Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte "Krone von den Soldaten Selim aufs Haupt gesetzet worden. Weil ich es"nun für gottlos halte, etwas zu unternehmen oder zu thun, das dem Willen "Gottes entgegen ist: so lege ich, in demüthiger Ergebung an die göttliche "Vorsehung, hiemit die Regierungszeichen nieder, und will und befehle, daß "Selim hinführo von iedermann als Kaiser soll erkennet und verehret werden." Er lässet auch sogleich Selim seine Entschließung zu wissen thun, und verlanget, daß er ihm erlauben möchte, sein Leben zu Dymotika in der Absonderung zuzu- bringen. Selim bittet seinen Vater, in dem neuen Palaste zu bleiben: denn er wollte, nebst der Regierung, mit dem alten Palaste vorlieb nehmen. Baje- ßid aber hält mit seinem Gesuche noch ferner an, und erwähnet unter andern: eine Scheide könne nimmermehr zwey Schwerter 57 in sich fassen*. Solcher- gestalt erhält er endlich sein Begehren, nimmt die kostbarsten Sachen aus der Schatzkammer mit sich, und reiset von Constantinopel ab, in Begleitung von Junus Pascha 58 und einigen wenigen Freunden: welches geschahe am 18 Tage H. 918. J. C. 1512.des Monats Säfer, im Jahre 918. 30. Selim erwartete nebst den Großen des Hofes seinen Vater zu Kju- nen Vater mit dem Märtyrer-tode. 31. Mittlerweile setzte Bajeßid seine vorhabende Reise fort; aber so lang- 57 zwey Schwerter] Es scheinet, er habe damit auf den Spruch Alexanders des Großen gezielet: "Die Welt könne sich nicht "von zwoen Sonnen regieren lassen; und "eben so wenig, wenn die Wohlfahrt seines "Reiches bestehen sollte, zweenen Kaisern "unterworfen seyn." 58 Junus Pascha] Vom Ebräischen [Spaltenumbruch]
Jochanan, oder Johann. So heißet Jo- hann der Prophet bey ihnen Junus Pejgam- ber. 59 Kjutschükj Tschekjmedsche] Eine kleine Zugbrücke, die nach der Zeit in eine völlige Brücke ist verwandelt worden, aber doch den Namen der kleinen behalten hat, damit man sie von einer größern unterscheiden könnte. Kjutschükj Tschekjmedsche ist dieje- nige Stadt, die vor diesem unter dem Namen Athyra bekannt war. Sie lieget an der ho- hen Straße, die nach Adrianopel führet, zwo Stunden von Constantinopel, und sechs Stunden von Büjükj Tschekjmedsche (der großen Brücke). lag, * Auf arabisch heißen seine Worte: Elsejfani la jädschtämanni si Gimd wahäd.
Osmaniſche Geſchichte “Krone von den Soldaten Selim aufs Haupt geſetzet worden. Weil ich es“nun fuͤr gottlos halte, etwas zu unternehmen oder zu thun, das dem Willen “Gottes entgegen iſt: ſo lege ich, in demuͤthiger Ergebung an die goͤttliche “Vorſehung, hiemit die Regierungszeichen nieder, und will und befehle, daß “Selim hinfuͤhro von iedermann als Kaiſer ſoll erkennet und verehret werden.„ Er laͤſſet auch ſogleich Selim ſeine Entſchließung zu wiſſen thun, und verlanget, daß er ihm erlauben moͤchte, ſein Leben zu Dymotika in der Abſonderung zuzu- bringen. Selim bittet ſeinen Vater, in dem neuen Palaſte zu bleiben: denn er wollte, nebſt der Regierung, mit dem alten Palaſte vorlieb nehmen. Baje- ßid aber haͤlt mit ſeinem Geſuche noch ferner an, und erwaͤhnet unter andern: eine Scheide koͤnne nimmermehr zwey Schwerter 57 in ſich faſſen*. Solcher- geſtalt erhaͤlt er endlich ſein Begehren, nimmt die koſtbarſten Sachen aus der Schatzkammer mit ſich, und reiſet von Conſtantinopel ab, in Begleitung von Junus Paſcha 58 und einigen wenigen Freunden: welches geſchahe am 18 Tage H. 918. J. C. 1512.des Monats Saͤfer, im Jahre 918. 30. Selim erwartete nebſt den Großen des Hofes ſeinen Vater zu Kju- nen Vater mit dem Maͤrtyrer-tode. 31. Mittlerweile ſetzte Bajeßid ſeine vorhabende Reiſe fort; aber ſo lang- 57 zwey Schwerter] Es ſcheinet, er habe damit auf den Spruch Alexanders des Großen gezielet: “Die Welt koͤnne ſich nicht “von zwoen Sonnen regieren laſſen; und “eben ſo wenig, wenn die Wohlfahrt ſeines “Reiches beſtehen ſollte, zweenen Kaiſern “unterworfen ſeyn.„ 58 Junus Paſcha] Vom Ebraͤiſchen [Spaltenumbruch]
