Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.So lang ich lebe, muß ich denkend leben, Und soll ich anders denken als ich denke, So wirst du, mein Erlöser, mich es lehren, Und wenn ich hier der Welt nur Irrwahn sckenke, So wirst du ihr dafür die Wahrheit geben Und wirst, die ich verführte, selbst bekehren. Ich wollte dich ja ehren, Mein Heiland, und du weißt daß ich dich liebe. Auch glaub' ich nicht daß ich mich selbst bethöre, Denn wenn ich dich verlöre, So wüßt' ich nicht was von dem Allen bliebe Was betend ich und weinend dir gesungen. Warst du Beherrscher doch auch meiner Zungen! Wie jegliches vollbrachte Werk, so mahnet
Auch dieses an den Tod mich, drum erscheinet Mir so unwesentlich was ich vollbrachte. Und freilich wenn mir Alles was da scheinet, Wenn diese Welt, die du mir hast gebahnet, Wenn dieses Denken, das in dir ich dachte, Das sich in dir entfachte, Dereinst zu kleinstem Durchmaß in sich sinket. So wie die Glieder mählig mir erkalten Und nur im Herzen walten Noch mag was ew'gen Lebens Abglanz blinket, Dann ist mein Alles, bei dem Allverschwinden, In meines Herzens Herzen dich zu finden. So lang ich lebe, muß ich denkend leben, Und ſoll ich anders denken als ich denke, So wirſt du, mein Erlöſer, mich es lehren, Und wenn ich hier der Welt nur Irrwahn ſckenke, So wirſt du ihr dafür die Wahrheit geben Und wirſt, die ich verführte, ſelbſt bekehren. Ich wollte dich ja ehren, Mein Heiland, und du weißt daß ich dich liebe. Auch glaub' ich nicht daß ich mich ſelbſt bethöre, Denn wenn ich dich verlöre, So wüßt' ich nicht was von dem Allen bliebe Was betend ich und weinend dir geſungen. Warſt du Beherrſcher doch auch meiner Zungen! Wie jegliches vollbrachte Werk, ſo mahnet
Auch dieſes an den Tod mich, drum erſcheinet Mir ſo unweſentlich was ich vollbrachte. Und freilich wenn mir Alles was da ſcheinet, Wenn dieſe Welt, die du mir haſt gebahnet, Wenn dieſes Denken, das in dir ich dachte, Das ſich in dir entfachte, Dereinſt zu kleinſtem Durchmaß in ſich ſinket. So wie die Glieder mählig mir erkalten Und nur im Herzen walten Noch mag was ew'gen Lebens Abglanz blinket, Dann iſt mein Alles, bei dem Allverſchwinden, In meines Herzens Herzen dich zu finden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0103" n="89"/> <lg n="2"> <l>So lang ich lebe, muß ich denkend leben,</l><lb/> <l>Und ſoll ich anders denken als ich denke,</l><lb/> <l>So wirſt du, mein Erlöſer, mich es lehren,</l><lb/> <l>Und wenn ich hier der Welt nur Irrwahn ſckenke,</l><lb/> <l>So wirſt du ihr dafür die Wahrheit geben</l><lb/> <l>Und wirſt, die ich verführte, ſelbſt bekehren.</l><lb/> <l>Ich wollte dich ja ehren,</l><lb/> <l>Mein Heiland, und du weißt daß ich dich liebe.</l><lb/> <l>Auch glaub' ich nicht daß ich mich ſelbſt bethöre,</l><lb/> <l>Denn wenn ich dich verlöre,</l><lb/> <l>So wüßt' ich nicht was von dem Allen bliebe</l><lb/> <l>Was betend ich und weinend dir geſungen.</l><lb/> <l>Warſt du Beherrſcher doch auch meiner Zungen!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Wie jegliches vollbrachte Werk, ſo mahnet</l><lb/> <l>Auch dieſes an den Tod mich, drum erſcheinet</l><lb/> <l>Mir ſo unweſentlich was ich vollbrachte.</l><lb/> <l>Und freilich wenn mir Alles was da ſcheinet,</l><lb/> <l>Wenn dieſe Welt, die du mir haſt gebahnet,</l><lb/> <l>Wenn dieſes Denken, das in dir ich dachte,</l><lb/> <l>Das ſich in dir entfachte,</l><lb/> <l>Dereinſt zu kleinſtem Durchmaß in ſich ſinket.</l><lb/> <l>So wie die Glieder mählig mir erkalten</l><lb/> <l>Und nur im Herzen walten</l><lb/> <l>Noch mag was ew'gen Lebens Abglanz blinket,</l><lb/> <l>Dann iſt mein Alles, bei dem Allverſchwinden,</l><lb/> <l>In meines Herzens Herzen dich zu finden.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0103]
So lang ich lebe, muß ich denkend leben,
Und ſoll ich anders denken als ich denke,
So wirſt du, mein Erlöſer, mich es lehren,
Und wenn ich hier der Welt nur Irrwahn ſckenke,
So wirſt du ihr dafür die Wahrheit geben
Und wirſt, die ich verführte, ſelbſt bekehren.
Ich wollte dich ja ehren,
Mein Heiland, und du weißt daß ich dich liebe.
Auch glaub' ich nicht daß ich mich ſelbſt bethöre,
Denn wenn ich dich verlöre,
So wüßt' ich nicht was von dem Allen bliebe
Was betend ich und weinend dir geſungen.
Warſt du Beherrſcher doch auch meiner Zungen!
Wie jegliches vollbrachte Werk, ſo mahnet
Auch dieſes an den Tod mich, drum erſcheinet
Mir ſo unweſentlich was ich vollbrachte.
Und freilich wenn mir Alles was da ſcheinet,
Wenn dieſe Welt, die du mir haſt gebahnet,
Wenn dieſes Denken, das in dir ich dachte,
Das ſich in dir entfachte,
Dereinſt zu kleinſtem Durchmaß in ſich ſinket.
So wie die Glieder mählig mir erkalten
Und nur im Herzen walten
Noch mag was ew'gen Lebens Abglanz blinket,
Dann iſt mein Alles, bei dem Allverſchwinden,
In meines Herzens Herzen dich zu finden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |