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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
behielten daher zuletzt den Sieg, und zwangen die Griechen, die Flucht zu neh-
men und sich hinter die Mauren ihrer Stadt zurück zu ziehen. Sülejman
überlegte, daß er die Stadt nicht durch Sturm erobern könne, ohne seine Leute
einzubüßen: und fassete daher den Entschluß, seine Feinde durch langwierige
Einschließung und Hunger zu demüthigen. Er zog also alle die Besatzungen
aus den bereits eroberten Schlössern heraus, verhinderte, daß nicht die mindeste
Hülfe noch Lebensmittel hinein kommen konnten, und hielte die Stadt genau
eingeschlossen. Der Befehlhaber und die Besatzung vertheidigten zwar den
ihnen anvertrauten Platz rechtschaffen und tapfer: weil sie aber endlich durch
die langwierige Belagerung abgemattet und durch öftere Bestürmungen ge-
schwächet wurden; über dieses auch an Lebensmitteln Mangel hatten: so über-
H. 760.


J. C. 1359.
gaben sie Kallipolis auf Bedingung, im Jahre der Hidschret 760, und damit
zugleich die ganze Landschaft Chäjreboli 4 oder Charipolis. Man erzählet, daß
der griechische Kaiser, als er die Eroberung von Kallipolis vernommen (das
mit Recht nicht nur für den Schlüssel zu Constantinopel, sondern auch für eine
Vormauer von Europa gehalten wurde), gesaget habe: die Türken hätten
nicht mehr genommen, als einen Schweinstall und eine Kanne Wein 5.

Orchan schicket
seinen Sohn
Murad mit ei-
nem Heere in
Europa, welcher
Tschorlü ero-bert.
10.

Im folgenden Jahre darauf schickte der Sultan Orchan das zweyte
Heer in Europa, unter Anführung seines Sohnes Murads. Beyde Brüder
kriegeten itzo mit vereinigten Kräften: Sülejman bezwang Malgara und Ibsa-
lam, und Murad eroberte das Schloß Epibatos, ungefähr zehen Stunden
Weges von Constantinopel. Hierauf belagerte er die feste Stadt Tschorlü
H. 761.



J. C. 1360.(oder Tyrilos), die zwischen Constantinopel und Adrianopel lag. Die Ein-
wohner verlassen sich auf die Stärke ihrer Stadt, die durch Natur und Kunst
wohl befestiget war, und weigern sich nicht allein, sich auf rühmliche Bedingun-
gen, die ihnen Murad anbieten ließe, zu ergeben: sondern thun auch tapfere
Ausfälle, bringen in denselben viele Tausende von ihren Feinden um das Leben,
und schlagen dieselben zum öftern von ihren Mauren ab. Endlich werden sie
[Spaltenumbruch]
4 Chäjreboli] Es scheinet dieses Chri-
stopolis zu seyn, von welchem Orte Grego-
ras (im 7 Buche, 6 Hauptst. 3 Abschn.)
saget, daß der Kaiser Andronikus hier eine
Mauer aufgeführet, die von der See bis an
den Gipfel des nächstgelegenen Berges (von
den Türken Despot Jalisi genennet) gereichet
[Spaltenumbruch]
habe, und dieses, um den Weg nach Macedo-
nien zu versperren. Ich wundere mich also,
wo Johann Duns. die Nachricht her haben
müsse, daß Christopolis von den Türken Jan-
boli genennet werde. Denn Janboli ist eine
Stadt in Thracien, bey siebenzig Meilen*
von Philippopel am Fuße des Berges Hö-

mehr
* 171/2 deutsche Meilen.

Osmaniſche Geſchichte
behielten daher zuletzt den Sieg, und zwangen die Griechen, die Flucht zu neh-
men und ſich hinter die Mauren ihrer Stadt zuruͤck zu ziehen. Suͤlejman
uͤberlegte, daß er die Stadt nicht durch Sturm erobern koͤnne, ohne ſeine Leute
einzubuͤßen: und faſſete daher den Entſchluß, ſeine Feinde durch langwierige
Einſchließung und Hunger zu demuͤthigen. Er zog alſo alle die Beſatzungen
aus den bereits eroberten Schloͤſſern heraus, verhinderte, daß nicht die mindeſte
Huͤlfe noch Lebensmittel hinein kommen konnten, und hielte die Stadt genau
eingeſchloſſen. Der Befehlhaber und die Beſatzung vertheidigten zwar den
ihnen anvertrauten Platz rechtſchaffen und tapfer: weil ſie aber endlich durch
die langwierige Belagerung abgemattet und durch oͤftere Beſtuͤrmungen ge-
ſchwaͤchet wurden; uͤber dieſes auch an Lebensmitteln Mangel hatten: ſo uͤber-
H. 760.


J. C. 1359.
gaben ſie Kallipolis auf Bedingung, im Jahre der Hidſchret 760, und damit
zugleich die ganze Landſchaft Chaͤjreboli 4 oder Charipolis. Man erzaͤhlet, daß
der griechiſche Kaiſer, als er die Eroberung von Kallipolis vernommen (das
mit Recht nicht nur fuͤr den Schluͤſſel zu Conſtantinopel, ſondern auch fuͤr eine
Vormauer von Europa gehalten wurde), geſaget habe: die Tuͤrken haͤtten
nicht mehr genommen, als einen Schweinſtall und eine Kanne Wein 5.

Orchan ſchicket
ſeinen Sohn
Murad mit ei-
nem Heere in
Europa, welcher
Tſchorluͤ ero-bert.
10.