Jochanan, oder Johann. So heißet Jo- hann der Prophet bey ihnen Junus Pejgam- ber. 59 Kjutſchuͤkj Tſchekjmedſche] Eine kleine Zugbruͤcke, die nach der Zeit in eine voͤllige Bruͤcke iſt verwandelt worden, aber doch den Namen der kleinen behalten hat, damit man ſie von einer groͤßern unterſcheiden koͤnnte. Kjutſchuͤkj Tſchekjmedſche iſt dieje- nige Stadt, die vor dieſem unter dem Namen Athyra bekannt war. Sie lieget an der ho- hen Straße, die nach Adrianopel fuͤhret, zwo Stunden von Conſtantinopel, und ſechs Stunden von Buͤjuͤkj Tſchekjmedſche (der großen Bruͤcke). lag, * Auf arabiſch heißen ſeine Worte: Elſejfani la jaͤdſchtaͤmanni ſi Gimd wahaͤd.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0294" n="208"/><fw place="top" type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/> “Krone von den Soldaten Selim aufs Haupt geſetzet worden. Weil ich es<lb/> “nun fuͤr gottlos halte, etwas zu unternehmen oder zu thun, das dem Willen<lb/> “Gottes entgegen iſt: ſo lege ich, in demuͤthiger Ergebung an die goͤttliche<lb/> “Vorſehung, hiemit die Regierungszeichen nieder, und will und befehle, daß<lb/> “Selim hinfuͤhro von iedermann als Kaiſer ſoll erkennet und verehret werden.„<lb/> Er laͤſſet auch ſogleich Selim ſeine Entſchließung zu wiſſen thun, und verlanget,<lb/> daß er ihm erlauben moͤchte, ſein Leben zu Dymotika in der Abſonderung zuzu-<lb/> bringen. Selim bittet ſeinen Vater, in dem neuen Palaſte zu bleiben: denn<lb/> er wollte, nebſt der Regierung, mit dem alten Palaſte vorlieb nehmen. Baje-<lb/> ßid aber haͤlt mit ſeinem Geſuche noch ferner an, und erwaͤhnet unter andern:<lb/> eine Scheide koͤnne nimmermehr zwey Schwerter <note place="end" n="57"/> in ſich faſſen<note place="foot" n="*">Auf arabiſch heißen ſeine Worte: Elſejfani la jaͤdſchtaͤmanni ſi Gimd wahaͤd.</note>. Solcher-<lb/> geſtalt erhaͤlt er endlich ſein Begehren, nimmt die koſtbarſten Sachen aus der<lb/> Schatzkammer mit ſich, und reiſet von Conſtantinopel ab, in Begleitung von<lb/> Junus Paſcha <note place="end" n="58"/> und einigen wenigen Freunden: welches geſchahe am 18 Tage<lb/><note place="left">H. 918.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> J. C. 1512.</note>des Monats Saͤfer, im Jahre 918.</p><lb/> <note place="left">Selim wird ge-kroͤnet,</note> </div><lb/> <div n="3"> <head>30.</head> <p>Selim erwartete nebſt den Großen des Hofes ſeinen Vater zu Kju-<lb/> tſchuͤkj Tſchekjmedſche <note place="end" n="59"/>, zwo Stunden von Conſtantinopel, unterredete ſich<lb/> mit demſelben von Befeſtigung des Stats, und (eben als wenn er willens ge-<lb/> weſen waͤre, durch die gegenwaͤrtige Unterthaͤnigkeit ſeinen vorigen Ungehorſam<lb/> auszutilgen) verlangte von ihm den Segen. Hierauf nahm er von ſeinem<lb/> Vater Abſchied, kehrete wieder in den Palaſt zuruͤck, und empfing die kaiſerliche<lb/> Krone mit den gewoͤhnlichen Feierlichkeiten.</p><lb/> <note place="left">und kroͤnet ſei-<lb/> nen Vater mit<lb/> dem Maͤrtyrer-tode.</note> </div><lb/> <div n="3"> <head>31.</head> <p>Mittlerweile ſetzte Bajeßid ſeine vorhabende Reiſe fort; aber ſo lang-<lb/> ſam, daß er, unter dem Vorwande der Unbaͤßlichkeit, faſt in iedem Dorfe ſtille<lb/> <fw place="bottom" type="catch">lag,</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note place="end" n="57">zwey Schwerter] Es ſcheinet, er<lb/> habe damit auf den Spruch Alexanders des<lb/> Großen gezielet: “Die Welt koͤnne ſich nicht<lb/> “von zwoen Sonnen regieren laſſen; und<lb/> “eben ſo wenig, wenn die Wohlfahrt ſeines<lb/> “Reiches beſtehen ſollte, zweenen Kaiſern<lb/> “unterworfen ſeyn.