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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
ihm aber zu verstatten, daß er sein Leben außer den öffentlichen Geschäfften zu
Nicäa zubringen möchte. Es ist schwer zu bestimmen, ob Bajeßid zu dieser
Verachtung einer Krone durch einen Zug der Religion angetrieben worden,
und durch einen Eifer Gott zu dienen, den der Besuch zu Mekka angeflammet:
oder ob er sich vor seines Sohnes Gewalt, Ehrgeize und Gabe, sich bey dem
Volke beliebt zu machen, gefürchtet, und lieber durch heimliche Künste zu Nicäa
denselben aus dem Sattel heben, als durch unzeitige Forderung der Regierung
sowol sein Reich als sein Leben in Gefahr setzen wollen. Allein der oberste We-
ßir, nachdem er dessen Brief gelesen, lässet die Großen zusammen kommen, und
verlanget ihre Meinung in der Sache: machet auch, nach einigem Wortwech-
sel, mit ihrer Einwilligung den Schluß, daß Muhämmeds Verordnung fest ge-
halten und Bajeßid allein für Kaiser erkennet und ausgerufen werden müsse.

Korkud giebt
seine Einwilli-gung dazu,
4.

Um aber dieses öffentlich ins Werk zu richten, stunden ihnen eben die
Hindernisse im Wege, als dem Vater: denn gewaltsame Anschläge schienen
hiebey so wenig sicher zu seyn, als dergleichen Entschließungen. Sie fasseten
daher den Schluß, Korkud vorher auszuforschen, und der oberste Weßir redete
denselben, nach erlangtem Gehöre, folgendergestalt an. "Eurer Majestät
"durchlauchtiger Herr Vater ist durch göttlichen Beystand gesund und wohl-
"behalten von Mekka zurück gekommen, und, wie wir vernehmen, zu Aleppo
"angelanget. Dieses haben wir unserer Schuldigkeit gemäß erachtet, eurer
"Majestät zu hinterbringen, um ihr Belieben in Ansehung desselben und seiner
"Ankunft zu erfahren." Korkud versetzet auf diesen Vortrag. "Die
"Dienste, die ihr dem Reiche geleistet habt, müssen billigermaßen als so viele
"Zeugnisse von eurer Treue angesehen werden. Da ihr aber durch eine so
"listige Rede die meinige wankend zu machen suchet: so kann ich mich kaum
"enthalten, euch eines Verraths zu beschuldigen. Denn ihr wisset, daß mein
"Vater die Krone nicht schlechterdings und auf immer an mich übertragen,
"sondern mir nur bloß anbefohlen hat, an seiner statt die Regierung zu ver-
"walten, bis zu seiner Wiederkunft von einer Wallfahrt, die zu seinem eigenen
[Spaltenumbruch]

4 Mimber] Dieses ist ein Gestelle, fast
wie ein bischöflicher Thron gestalt, auf wel-
chem in einer Erhöhung von dreyen Stufen
sowol der kaiserliche Thron, als auch in gro-
ßen Kirchen der Waiß*, oder das Pult des
Predigers, aufgerichtet ist.
[Spaltenumbruch]
5 Dschem] Dschem heißet in der ge-
meinen Sprache eine Gattung Trauben, die
die andern alle an niedlichem Geschmacke
übertrifft. Allein, wenn das arabische Tesch-
tid hinzukommt: so bedeutet Dschemm in der
magischen Sprache den fabelhaften Namen

"und
* Dieses Wort heißet sonst einen Prediger.

Osmaniſche Geſchichte
ihm aber zu verſtatten, daß er ſein Leben außer den oͤffentlichen Geſchaͤfften zu
Nicaͤa zubringen moͤchte. Es iſt ſchwer zu beſtimmen, ob Bajeßid zu dieſer
Verachtung einer Krone durch einen Zug der Religion angetrieben worden,
und durch einen Eifer Gott zu dienen, den der Beſuch zu Mekka angeflammet:
oder ob er ſich vor ſeines Sohnes Gewalt, Ehrgeize und Gabe, ſich bey dem
Volke beliebt zu machen, gefuͤrchtet, und lieber durch heimliche Kuͤnſte zu Nicaͤa
denſelben aus dem Sattel heben, als durch unzeitige Forderung der Regierung
ſowol ſein Reich als ſein Leben in Gefahr ſetzen wollen. Allein der oberſte We-
ßir, nachdem er deſſen Brief geleſen, laͤſſet die Großen zuſammen kommen, und
verlanget ihre Meinung in der Sache: machet auch, nach einigem Wortwech-
ſel, mit ihrer Einwilligung den Schluß, daß Muhaͤmmeds Verordnung feſt ge-
halten und Bajeßid allein fuͤr Kaiſer erkennet und ausgerufen werden muͤſſe.

Korkud giebt
ſeine Einwilli-gung dazu,
4.

