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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
in den Weg geleget, würden dem Glücke des Kaisers Raum lassen. Nach-
dem er also alle nöthigen Zubereitungen zu dem Feldzuge gemacht hatte: so
führete er seine Völker nach Europa, schlug eine Brücke über die Donau, und
verwüstete die ganze Moldau; darauf derselbe sein Lager bey Rasboe aufschlug,
einem Dorfe, an dem Ufer des Flusses Siretus gelegen. Der Fürst von Mol-
dau, Istifan 1, kommt bald hernach mit einem Heere an eben dem Orte an.
Hierauf entstehet ein hartnäckiges Gefechte, das lange zweifelhaft bleibet:
endlich aber werden die Moldauer überwunden und zerstreuet. Istifan selbst
suchet nur sein Leben zu retten, und fliehet nach der Stadt Nems zu, darinnen
er seine Mutter mit einer starken Besatzung zurück gelassen hatte. Mit dem
Anbruche des Tages kommt er daselbst an, und befiehlet, daß man das Thor
öffnen sollte. Als seine Mutter von der unvermutheten Ankunft ihres Sohnes
Nachricht erhält: so begiebt sie sich ungesäumt auf die Mauren, und will den-
selben nicht einlassen. "O mein Sohn!" saget sie, "so lange du auf der
"Welt bist, habe ich dich niemals von der Schlacht ohne Sieg wiederkom-
"men gesehen. Weil du nun deiner ehemaligen Tapferkeit vergissest: so hätte
"ich lieber gewünschet, daß du durch des Feindes Hände umgekommen wärest,
"als daß du die Schande erleben solltest, einer Frau deine Rettung zu danken
"zu haben. Gehe daher unverzüglich zurück, und komme entweder als Ue-
"berwinder, oder niemals, wieder." Istifan wird durch diesen Verweis
seiner Mutter dergestalt gerühret, daß er eilfertiger wieder von der Stadt weg-
[Spaltenumbruch]
1 Istifan] Stephan, Fürst von Mol-
dau, war der größte Kriegesheld seiner Zeit.
Er überwand den berühmten König in Un-
garn, Matthias, und nahm ihm die sieben-
bürgischen Alpen ab, die noch heutiges Tages
die Grenzen der Moldau an der Westseite aus-
machen. Er brachte durch verschiedene Siege
Pokutien und Podolien unter seine Gewalt, ging
in völliger Schlachtordnung auf die Polaken bey
Kotnar los, das wegen seines guten Weines be-
rühmt ist, und schlug ihr ganzes Heer nach einer
großen Niederlage aufs Haupt, bekam auch
funfzehen tausend Mann von ihnen gefangen.
Diese ließ er in Joche spannen, und zwang
sie, ein Stück Landes zwo Meilen lang und
eine Meile breit zu pflügen: imgleichen,
[Spaltenumbruch]
zweene Eichenwälder zu pflanzen, die die
Polaken noch auf den heutigen Tag Bükowina
nennen; die Einwohner aber heißen sie Düm-
brawa roschje, oder rothe Wälder, weil sie mit
polnischem Blute gepflanzet und benetzet wor-
den sind. Die Städte zwischen Lemberg und
Moldau wurden alle von ihm bezwungen.
Mit Bajeßid Jildirim hielte er zwey Treffen:
in dem erstern war er Ueberwinder; und in
dem andern schlug er denselben nach einer
recht merkwürdigen Niederlage aus dem Fel-
de, und ließ nach der Schlacht sieben große
Haufen von den Leichnamen der Türken auf-
werfen, welches selbst der redliche türkische Ge-
schichtschreiber Heßarfenn*, durch sein Ge-
ständniß bezeuget. Er brachte die Walachey

ziehet,
* auf deutsch, tausend List.

Osmaniſche Geſchichte
in den Weg geleget, wuͤrden dem Gluͤcke des Kaiſers Raum laſſen. Nach-
dem er alſo alle noͤthigen Zubereitungen zu dem Feldzuge gemacht hatte: ſo
fuͤhrete er ſeine Voͤlker nach Europa, ſchlug eine Bruͤcke uͤber die Donau, und
verwuͤſtete die ganze Moldau; darauf derſelbe ſein Lager bey Rasboe aufſchlug,
einem Dorfe, an dem Ufer des Fluſſes Siretus gelegen. Der Fuͤrſt von Mol-
dau, Iſtifan 1, kommt bald hernach mit einem Heere an eben dem Orte an.
