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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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3. Murad der I
bewaffneter Truppen über die Meerenge von Kallipolis zu gehen und Adria-
nopel wegzunehmen: er aber folget indessen mit einem weit mächtigern Kriegs-
heere nach. Der Weßir erobert Adrianopel gleich in dem ersten Sturme, ehe
noch der Sultan ankommt. Als Murad hievon Nachricht erhält: so erachtet
er seine Gegenwart daselbst unnöthig, und kehret mit einiger wenigen Mann-
schaft wieder nach Prusa zurück. Damit aber seine Sachen nicht durch Ver-
zug rückgängig werden möchten: so bestellete er Hadschi Ornusbegj zum Begj-
lerbegj 4 von Rumili 5, oder seinen eroberten Ländern in Europa; nachdem er
[Spaltenumbruch]
vater, der zum Hofmeister und Lehrer der
Kinder großer Herren bestellet ist. Dieser
Beyname wurde zuerst von Murad dem I
dem obersten Weßire gegeben. Von dieser
Zeit an sind die türkischen Kaiser gewohnt
gewesen, sowol im Reden als im Schreiben
nicht nur dem obersten, sondern auch allen
den übrigen Weßiren die Benennung Lala bey-
zulegen: als Lakam* Ali Pascha, und Mi Lala*.
[Spaltenumbruch]
4 Begjlerbegj] Es heißet dieses Wort
einen Fürsten der Fürsten (gleichwie Scha-
hinschah einen Kaiser der Kaiser). Obzwar
alle Weßire, welche drey Roßschweife führen,
diesen Titel bekommen; so werden doch mit
demselben insonderheit folgende Personen be-
ehret: nämlich Rumili Begjlerbegji, der sei-
nen Sitz zu Sophia hat; Anadoli Begjler-
begji, der zu Kjutahi wohnet; und Scham
Begjlerbegji, der zu Damaskus sitzet. Diese
Stadt heißet auf Arabisch Dimeschk, wird
aber insgemein Scham genennet; imgleichen
Schami scherif, das heilige Damaskus.
5 Rumili] Durch diesen Namen wird
bey den Türken nicht nur Griechenland und
Europa verstanden, sondern auch alle euro-
päischen Länder, die unter der türkischen
Botmäßigkeit stehen. Daher heißet Rumili
Begjlerbegji, Fürst der Fürsten von Griechen-
land, oder von den europäischen Ländern.
[Man sehe oben die 20 Anmerkung auf der
30 Seite.]

dem
* Mein Lala.
* Ali Pascha. Außer diesen bekommen auch Aga-
si2*, oder der oberste Feldherr der Jeng-itscheri,
und Bostandschi Baschi2*, oder das Haupt der
Gärtner oder Hüter der kaiserlichen Paläste,
denselben Titel, ungeachtet der letztere von
weit niedrigerem Range ist. Dem erstern
wird dieser Name deswegen beygeleget, weil
ihm das Amt aufgetragen ist, die Söhne der
Sultane zu bewahren, daß sie nicht von ih-
ren Vätern oder Brüdern um das Leben ge-
bracht werden: dem andern aber, weil er
die Oberaufsicht über den kaiserlichen Palast
hat, sonderlich in Abwesenheit des Sultans,
welches Amt bey den Griechen Kuropalatis
genennet wurde3*Pascha ist der Titel der geheimen Räthe, Statthalter und ober-
sten Kriegsbefehlhaber: Basch aber bedeutet einen Obern überhaupt, und wird den Vorgesetzten ge-
ringerer Bedienten beygeleget. Weßir heißet einen Verwalter oder Träger der Reichsgeschäffte, und
ist eine Benennung, die den Statsräthen, Statthaltern und hohen Bedienten gegeben wird. Weßiri
äßäm, der oberste Weßir, ist der höchste Bediente nach dem Kaiser.
2* [Wann i oder si am Ende eines Wortes angehänget ist: so bedeutet es, daß
das vorhergehende Wort in der andern Namenform (casu genitiuo) stehe; als Churßem Schahi, das
ist, der Schah von Churßem: Jeng-itscheri Agasi, der Aga oder Feldherr der Jeng-itscheri: Bostan-
dschi Baschi, das Haupt der Bostandschi oder Gärtner: Scham Begjlerbegji, der Begjlerbegj von
Scham oder Damaskus.]
