Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.An Höfen -- und in der großen Welt über- Suche nie um etwas an, zu dessen Erhaltung Es gibt eine Hofsprache, ein geringfügiges, sagen
An Hoͤfen — und in der großen Welt uͤber- Suche nie um etwas an, zu deſſen Erhaltung Es gibt eine Hofſprache, ein geringfuͤgiges, ſagen
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An Hoͤfen — und in der großen Welt uͤber-
haupt — ſind Verſchaͤmtheit und Schuͤchternheit
an einer Seite eben ſo ſchaͤdlich, als Unverſchaͤmt-
heit und hiziges Weſen an der andern. Stand-
hafte Dreiſtigkeit, kaltbluͤtige Unerſchrokkenheit
und beſcheidnes Aeuſſerliche, ſind die wahre,
nothwendige Mittelſtraße.
Suche nie um etwas an, zu deſſen Erhaltung
du wenig Wahrſcheinlichkeit ſieheſt. Denn wenn
du unſchikliche, nicht zu erlangende Dinge begeh-
reſt, gewoͤhneſt du die Miniſter daran, dir ſo oft
eine abſchlaͤgige Antwort zu geben, daß es ihnen
hernach leicht wird, dir auch die ſchiklichſten, ver-
nuͤnftigſten Bitten zu verſagen. Es iſt zwar eine
gemeine, aber ſehr uͤbel verſtandne, Regel am
Hofe, um alles anzuhalten, damit man wenigſtens
etwas bekomme. Wahr iſts, man bekomt dadurch
etwas; dieſes Etwas aber iſt abſchlaͤgige Antwort
und Gelaͤchter.
Es gibt eine Hofſprache, ein geringfuͤgiges,
blos von Kleinigkeiten handelndes Geſchwaͤz, das
mit vielen Worten wenig oder nichts ſagt. Thoren
dient es anſtat deſſen, was ſie nicht ſagen koͤnnen,
verſtaͤndigen Leuten anſtat deſſen, was ſie nicht
ſagen
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