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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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murmele verfälst. Du wirst sogar allein laut
lesen, deine Aussprache nach deinem Gehöre stim-
men, und anfangs langsamer lesen, als du nöthig
hättest, um dir die schändliche Unart abzugewöh-
nen, geschwinder zu reden, als du soltest. Kurz,
wenn du anders recht denkst, wirst du es zu dei-
nem Geschäfte, zu deiner Sorge und zu deinem
Vergnügen machen, wohl zu reden.)


Die drei vornehmsten Gemeinörter des Ge-
sprächs sind, Religion, Staatsangelegenheiten,
Neuigkeiten. Alle Menschen glauben sich auf die
beiden ersten volkommen zu verstehen, obgleich sie
sie nie studiert haben, und es begegnet ihnen daher
leicht, daß sie eben so entscheidend als unwissend
und folglich mit Hize darüber sprechen. Religion
ist aber ganz und gar keine schikliche Materie des
Gesprächs für eine vermischte Geselschaft; über
sie solte man blos unter wenigen, die sie studiert
haben, zu gegenseitiger Belehrung sprechen. Sie
ist ein zu großer und ehrwürdiger Gegenstand,
um eine gewöhnliche Gesprächsmaterie werden zu
können. Mische dich also nicht weiter in ein Ge-

spräch
G 4

murmele verfaͤlſt. Du wirſt ſogar allein laut
leſen, deine Ausſprache nach deinem Gehoͤre ſtim-
men, und anfangs langſamer leſen, als du noͤthig
haͤtteſt, um dir die ſchaͤndliche Unart abzugewoͤh-
nen, geſchwinder zu reden, als du ſolteſt. Kurz,
wenn du anders recht denkſt, wirſt du es zu dei-
nem Geſchaͤfte, zu deiner Sorge und zu deinem
Vergnuͤgen machen, wohl zu reden.)


Die drei vornehmſten Gemeinoͤrter des Ge-
ſpraͤchs ſind, Religion, Staatsangelegenheiten,
Neuigkeiten. Alle Menſchen glauben ſich auf die
beiden erſten volkommen zu verſtehen, obgleich ſie
ſie nie ſtudiert haben, und es begegnet ihnen daher
leicht, daß ſie eben ſo entſcheidend als unwiſſend
und folglich mit Hize daruͤber ſprechen. Religion
iſt aber ganz und gar keine ſchikliche Materie des
Geſpraͤchs fuͤr eine vermiſchte Geſelſchaft; uͤber
ſie ſolte man blos unter wenigen, die ſie ſtudiert
haben, zu gegenſeitiger Belehrung ſprechen. Sie
iſt ein zu großer und ehrwuͤrdiger Gegenſtand,
um eine gewoͤhnliche Geſpraͤchsmaterie werden zu
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[103/0109] murmele verfaͤlſt. Du wirſt ſogar allein laut leſen, deine Ausſprache nach deinem Gehoͤre ſtim- men, und anfangs langſamer leſen, als du noͤthig haͤtteſt, um dir die ſchaͤndliche Unart abzugewoͤh- nen, geſchwinder zu reden, als du ſolteſt. Kurz, wenn du anders recht denkſt, wirſt du es zu dei- nem Geſchaͤfte, zu deiner Sorge und zu deinem Vergnuͤgen machen, wohl zu reden.) Die drei vornehmſten Gemeinoͤrter des Ge- ſpraͤchs ſind, Religion, Staatsangelegenheiten, Neuigkeiten. Alle Menſchen glauben ſich auf die beiden erſten volkommen zu verſtehen, obgleich ſie ſie nie ſtudiert haben, und es begegnet ihnen daher leicht, daß ſie eben ſo entſcheidend als unwiſſend und folglich mit Hize daruͤber ſprechen. Religion iſt aber ganz und gar keine ſchikliche Materie des Geſpraͤchs fuͤr eine vermiſchte Geſelſchaft; uͤber ſie ſolte man blos unter wenigen, die ſie ſtudiert haben, zu gegenſeitiger Belehrung ſprechen. Sie iſt ein zu großer und ehrwuͤrdiger Gegenſtand, um eine gewoͤhnliche Geſpraͤchsmaterie werden zu koͤnnen. Miſche dich alſo nicht weiter in ein Ge- ſpraͤch G 4

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/109>, abgerufen am 04.12.2024.