2*
3*
G

3. Murad der I
bewaffneter Truppen uͤber die Meerenge von Kallipolis zu gehen und Adria-
nopel wegzunehmen: er aber folget indeſſen mit einem weit maͤchtigern Kriegs-
heere nach. Der Weßir erobert Adrianopel gleich in dem erſten Sturme, ehe
noch der Sultan ankommt. Als Murad hievon Nachricht erhaͤlt: ſo erachtet
er ſeine Gegenwart daſelbſt unnoͤthig, und kehret mit einiger wenigen Mann-
ſchaft wieder nach Pruſa zuruͤck. Damit aber ſeine Sachen nicht durch Ver-
zug ruͤckgaͤngig werden moͤchten: ſo beſtellete er Hadſchi Ornusbegj zum Begj-
lerbegj 4 von Rumili 5, oder ſeinen eroberten Laͤndern in Europa; nachdem er
[Spaltenumbruch]
vater, der zum Hofmeiſter und Lehrer der
Kinder großer Herren beſtellet iſt. Dieſer
Beyname wurde zuerſt von Murad dem I
dem oberſten Weßire gegeben. Von dieſer
Zeit an ſind die tuͤrkiſchen Kaiſer gewohnt
geweſen, ſowol im Reden als im Schreiben
nicht nur dem oberſten, ſondern auch allen
den uͤbrigen Weßiren die Benennung Lala bey-
zulegen: als Lakam* Ali Paſcha, und Mi Lala*.
[Spaltenumbruch]
4 Begjlerbegj] Es heißet dieſes Wort
einen Fuͤrſten der Fuͤrſten (gleichwie Scha-
hinſchah einen Kaiſer der Kaiſer). Obzwar
alle Weßire, welche drey Roßſchweife fuͤhren,
dieſen Titel bekommen; ſo werden doch mit
demſelben inſonderheit folgende Perſonen be-
ehret: naͤmlich Rumili Begjlerbegji, der ſei-
nen Sitz zu Sophia hat; Anadoli Begjler-
begji, der zu Kjutahi wohnet; und Scham
Begjlerbegji, der zu Damaſkus ſitzet. Dieſe
Stadt heißet auf Arabiſch Dimeſchk, wird
aber insgemein Scham genennet; imgleichen
Schami ſcherif, das heilige Damaſkus.
5 Rumili] Durch dieſen Namen wird
bey den Tuͤrken nicht nur Griechenland und
Europa verſtanden, ſondern auch alle euro-
paͤiſchen Laͤnder, die unter der tuͤrkiſchen
Botmaͤßigkeit ſtehen. Daher heißet Rumili
Begjlerbegji, Fuͤrſt der Fuͤrſten von Griechen-
land, oder von den europaͤiſchen Laͤndern.
[Man ſehe oben die 20 Anmerkung auf der
30 Seite.]

dem
* Mein Lala.
* Ali Paſcha. Außer dieſen bekommen auch Aga-
ſi2*, oder der oberſte Feldherr der Jeng-itſcheri,
und Boſtandſchi Baſchi2*, oder das Haupt der
Gaͤrtner oder Huͤter der kaiſerlichen Palaͤſte,
denſelben Titel, ungeachtet der letztere von
weit niedrigerem Range iſt. Dem erſtern
wird dieſer Name deswegen beygeleget, weil
ihm das Amt aufgetragen iſt, die Soͤhne der
Sultane zu bewahren, daß ſie nicht von ih-
ren Vaͤtern oder Bruͤdern um das Leben ge-
bracht werden: dem andern aber, weil er
die Oberaufſicht uͤber den kaiſerlichen Palaſt
hat, ſonderlich in Abweſenheit des Sultans,
welches Amt bey den Griechen Kuropalatis
genennet wurde3*Paſcha iſt der Titel der geheimen Raͤthe, Statthalter und ober-
ſten Kriegsbefehlhaber: Baſch aber bedeutet einen Obern uͤberhaupt, und wird den Vorgeſetzten ge-
ringerer Bedienten beygeleget. Weßir heißet einen Verwalter oder Traͤger der Reichsgeſchaͤffte, und
iſt eine Benennung, die den Statsraͤthen, Statthaltern und hohen Bedienten gegeben wird. Weßiri
aͤßaͤm, der oberſte Weßir, iſt der hoͤchſte Bediente nach dem Kaiſer.