Hierauf entſtehet ein hartnaͤckiges Gefechte, das lange zweifelhaft bleibet:
endlich aber werden die Moldauer uͤberwunden und zerſtreuet. Iſtifan ſelbſt
ſuchet nur ſein Leben zu retten, und fliehet nach der Stadt Nems zu, darinnen
er ſeine Mutter mit einer ſtarken Beſatzung zuruͤck gelaſſen hatte. Mit dem
Anbruche des Tages kommt er daſelbſt an, und befiehlet, daß man das Thor
oͤffnen ſollte. Als ſeine Mutter von der unvermutheten Ankunft ihres Sohnes
Nachricht erhaͤlt: ſo begiebt ſie ſich ungeſaͤumt auf die Mauren, und will den-
ſelben nicht einlaſſen. “O mein Sohn!„ ſaget ſie, “ſo lange du auf der
“Welt biſt, habe ich dich niemals von der Schlacht ohne Sieg wiederkom-
“men geſehen. Weil du nun deiner ehemaligen Tapferkeit vergiſſeſt: ſo haͤtte
“ich lieber gewuͤnſchet, daß du durch des Feindes Haͤnde umgekommen waͤreſt,
“als daß du die Schande erleben ſollteſt, einer Frau deine Rettung zu danken
“zu haben. Gehe daher unverzuͤglich zuruͤck, und komme entweder als Ue-
“berwinder, oder niemals, wieder.„ Iſtifan wird durch dieſen Verweis
ſeiner Mutter dergeſtalt geruͤhret, daß er eilfertiger wieder von der Stadt weg-
[Spaltenumbruch]
1 Iſtifan] Stephan, Fuͤrſt von Mol-
dau, war der groͤßte Kriegesheld ſeiner Zeit.
Er uͤberwand den beruͤhmten Koͤnig in Un-
garn, Matthias, und nahm ihm die ſieben-
buͤrgiſchen Alpen ab, die noch heutiges Tages
die Grenzen der Moldau an der Weſtſeite aus-
machen. Er brachte durch verſchiedene Siege
Pokutien und Podolien unter ſeine Gewalt, ging
in voͤlliger Schlachtordnung auf die Polaken bey
Kotnar los, das wegen ſeines guten Weines be-
ruͤhmt iſt, und ſchlug ihr ganzes Heer nach einer
großen Niederlage aufs Haupt, bekam auch
funfzehen tauſend Mann von ihnen gefangen.
Dieſe ließ er in Joche ſpannen, und zwang
ſie, ein Stuͤck Landes zwo Meilen lang und
eine Meile breit zu pfluͤgen: imgleichen,
[Spaltenumbruch]
zweene Eichenwaͤlder zu pflanzen, die die
Polaken noch auf den heutigen Tag Buͤkowina
nennen; die Einwohner aber heißen ſie Duͤm-
brawa roſchje, oder rothe Waͤlder, weil ſie mit
polniſchem Blute gepflanzet und benetzet wor-
den ſind. Die Staͤdte zwiſchen Lemberg und
Moldau wurden alle von ihm bezwungen.
Mit Bajeßid Jildirim hielte er zwey Treffen:
in dem erſtern war er Ueberwinder; und in
dem andern ſchlug er denſelben nach einer
recht merkwuͤrdigen Niederlage aus dem Fel-
de, und ließ nach der Schlacht ſieben große
Haufen von den Leichnamen der Tuͤrken auf-
werfen, welches ſelbſt der redliche tuͤrkiſche Ge-
ſchichtſchreiber Heßarfenn*, durch ſein Ge-
ſtaͤndniß bezeuget. Er brachte die Walachey

ziehet,
* auf deutſch, tauſend Liſt.