Im folgenden Jahre darauf ſchickte der Sultan Orchan das zweyte
Heer in Europa, unter Anfuͤhrung ſeines Sohnes Murads. Beyde Bruͤder
kriegeten itzo mit vereinigten Kraͤften: Suͤlejman bezwang Malgara und Ibſa-
lam, und Murad eroberte das Schloß Epibatos, ungefaͤhr zehen Stunden
Weges von Conſtantinopel. Hierauf belagerte er die feſte Stadt Tſchorluͤ
H. 761.



J. C. 1360.(oder Tyrilos), die zwiſchen Conſtantinopel und Adrianopel lag. Die Ein-
wohner verlaſſen ſich auf die Staͤrke ihrer Stadt, die durch Natur und Kunſt
wohl befeſtiget war, und weigern ſich nicht allein, ſich auf ruͤhmliche Bedingun-
gen, die ihnen Murad anbieten ließe, zu ergeben: ſondern thun auch tapfere
Ausfaͤlle, bringen in denſelben viele Tauſende von ihren Feinden um das Leben,
und ſchlagen dieſelben zum oͤftern von ihren Mauren ab. Endlich werden ſie
[Spaltenumbruch]
4 Chaͤjreboli] Es ſcheinet dieſes Chri-
ſtopolis zu ſeyn, von welchem Orte Grego-
ras (im 7 Buche, 6 Hauptſt. 3 Abſchn.)
ſaget, daß der Kaiſer Andronikus hier eine
Mauer aufgefuͤhret, die von der See bis an
den Gipfel des naͤchſtgelegenen Berges (von
den Tuͤrken Deſpot Jaliſi genennet) gereichet
[Spaltenumbruch]
habe, und dieſes, um den Weg nach Macedo-
nien zu verſperren. Ich wundere mich alſo,
wo Johann Dunſ. die Nachricht her haben
muͤſſe, daß Chriſtopolis von den Tuͤrken Jan-
boli genennet werde. Denn Janboli iſt eine
Stadt in Thracien, bey ſiebenzig Meilen*
von Philippopel am Fuße des Berges Hoͤ-

mehr
* 17½ deutſche Meilen.
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[40/0114] Osmaniſche Geſchichte behielten daher zuletzt den Sieg, und zwangen die Griechen, die Flucht zu neh- men und ſich hinter die Mauren ihrer Stadt zuruͤck zu ziehen. Suͤlejman uͤberlegte, daß er die Stadt nicht durch Sturm erobern koͤnne, ohne ſeine Leute einzubuͤßen: und faſſete daher den Entſchluß, ſeine Feinde durch langwierige Einſchließung und Hunger zu demuͤthigen. Er zog alſo alle die Beſatzungen aus den bereits eroberten Schloͤſſern heraus, verhinderte, daß nicht die mindeſte Huͤlfe noch Lebensmittel hinein kommen konnten, und hielte die Stadt genau eingeſchloſſen. Der Befehlhaber und die Beſatzung vertheidigten zwar den ihnen anvertrauten Platz rechtſchaffen und tapfer: weil ſie aber endlich durch die langwierige Belagerung abgemattet und durch oͤftere Beſtuͤrmungen ge- ſchwaͤchet wurden; uͤber dieſes auch an Lebensmitteln Mangel hatten: ſo uͤber- gaben ſie Kallipolis auf Bedingung, im Jahre der Hidſchret 760, und damit zugleich die ganze Landſchaft Chaͤjreboli ⁴ oder Charipolis. Man erzaͤhlet, daß der griechiſche Kaiſer, als er die Eroberung von Kallipolis vernommen (das mit Recht nicht nur fuͤr den Schluͤſſel zu Conſtantinopel, ſondern auch fuͤr eine Vormauer von Europa gehalten wurde), geſaget habe: die Tuͤrken haͤtten nicht mehr genommen, als einen Schweinſtall und eine Kanne Wein ⁵ . H. 760. J. C. 1359. 10. Im folgenden Jahre darauf ſchickte der Sultan Orchan das zweyte Heer in Europa, unter Anfuͤhrung ſeines Sohnes Murads. Beyde Bruͤder kriegeten itzo mit vereinigten Kraͤften: Suͤlejman bezwang Malgara und Ibſa- lam, und Murad eroberte das Schloß Epibatos, ungefaͤhr zehen Stunden Weges von Conſtantinopel. Hierauf belagerte er die feſte Stadt Tſchorluͤ (oder Tyrilos), die zwiſchen Conſtantinopel und Adrianopel lag. Die Ein- wohner verlaſſen ſich auf die Staͤrke ihrer Stadt, die durch Natur und Kunſt wohl befeſtiget war, und weigern ſich nicht allein, ſich auf ruͤhmliche Bedingun- gen, die ihnen Murad anbieten ließe, zu ergeben: ſondern thun auch tapfere Ausfaͤlle, bringen in denſelben viele Tauſende von ihren Feinden um das Leben, und ſchlagen dieſelben zum oͤftern von ihren Mauren ab. Endlich werden ſie mehr ⁴ Chaͤjreboli] Es ſcheinet dieſes Chri- ſtopolis zu ſeyn, von welchem Orte Grego- ras (im 7 Buche, 6 Hauptſt. 3 Abſchn.) ſaget, daß der Kaiſer Andronikus hier eine Mauer aufgefuͤhret, die von der See bis an den Gipfel des naͤchſtgelegenen Berges (von den Tuͤrken Deſpot Jaliſi genennet) gereichet habe, und dieſes, um den Weg nach Macedo- nien zu verſperren. Ich wundere mich alſo, wo Johann Dunſ. die Nachricht her haben muͤſſe, daß Chriſtopolis von den Tuͤrken Jan- boli genennet werde. Denn Janboli iſt eine Stadt in Thracien, bey ſiebenzig Meilen * von Philippopel am Fuße des Berges Hoͤ- mus, H. 761. J. C. 1360. * 17½ deutſche Meilen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/114>, abgerufen am 24.11.2024.