichkeit gar ſehr verſchieden von derjenigen ſein, die du gegen einen Man aus der großen Welt beobachteſt. Wenn du den erſten em- pfaͤngſt, thue es auf eine herzliche und lieber ein wenig baͤuriſche Weiſe, damit ſeine Schuͤchtern- heit ihn nicht verlegen mache. Sei aufmerkſam, ſelbſt in der Geſelſchaft der Narren; denn ob ſie gleich Narren ſind, ſo koͤn- nen ſie doch wohl einmahl etwas fallen laſſen oder wiederholen, was deine Aufmerkſamkeit verdient, und dir nuͤzlich werden kan. Sage nie das beſte, was du aufbringen kanſt, in ihrer Geſelſchaft; denn ſie wuͤrden dich nicht verſtehen, und wohl gar *) Gegen ſolche nemlich, deren Freundſchaft du noch nicht bewaͤhrt gefunden haſt.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/102>, abgerufen am 04.12.2024.