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[66/0144] Osmaniſche Geſchichte in den Weg geleget, wuͤrden dem Gluͤcke des Kaiſers Raum laſſen. Nach- dem er alſo alle noͤthigen Zubereitungen zu dem Feldzuge gemacht hatte: ſo fuͤhrete er ſeine Voͤlker nach Europa, ſchlug eine Bruͤcke uͤber die Donau, und verwuͤſtete die ganze Moldau; darauf derſelbe ſein Lager bey Rasboe aufſchlug, einem Dorfe, an dem Ufer des Fluſſes Siretus gelegen. Der Fuͤrſt von Mol- dau, Iſtifan ¹ , kommt bald hernach mit einem Heere an eben dem Orte an. Hierauf entſtehet ein hartnaͤckiges Gefechte, das lange zweifelhaft bleibet: endlich aber werden die Moldauer uͤberwunden und zerſtreuet. Iſtifan ſelbſt ſuchet nur ſein Leben zu retten, und fliehet nach der Stadt Nems zu, darinnen er ſeine Mutter mit einer ſtarken Beſatzung zuruͤck gelaſſen hatte. Mit dem Anbruche des Tages kommt er daſelbſt an, und befiehlet, daß man das Thor oͤffnen ſollte. Als ſeine Mutter von der unvermutheten Ankunft ihres Sohnes Nachricht erhaͤlt: ſo begiebt ſie ſich ungeſaͤumt auf die Mauren, und will den- ſelben nicht einlaſſen. “O mein Sohn!„ ſaget ſie, “ſo lange du auf der “Welt biſt, habe ich dich niemals von der Schlacht ohne Sieg wiederkom- “men geſehen. Weil du nun deiner ehemaligen Tapferkeit vergiſſeſt: ſo haͤtte “ich lieber gewuͤnſchet, daß du durch des Feindes Haͤnde umgekommen waͤreſt, “als daß du die Schande erleben ſollteſt, einer Frau deine Rettung zu danken “zu haben. Gehe daher unverzuͤglich zuruͤck, und komme entweder als Ue- “berwinder, oder niemals, wieder.„ Iſtifan wird durch dieſen Verweis ſeiner Mutter dergeſtalt geruͤhret, daß er eilfertiger wieder von der Stadt weg- ziehet, ¹ Iſtifan] Stephan, Fuͤrſt von Mol- dau, war der groͤßte Kriegesheld ſeiner Zeit. Er uͤberwand den beruͤhmten Koͤnig in Un- garn, Matthias, und nahm ihm die ſieben- buͤrgiſchen Alpen ab, die noch heutiges Tages die Grenzen der Moldau an der Weſtſeite aus- machen. Er brachte durch verſchiedene Siege Pokutien und Podolien unter ſeine Gewalt, ging in voͤlliger Schlachtordnung auf die Polaken bey Kotnar los, das wegen ſeines guten Weines be- ruͤhmt iſt, und ſchlug ihr ganzes Heer nach einer großen Niederlage aufs Haupt, bekam auch funfzehen tauſend Mann von ihnen gefangen. Dieſe ließ er in Joche ſpannen, und zwang ſie, ein Stuͤck Landes zwo Meilen lang und eine Meile breit zu pfluͤgen: imgleichen, zweene Eichenwaͤlder zu pflanzen, die die Polaken noch auf den heutigen Tag Buͤkowina nennen; die Einwohner aber heißen ſie Duͤm- brawa roſchje, oder rothe Waͤlder, weil ſie mit polniſchem Blute gepflanzet und benetzet wor- den ſind. Die Staͤdte zwiſchen Lemberg und Moldau wurden alle von ihm bezwungen. Mit Bajeßid Jildirim hielte er zwey Treffen: in dem erſtern war er Ueberwinder; und in dem andern ſchlug er denſelben nach einer recht merkwuͤrdigen Niederlage aus dem Fel- de, und ließ nach der Schlacht ſieben große Haufen von den Leichnamen der Tuͤrken auf- werfen, welches ſelbſt der redliche tuͤrkiſche Ge- ſchichtſchreiber Heßarfenn *, durch ſein Ge- ſtaͤndniß bezeuget. Er brachte die Walachey bis * auf deutſch, tauſend Liſt.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/144>, abgerufen am 21.11.2024.