Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.gen kan! Sie ist nicht nur deine Pflicht, sondern Jede Vortreflichkeit und jede Tugend hat irgend Das Laster ist in seinem wahren Gesichts- Schön-
gen kan! Sie iſt nicht nur deine Pflicht, ſondern Jede Vortreflichkeit und jede Tugend hat irgend Das Laſter iſt in ſeinem wahren Geſichts- Schoͤn-
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gen kan! Sie iſt nicht nur deine Pflicht, ſondern
auch dein Vortheil. Zum Beweiſe davon kanſt
du allezeit ſehen, daß die aͤrgſten Thoren auch die
groͤßten Luͤgner ſind. Ich meines Orts urtheile
nach jedes Menſchen Wahrhaftigkeit von dem
Grade ſeines Verſtandes.
Jede Vortreflichkeit und jede Tugend hat irgend
eine Untugend oder Schwachheit zur Verwandtin.
Freigebigkeit artet oft in Verſchwendung aus,
Sparſamkeit in Geiz, Herzhaftigkeit in uͤbereilte
Hize, Behutſamkeit in Schuͤchternheit, und ſo
weiter. Ich glaube daher, es erfodere mehr Be-
hutſamkeit, unſre Tugenden gehoͤrig auszuͤuͤben, als
die ihnen entgegenſtehenden Laſter zu vermeiden.
Das Laſter iſt in ſeinem wahren Geſichts-
punkte ſo haͤßlich, daß es uns auf den erſten Blik
anſtoͤßig wird, und ſchwerlich jemahls verfuͤhren
wuͤrde, wenn es nicht, wenigſtens im Anfange,
die Larve der Tugend truͤge. Tugend hingegen iſt
ſo ſchoͤn, daß ſie auf den erſten Anblik bezaubert,
nimt uns bei naͤherer Bekantſchaft immer ſtaͤrker
ein, und wir halten dabei, ſo wie bei andern
Schoͤn-
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