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Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.

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So geht ein Mann gebeugt von schwerem Kummer
Ob seiner Kinder frevlem Thun. Ihn peinigt,
Ihn, der da rein ist, foltert das Gewissen
Der Schuldigen mehr als sie selbst. Es steinigt
Ihn auf der Straße und ihn flieht der Schlummer
Der Nacht. Krank, arm durch ihre Schuld, beflissen
Nur ihren Finsternissen
Ein Licht zu sein, ach! schleppt er noch sein Leben.
Jetzt mit dem greisen Vater fühlt Erbarmen
Sein jüngstes Kind. Umarmen
Darf er das weinend und zu sich erheben.
Da stralt sein Blick: "laßt mich von hinnen fliehen!
Es wird mein Tod sie alle zu mir ziehen!"
O wunderbar Geheimniß du der Liebe,
Und dennoch allen kündlich die da lieben,
Wie die Gemeinschaft, welche sie begründet,
So Schuld wie Unschuld theilt, des Sünders Trieben
Des Reinen Reinheit eignet, und im Siebe
Der Schuld den Edeln umwirft, daß verbündet
Sich Beider Herz entzündet
Zu neuen doppelt süßen Himmelsflammen!
Anbetungswürdiges Gesetz der Liebe
Das alle Todeshiebe
Ausheilet und das Weltall hält zusammen!
Zwar frommer Wehmut magst du Ursach werden,
Doch die hat niemand noch gereut auf Erden.
So geht ein Mann gebeugt von ſchwerem Kummer
Ob ſeiner Kinder frevlem Thun. Ihn peinigt,
Ihn, der da rein iſt, foltert das Gewiſſen
Der Schuldigen mehr als ſie ſelbſt. Es ſteinigt
Ihn auf der Straße und ihn flieht der Schlummer
Der Nacht. Krank, arm durch ihre Schuld, befliſſen
Nur ihren Finſterniſſen
Ein Licht zu ſein, ach! ſchleppt er noch ſein Leben.
Jetzt mit dem greiſen Vater fühlt Erbarmen
Sein jüngſtes Kind. Umarmen
Darf er das weinend und zu ſich erheben.
Da ſtralt ſein Blick: „laßt mich von hinnen fliehen!
Es wird mein Tod ſie alle zu mir ziehen!“
O wunderbar Geheimniß du der Liebe,
Und dennoch allen kündlich die da lieben,
Wie die Gemeinſchaft, welche ſie begründet,
So Schuld wie Unſchuld theilt, des Sünders Trieben
Des Reinen Reinheit eignet, und im Siebe
Der Schuld den Edeln umwirft, daß verbündet
Sich Beider Herz entzündet
Zu neuen doppelt ſüßen Himmelsflammen!
Anbetungswürdiges Geſetz der Liebe
Das alle Todeshiebe
Ausheilet und das Weltall hält zuſammen!
Zwar frommer Wehmut magſt du Urſach werden,
Doch die hat niemand noch gereut auf Erden.
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[55/0069] So geht ein Mann gebeugt von ſchwerem Kummer Ob ſeiner Kinder frevlem Thun. Ihn peinigt, Ihn, der da rein iſt, foltert das Gewiſſen Der Schuldigen mehr als ſie ſelbſt. Es ſteinigt Ihn auf der Straße und ihn flieht der Schlummer Der Nacht. Krank, arm durch ihre Schuld, befliſſen Nur ihren Finſterniſſen Ein Licht zu ſein, ach! ſchleppt er noch ſein Leben. Jetzt mit dem greiſen Vater fühlt Erbarmen Sein jüngſtes Kind. Umarmen Darf er das weinend und zu ſich erheben. Da ſtralt ſein Blick: „laßt mich von hinnen fliehen! Es wird mein Tod ſie alle zu mir ziehen!“ O wunderbar Geheimniß du der Liebe, Und dennoch allen kündlich die da lieben, Wie die Gemeinſchaft, welche ſie begründet, So Schuld wie Unſchuld theilt, des Sünders Trieben Des Reinen Reinheit eignet, und im Siebe Der Schuld den Edeln umwirft, daß verbündet Sich Beider Herz entzündet Zu neuen doppelt ſüßen Himmelsflammen! Anbetungswürdiges Geſetz der Liebe Das alle Todeshiebe Ausheilet und das Weltall hält zuſammen! Zwar frommer Wehmut magſt du Urſach werden, Doch die hat niemand noch gereut auf Erden.

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Zitationshilfe: Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/69>, abgerufen am 21.11.2024.