er, der gegenwärtige Zustand der Sachen gestattete nicht, etwas gegen Baje- ßid zu unternehmen, weil dieser große Kriegesheere zu seinem Befehle habe: wenn aber bey seiner Rückkunft die Gestalt der Dinge sich geändert haben werde; so wolle er alsdann sich mit aller seiner Macht bestreben, ihm zu seinem Rechte zu verhelfen.
8.
Durch diese und dergleichen Reden bemühete sich Kajetbaj, Dschemund von hier nach Warsak. zu besänftigen: allein, dieser hatte andere Absichten. Dschem hatte von langer Zeit her eine genaue Freundschaft mit den Großen in Warsak und Turgad 7 aufgerichtet, und diese war auch durch solche Proben bestätiget worden, daß er nicht zweifelte, sie würden für ihn thun, was sie könnten. Er schreibet also von Misr aus an dieselben, beschweret sich gegen sie über Bajeßids Unrecht, das er ihm und seinen Kindern angethan habe, und bittet sie um Hülfe. Diese bezeigen in ihrem Antwortschreiben ihren Abscheu gegen Bajeßids Gottlosigkeit, und versprechen ihm einhellig, mit Gut und Blute bey ihm, als ihrem Herrn und Schehßade 8, fest zu halten. Diese Versprechen machen Dschem einen Muth; und weil er siehet, daß Kajetbajs Beystand ungewiß und noch weit entfernet ist: so stellet er sich, als wenn er seinen Rath billigte, und ersuchet denselben, ihm mit dem Nothwendigen zu seiner Wallfahrt an die Hand zu gehen. Kajetbaj versorget ihn ganz willig und im Ueberflusse mit allen erforderlichen Sachen, und giebt ihm bey seiner Abreise eine Bedienung mit, die seinem Stande gemäß war. Allein, es war nicht die Andacht, sondern das Königreich, was Dschem suchte. Daher setzte er bey der ersten Gelegenheit seine Wallfahrt hintan, ließ seine Be- dienten zurück, und flohe mit einigen wenigen Begleitern zu seinen Freunden. Hier lässet er die Truppen in beyden Landschaften zusammen kommen, nebst einigen Gjöng-üllü 9, die in der Eile waren angeworben worden, und ist willens, sein Glück im Kriege noch einmal zu versuchen.
[Spaltenumbruch]
Geburt, und gelangte durch die Wahl zu der unumschränkten königlichen Gewalt.
7 Warsak und Turgad] Ich habe bereits vorhin* gedacht, daß Warsak für Pa- phlagonien gehalten werde. Turgad scheinet eine benachbarte Landschaft von derselben zu seyn.
8 Schehßade] Ein Kaiserssohn, von [Spaltenumbruch] dem persischen Worte Scheh, das durch eine Zusammenziehung2* aus Schah entstanden ist, und Ssade, Sohn. Man giebt aber den Söhnen der Kaiser diese Benennung, wann man aus Ehrerbietigkeit ihre eigenen Namen verschweiget.
9 Gjöng-üllü] Dieses waren ehedem Freywillige, und gingen auf ihre eigenen Ko- sten mit zu Felde. Heutiges Tages sind es
9. Allein,
* 163 S. 42 Anm.
2* Nämlich durch Herauswerfung des Elif, das nach einem andern Buch- staben den Laut a bey sich hat.
Z
8. Bajeßid der II
er, der gegenwaͤrtige Zuſtand der Sachen geſtattete nicht, etwas gegen Baje- ßid zu unternehmen, weil dieſer große Kriegesheere zu ſeinem Befehle habe: wenn aber bey ſeiner Ruͤckkunft die Geſtalt der Dinge ſich geaͤndert haben werde; ſo wolle er alsdann ſich mit aller ſeiner Macht beſtreben, ihm zu ſeinem Rechte zu verhelfen.
8.
Durch dieſe und dergleichen Reden bemuͤhete ſich Kajetbaj, Dſchemund von hier nach Warſak. zu beſaͤnftigen: allein, dieſer hatte andere Abſichten. Dſchem hatte von langer Zeit her eine genaue Freundſchaft mit den Großen in Warſak und Turgad 7 aufgerichtet, und dieſe war auch durch ſolche Proben beſtaͤtiget worden, daß er nicht zweifelte, ſie wuͤrden fuͤr ihn thun, was ſie koͤnnten. Er ſchreibet alſo von Miſr aus an dieſelben, beſchweret ſich gegen ſie uͤber Bajeßids Unrecht, das er ihm und ſeinen Kindern angethan habe, und bittet ſie um Huͤlfe. Dieſe bezeigen in ihrem Antwortſchreiben ihren Abſcheu gegen Bajeßids Gottloſigkeit, und verſprechen ihm einhellig, mit Gut und Blute bey ihm, als ihrem Herrn und Schehßade 8, feſt zu halten. Dieſe Verſprechen machen Dſchem einen Muth; und weil er ſiehet, daß Kajetbajs Beyſtand ungewiß und noch weit entfernet iſt: ſo ſtellet er ſich, als wenn er ſeinen Rath billigte, und erſuchet denſelben, ihm mit dem Nothwendigen zu ſeiner Wallfahrt an die Hand zu gehen. Kajetbaj verſorget ihn ganz willig und im Ueberfluſſe mit allen erforderlichen Sachen, und giebt ihm bey ſeiner Abreiſe eine Bedienung mit, die ſeinem Stande gemaͤß war. Allein, es war nicht die Andacht, ſondern das Koͤnigreich, was Dſchem ſuchte. Daher ſetzte er bey der erſten Gelegenheit ſeine Wallfahrt hintan, ließ ſeine Be- dienten zuruͤck, und flohe mit einigen wenigen Begleitern zu ſeinen Freunden. Hier laͤſſet er die Truppen in beyden Landſchaften zuſammen kommen, nebſt einigen Gjoͤng-uͤlluͤ 9, die in der Eile waren angeworben worden, und iſt willens, ſein Gluͤck im Kriege noch einmal zu verſuchen.