2* [Wann i oder ſi am Ende eines Wortes angehaͤnget iſt: ſo bedeutet es, daß
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iſt, der Schah von Churßem: Jeng-itſcheri Agaſi, der Aga oder Feldherr der Jeng-itſcheri: Boſtan-
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[49/0125] 3. Murad der I bewaffneter Truppen uͤber die Meerenge von Kallipolis zu gehen und Adria- nopel wegzunehmen: er aber folget indeſſen mit einem weit maͤchtigern Kriegs- heere nach. Der Weßir erobert Adrianopel gleich in dem erſten Sturme, ehe noch der Sultan ankommt. Als Murad hievon Nachricht erhaͤlt: ſo erachtet er ſeine Gegenwart daſelbſt unnoͤthig, und kehret mit einiger wenigen Mann- ſchaft wieder nach Pruſa zuruͤck. Damit aber ſeine Sachen nicht durch Ver- zug ruͤckgaͤngig werden moͤchten: ſo beſtellete er Hadſchi Ornusbegj zum Begj- lerbegj ⁴ von Rumili ⁵ , oder ſeinen eroberten Laͤndern in Europa; nachdem er dem vater, der zum Hofmeiſter und Lehrer der Kinder großer Herren beſtellet iſt. Dieſer Beyname wurde zuerſt von Murad dem I dem oberſten Weßire gegeben. Von dieſer Zeit an ſind die tuͤrkiſchen Kaiſer gewohnt geweſen, ſowol im Reden als im Schreiben nicht nur dem oberſten, ſondern auch allen den uͤbrigen Weßiren die Benennung Lala bey- zulegen: als Lakam * Ali Paſcha, und Mi Lala *. ⁴ Begjlerbegj] Es heißet dieſes Wort einen Fuͤrſten der Fuͤrſten (gleichwie Scha- hinſchah einen Kaiſer der Kaiſer). Obzwar alle Weßire, welche drey Roßſchweife fuͤhren, dieſen Titel bekommen; ſo werden doch mit demſelben inſonderheit folgende Perſonen be- ehret: naͤmlich Rumili Begjlerbegji, der ſei- nen Sitz zu Sophia hat; Anadoli Begjler- begji, der zu Kjutahi wohnet; und Scham Begjlerbegji, der zu Damaſkus ſitzet. Dieſe Stadt heißet auf Arabiſch Dimeſchk, wird aber insgemein Scham genennet; imgleichen Schami ſcherif, das heilige Damaſkus. ⁵ Rumili] Durch dieſen Namen wird bey den Tuͤrken nicht nur Griechenland und Europa verſtanden, ſondern auch alle euro- paͤiſchen Laͤnder, die unter der tuͤrkiſchen Botmaͤßigkeit ſtehen. Daher heißet Rumili Begjlerbegji, Fuͤrſt der Fuͤrſten von Griechen- land, oder von den europaͤiſchen Laͤndern. [Man ſehe oben die 20 Anmerkung auf der 30 Seite.] * Mein Lala. * Ali Paſcha. Außer dieſen bekommen auch Aga- ſi 2*, oder der oberſte Feldherr der Jeng-itſcheri, und Boſtandſchi Baſchi 2*, oder das Haupt der Gaͤrtner oder Huͤter der kaiſerlichen Palaͤſte, denſelben Titel, ungeachtet der letztere von weit niedrigerem Range iſt. Dem erſtern wird dieſer Name deswegen beygeleget, weil ihm das Amt aufgetragen iſt, die Soͤhne der Sultane zu bewahren, daß ſie nicht von ih- ren Vaͤtern oder Bruͤdern um das Leben ge- bracht werden: dem andern aber, weil er die Oberaufſicht uͤber den kaiſerlichen Palaſt hat, ſonderlich in Abweſenheit des Sultans, welches Amt bey den Griechen Kuropalatis genennet wurde 3*Paſcha iſt der Titel der geheimen Raͤthe, Statthalter und ober- ſten Kriegsbefehlhaber: Baſch aber bedeutet einen Obern uͤberhaupt, und wird den Vorgeſetzten ge- ringerer Bedienten beygeleget. Weßir heißet einen Verwalter oder Traͤger der Reichsgeſchaͤffte, und iſt eine Benennung, die den Statsraͤthen, Statthaltern und hohen Bedienten gegeben wird. Weßiri aͤßaͤm, der oberſte Weßir, iſt der hoͤchſte Bediente nach dem Kaiſer. 2* [Wann i oder ſi am Ende eines Wortes angehaͤnget iſt: ſo bedeutet es, daß das vorhergehende Wort in der andern Namenform (caſu genitiuo) ſtehe; als Churßem Schahi, das iſt, der Schah von Churßem: Jeng-itſcheri Agaſi, der Aga oder Feldherr der Jeng-itſcheri: Boſtan- dſchi Baſchi, das Haupt der Boſtandſchi oder Gaͤrtner: Scham Begjlerbegji, der Begjlerbegj von Scham oder Damaſkus.] 2* 3* G

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/125>, abgerufen am 21.11.2024.