Um aber dieſes oͤffentlich ins Werk zu richten, ſtunden ihnen eben die
Hinderniſſe im Wege, als dem Vater: denn gewaltſame Anſchlaͤge ſchienen
hiebey ſo wenig ſicher zu ſeyn, als dergleichen Entſchließungen. Sie faſſeten
daher den Schluß, Korkud vorher auszuforſchen, und der oberſte Weßir redete
denſelben, nach erlangtem Gehoͤre, folgendergeſtalt an. “Eurer Majeſtaͤt
“durchlauchtiger Herr Vater iſt durch goͤttlichen Beyſtand geſund und wohl-
“behalten von Mekka zuruͤck gekommen, und, wie wir vernehmen, zu Aleppo
“angelanget. Dieſes haben wir unſerer Schuldigkeit gemaͤß erachtet, eurer
“Majeſtaͤt zu hinterbringen, um ihr Belieben in Anſehung deſſelben und ſeiner
“Ankunft zu erfahren.„ Korkud verſetzet auf dieſen Vortrag. “Die
“Dienſte, die ihr dem Reiche geleiſtet habt, muͤſſen billigermaßen als ſo viele
“Zeugniſſe von eurer Treue angeſehen werden. Da ihr aber durch eine ſo
“liſtige Rede die meinige wankend zu machen ſuchet: ſo kann ich mich kaum
“enthalten, euch eines Verraths zu beſchuldigen. Denn ihr wiſſet, daß mein
“Vater die Krone nicht ſchlechterdings und auf immer an mich uͤbertragen,
“ſondern mir nur bloß anbefohlen hat, an ſeiner ſtatt die Regierung zu ver-
“walten, bis zu ſeiner Wiederkunft von einer Wallfahrt, die zu ſeinem eigenen
[Spaltenumbruch]

4 Mimber] Dieſes iſt ein Geſtelle, faſt
wie ein biſchoͤflicher Thron geſtalt, auf wel-
chem in einer Erhoͤhung von dreyen Stufen
ſowol der kaiſerliche Thron, als auch in gro-
ßen Kirchen der Waiß*, oder das Pult des
Predigers, aufgerichtet iſt.
[Spaltenumbruch]
5 Dſchem] Dſchem heißet in der ge-
meinen Sprache eine Gattung Trauben, die
die andern alle an niedlichem Geſchmacke
uͤbertrifft. Allein, wenn das arabiſche Teſch-
tid hinzukommt: ſo bedeutet Dſchemm in der
magiſchen Sprache den fabelhaften Namen

“und
* Dieſes Wort heißet ſonſt einen Prediger.
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[174/0260] Osmaniſche Geſchichte ihm aber zu verſtatten, daß er ſein Leben außer den oͤffentlichen Geſchaͤfften zu Nicaͤa zubringen moͤchte. Es iſt ſchwer zu beſtimmen, ob Bajeßid zu dieſer Verachtung einer Krone durch einen Zug der Religion angetrieben worden, und durch einen Eifer Gott zu dienen, den der Beſuch zu Mekka angeflammet: oder ob er ſich vor ſeines Sohnes Gewalt, Ehrgeize und Gabe, ſich bey dem Volke beliebt zu machen, gefuͤrchtet, und lieber durch heimliche Kuͤnſte zu Nicaͤa denſelben aus dem Sattel heben, als durch unzeitige Forderung der Regierung ſowol ſein Reich als ſein Leben in Gefahr ſetzen wollen. Allein der oberſte We- ßir, nachdem er deſſen Brief geleſen, laͤſſet die Großen zuſammen kommen, und verlanget ihre Meinung in der Sache: machet auch, nach einigem Wortwech- ſel, mit ihrer Einwilligung den Schluß, daß Muhaͤmmeds Verordnung feſt ge- halten und Bajeßid allein fuͤr Kaiſer erkennet und ausgerufen werden muͤſſe. 4. Um aber dieſes oͤffentlich ins Werk zu richten, ſtunden ihnen eben die Hinderniſſe im Wege, als dem Vater: denn gewaltſame Anſchlaͤge ſchienen hiebey ſo wenig ſicher zu ſeyn, als dergleichen Entſchließungen. Sie faſſeten daher den Schluß, Korkud vorher auszuforſchen, und der oberſte Weßir redete denſelben, nach erlangtem Gehoͤre, folgendergeſtalt an. “Eurer Majeſtaͤt “durchlauchtiger Herr Vater iſt durch goͤttlichen Beyſtand geſund und wohl- “behalten von Mekka zuruͤck gekommen, und, wie wir vernehmen, zu Aleppo “angelanget. Dieſes haben wir unſerer Schuldigkeit gemaͤß erachtet, eurer “Majeſtaͤt zu hinterbringen, um ihr Belieben in Anſehung deſſelben und ſeiner “Ankunft zu erfahren.„ Korkud verſetzet auf dieſen Vortrag. “Die “Dienſte, die ihr dem Reiche geleiſtet habt, muͤſſen billigermaßen als ſo viele “Zeugniſſe von eurer Treue angeſehen werden. Da ihr aber durch eine ſo “liſtige Rede die meinige wankend zu machen ſuchet: ſo kann ich mich kaum “enthalten, euch eines Verraths zu beſchuldigen. Denn ihr wiſſet, daß mein “Vater die Krone nicht ſchlechterdings und auf immer an mich uͤbertragen, “ſondern mir nur bloß anbefohlen hat, an ſeiner ſtatt die Regierung zu ver- “walten, bis zu ſeiner Wiederkunft von einer Wallfahrt, die zu ſeinem eigenen “und ⁴ Mimber] Dieſes iſt ein Geſtelle, faſt wie ein biſchoͤflicher Thron geſtalt, auf wel- chem in einer Erhoͤhung von dreyen Stufen ſowol der kaiſerliche Thron, als auch in gro- ßen Kirchen der Waiß *, oder das Pult des Predigers, aufgerichtet iſt. ⁵ Dſchem] Dſchem heißet in der ge- meinen Sprache eine Gattung Trauben, die die andern alle an niedlichem Geſchmacke uͤbertrifft. Allein, wenn das arabiſche Teſch- tid hinzukommt: ſo bedeutet Dſchemm in der magiſchen Sprache den fabelhaften Namen Salomons * Dieſes Wort heißet ſonſt einen Prediger.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/260>, abgerufen am 22.11.2024.