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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Es gibt auf der andern Seite manche und
vielleicht mehrere, welche durch ihre Blödigkeit
und unzeitige Scham sehr verlieren, die sie weit
unter dem, was sie wirklich sind, erniedrigt.
Blödigkeit hält man überal für Dumheit, ob sie
es gleich meistentheils nicht ist, sondern blos aus
Mangel an Erziehung und Umgang in guten Ge-
selschaften herrühret. Addison war der blödeste
und ungeschikteste Man, den ich je gesehen, und
das war kein Wunder; denn er war bis zum
fünf und zwanzigsten Jahr in den Zellen zu
Oxford eingemauert gewesen. La Bruyere sagt,
und es ist viel Wahrheit darin: Qu'on ne vauc
dans ce monde, que ce que l'on veut valoir,

denn in diesem Stük haben die Menschen viel
Nachsicht, und schäzen uns beinahe ganz nach
dem Werth, den wir selbst uns beilegen, es sei
denn, daß er gar zu übertrieben wäre.

Ich wünschte, du hättest eine kalte unerschrok-
kene Dreistigkeit, begleitet mit wahrer Bescheiden-
heit, so daß man dich niemahls verzagt, aber
auch niemahls vorwizig sähe. Furchtsame und
ungeschikte Leute, die nicht gewohnt gewesen, gute

Gesel-

Es gibt auf der andern Seite manche und
vielleicht mehrere, welche durch ihre Bloͤdigkeit
und unzeitige Scham ſehr verlieren, die ſie weit
unter dem, was ſie wirklich ſind, erniedrigt.
Bloͤdigkeit haͤlt man uͤberal fuͤr Dumheit, ob ſie
es gleich meiſtentheils nicht iſt, ſondern blos aus
Mangel an Erziehung und Umgang in guten Ge-
ſelſchaften herruͤhret. Addiſon war der bloͤdeſte
und ungeſchikteſte Man, den ich je geſehen, und
das war kein Wunder; denn er war bis zum
fuͤnf und zwanzigſten Jahr in den Zellen zu
Oxford eingemauert geweſen. La Bruyere ſagt,
und es iſt viel Wahrheit darin: Qu’on ne vauc
dans ce monde, que ce que l’on veut valoir,

denn in dieſem Stuͤk haben die Menſchen viel
Nachſicht, und ſchaͤzen uns beinahe ganz nach
dem Werth, den wir ſelbſt uns beilegen, es ſei
denn, daß er gar zu uͤbertrieben waͤre.

Ich wuͤnſchte, du haͤtteſt eine kalte unerſchrok-
kene Dreiſtigkeit, begleitet mit wahrer Beſcheiden-
heit, ſo daß man dich niemahls verzagt, aber
auch niemahls vorwizig ſaͤhe. Furchtſame und
ungeſchikte Leute, die nicht gewohnt geweſen, gute

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[80/0086] Es gibt auf der andern Seite manche und vielleicht mehrere, welche durch ihre Bloͤdigkeit und unzeitige Scham ſehr verlieren, die ſie weit unter dem, was ſie wirklich ſind, erniedrigt. Bloͤdigkeit haͤlt man uͤberal fuͤr Dumheit, ob ſie es gleich meiſtentheils nicht iſt, ſondern blos aus Mangel an Erziehung und Umgang in guten Ge- ſelſchaften herruͤhret. Addiſon war der bloͤdeſte und ungeſchikteſte Man, den ich je geſehen, und das war kein Wunder; denn er war bis zum fuͤnf und zwanzigſten Jahr in den Zellen zu Oxford eingemauert geweſen. La Bruyere ſagt, und es iſt viel Wahrheit darin: Qu’on ne vauc dans ce monde, que ce que l’on veut valoir, denn in dieſem Stuͤk haben die Menſchen viel Nachſicht, und ſchaͤzen uns beinahe ganz nach dem Werth, den wir ſelbſt uns beilegen, es ſei denn, daß er gar zu uͤbertrieben waͤre. Ich wuͤnſchte, du haͤtteſt eine kalte unerſchrok- kene Dreiſtigkeit, begleitet mit wahrer Beſcheiden- heit, ſo daß man dich niemahls verzagt, aber auch niemahls vorwizig ſaͤhe. Furchtſame und ungeſchikte Leute, die nicht gewohnt geweſen, gute Geſel-

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/86>, abgerufen am 04.12.2024.