[Spaltenumbruch]
Geburt, und gelangte durch die Wahl zu der unumſchraͤnkten koͤniglichen Gewalt.
7 Warſak und Turgad] Ich habe bereits vorhin* gedacht, daß Warſak fuͤr Pa- phlagonien gehalten werde. Turgad ſcheinet eine benachbarte Landſchaft von derſelben zu ſeyn.
8 Schehßade] Ein Kaiſersſohn, von [Spaltenumbruch] dem perſiſchen Worte Scheh, das durch eine Zuſammenziehung2* aus Schah entſtanden iſt, und Sſade, Sohn. Man giebt aber den Soͤhnen der Kaiſer dieſe Benennung, wann man aus Ehrerbietigkeit ihre eigenen Namen verſchweiget.
9 Gjoͤng-uͤlluͤ] Dieſes waren ehedem Freywillige, und gingen auf ihre eigenen Ko- ſten mit zu Felde. Heutiges Tages ſind es
9. Allein,
* 163 S. 42 Anm.
2* Naͤmlich durch Herauswerfung des Elif, das nach einem andern Buch- ſtaben den Laut a bey ſich hat.
Z
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8. Bajeßid der II
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ßid zu unternehmen, weil dieſer große Kriegesheere zu ſeinem Befehle habe:
wenn aber bey ſeiner Ruͤckkunft die Geſtalt der Dinge ſich geaͤndert haben werde;
ſo wolle er alsdann ſich mit aller ſeiner Macht beſtreben, ihm zu ſeinem Rechte
zu verhelfen.
8. Durch dieſe und dergleichen Reden bemuͤhete ſich Kajetbaj, Dſchem
zu beſaͤnftigen: allein, dieſer hatte andere Abſichten. Dſchem hatte von langer
Zeit her eine genaue Freundſchaft mit den Großen in Warſak und Turgad
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aufgerichtet, und dieſe war auch durch ſolche Proben beſtaͤtiget worden, daß er
nicht zweifelte, ſie wuͤrden fuͤr ihn thun, was ſie koͤnnten. Er ſchreibet alſo
von Miſr aus an dieſelben, beſchweret ſich gegen ſie uͤber Bajeßids Unrecht, das
er ihm und ſeinen Kindern angethan habe, und bittet ſie um Huͤlfe. Dieſe
bezeigen in ihrem Antwortſchreiben ihren Abſcheu gegen Bajeßids Gottloſigkeit,
und verſprechen ihm einhellig, mit Gut und Blute bey ihm, als ihrem Herrn
und Schehßade
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, feſt zu halten. Dieſe Verſprechen machen Dſchem einen Muth;
und weil er ſiehet, daß Kajetbajs Beyſtand ungewiß und noch weit entfernet iſt:
ſo ſtellet er ſich, als wenn er ſeinen Rath billigte, und erſuchet denſelben, ihm
mit dem Nothwendigen zu ſeiner Wallfahrt an die Hand zu gehen. Kajetbaj
verſorget ihn ganz willig und im Ueberfluſſe mit allen erforderlichen Sachen, und
giebt ihm bey ſeiner Abreiſe eine Bedienung mit, die ſeinem Stande gemaͤß war.
Allein, es war nicht die Andacht, ſondern das Koͤnigreich, was Dſchem ſuchte.
Daher ſetzte er bey der erſten Gelegenheit ſeine Wallfahrt hintan, ließ ſeine Be-
dienten zuruͤck, und flohe mit einigen wenigen Begleitern zu ſeinen Freunden.
Hier laͤſſet er die Truppen in beyden Landſchaften zuſammen kommen, nebſt
einigen Gjoͤng-uͤlluͤ
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, die in der Eile waren angeworben worden, und iſt willens,
ſein Gluͤck im Kriege noch einmal zu verſuchen.
und von hier
nach Warſak.
9. Allein,
Geburt, und gelangte durch die Wahl zu der
unumſchraͤnkten koͤniglichen Gewalt.
⁷ Warſak und Turgad] Ich habe
bereits vorhin * gedacht, daß Warſak fuͤr Pa-
phlagonien gehalten werde. Turgad ſcheinet
eine benachbarte Landſchaft von derſelben zu
ſeyn.
⁸ Schehßade] Ein Kaiſersſohn, von
dem perſiſchen Worte Scheh, das durch eine
Zuſammenziehung 2* aus Schah entſtanden iſt,
und Sſade, Sohn. Man giebt aber den
Soͤhnen der Kaiſer dieſe Benennung, wann
man aus Ehrerbietigkeit ihre eigenen Namen
verſchweiget.
⁹ Gjoͤng-uͤlluͤ] Dieſes waren ehedem
Freywillige, und gingen auf ihre eigenen Ko-
ſten mit zu Felde. Heutiges Tages ſind es
eine
* 163 S. 42 Anm.
2* Naͤmlich durch Herauswerfung des Elif, das nach einem andern Buch-
ſtaben den Laut a bey ſich hat.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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