„</note><lb/><note place="end" n="58">Junus Paſcha] Vom Ebraͤiſchen<lb/> Jochanan, oder Johann. So heißet Jo-<lb/> hann der Prophet bey ihnen Junus Pejgam-<lb/> ber.</note><lb/><cb n="2"/><lb/><note place="end" n="59">Kjutſchuͤkj Tſchekjmedſche] Eine<lb/> kleine Zugbruͤcke, die nach der Zeit in eine<lb/> voͤllige Bruͤcke iſt verwandelt worden, aber<lb/> doch den Namen der kleinen behalten hat,<lb/> damit man ſie von einer groͤßern unterſcheiden<lb/> koͤnnte. Kjutſchuͤkj Tſchekjmedſche iſt dieje-<lb/> nige Stadt, die vor dieſem unter dem Namen<lb/> Athyra bekannt war. Sie lieget an der ho-<lb/> hen Straße, die nach Adrianopel fuͤhret, zwo<lb/> Stunden von Conſtantinopel, und ſechs<lb/> Stunden von Buͤjuͤkj Tſchekjmedſche (der<lb/> großen Bruͤcke).</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0294]
Osmaniſche Geſchichte
“Krone von den Soldaten Selim aufs Haupt geſetzet worden. Weil ich es
“nun fuͤr gottlos halte, etwas zu unternehmen oder zu thun, das dem Willen
“Gottes entgegen iſt: ſo lege ich, in demuͤthiger Ergebung an die goͤttliche
“Vorſehung, hiemit die Regierungszeichen nieder, und will und befehle, daß
“Selim hinfuͤhro von iedermann als Kaiſer ſoll erkennet und verehret werden.„
Er laͤſſet auch ſogleich Selim ſeine Entſchließung zu wiſſen thun, und verlanget,
daß er ihm erlauben moͤchte, ſein Leben zu Dymotika in der Abſonderung zuzu-
bringen. Selim bittet ſeinen Vater, in dem neuen Palaſte zu bleiben: denn
er wollte, nebſt der Regierung, mit dem alten Palaſte vorlieb nehmen. Baje-
ßid aber haͤlt mit ſeinem Geſuche noch ferner an, und erwaͤhnet unter andern:
eine Scheide koͤnne nimmermehr zwey Schwerter
⁵⁷
in ſich faſſen *. Solcher-
geſtalt erhaͤlt er endlich ſein Begehren, nimmt die koſtbarſten Sachen aus der
Schatzkammer mit ſich, und reiſet von Conſtantinopel ab, in Begleitung von
Junus Paſcha
⁵⁸
und einigen wenigen Freunden: welches geſchahe am 18 Tage
des Monats Saͤfer, im Jahre 918.
H. 918.
J. C. 1512.
30. Selim erwartete nebſt den Großen des Hofes ſeinen Vater zu Kju-
tſchuͤkj Tſchekjmedſche
⁵⁹
, zwo Stunden von Conſtantinopel, unterredete ſich
mit demſelben von Befeſtigung des Stats, und (eben als wenn er willens ge-
weſen waͤre, durch die gegenwaͤrtige Unterthaͤnigkeit ſeinen vorigen Ungehorſam
auszutilgen) verlangte von ihm den Segen. Hierauf nahm er von ſeinem
Vater Abſchied, kehrete wieder in den Palaſt zuruͤck, und empfing die kaiſerliche
Krone mit den gewoͤhnlichen Feierlichkeiten.
31. Mittlerweile ſetzte Bajeßid ſeine vorhabende Reiſe fort; aber ſo lang-
ſam, daß er, unter dem Vorwande der Unbaͤßlichkeit, faſt in iedem Dorfe ſtille
lag,
⁵⁷ zwey Schwerter] Es ſcheinet, er
habe damit auf den Spruch Alexanders des
Großen gezielet: “Die Welt koͤnne ſich nicht
“von zwoen Sonnen regieren laſſen; und
“eben ſo wenig, wenn die Wohlfahrt ſeines
“Reiches beſtehen ſollte, zweenen Kaiſern
“unterworfen ſeyn.„
⁵⁸ Junus Paſcha] Vom Ebraͤiſchen
Jochanan, oder Johann. So heißet Jo-
hann der Prophet bey ihnen Junus Pejgam-
ber.
⁵⁹ Kjutſchuͤkj Tſchekjmedſche] Eine
kleine Zugbruͤcke, die nach der Zeit in eine
voͤllige Bruͤcke iſt verwandelt worden, aber
doch den Namen der kleinen behalten hat,
damit man ſie von einer groͤßern unterſcheiden
koͤnnte. Kjutſchuͤkj Tſchekjmedſche iſt dieje-
nige Stadt, die vor dieſem unter dem Namen
Athyra bekannt war. Sie lieget an der ho-
hen Straße, die nach Adrianopel fuͤhret, zwo
Stunden von Conſtantinopel, und ſechs
Stunden von Buͤjuͤkj Tſchekjmedſche (der
großen Bruͤcke).
* Auf arabiſch heißen ſeine Worte: Elſejfani la jaͤdſchtaͤmanni ſi Gimd wahaͤd.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |