von den Türken, dabey die ganze Christenheit in Gefahr war: und dennoch ist das eigentliche Jahr dieses traurigen Zeitpunktes so wenig bekannt, daß sehr gelehrte Schriftsteller darinnen von einander abgehen; indem einige dieselbe in das Jahr 1452, andere aber in das Jahr 1453, setzen. Hieraus kann man schließen, wie viele Irrthümer in andern Stücken der türkischen Geschichte begangen worden sind, als in den Tagen der Geburt und des Todes der Sultane, und dergleichen. Um nun diese Irrungen wegzuräumen, habe ich es für dienlich erachtet, in dieser Zeitrechnung etwas genauer nachzufor- schen; zumal da ich mich derselben in meiner Geschichte bedienet habe. Ich will hier nicht den Namen derselben untersuchen, oder dieses, ob sie von Mu- hämmeds Flucht von Mekka nach Medina, oder von dessen Tode anhebet; wie einige der Muhämmedischen behaupten. Zu meinem Vorhaben wird es genug seyn, zu zeigen, wie man die Jahre der türkischen Zeitrechnung in die Jahre unsers Erlösers verwandeln solle; und dieses durch einige Beyspiele, die aus christlichen Schriftstellern genommen sind.
Riccioli setzet ganz recht den Anfang der Hidschret in das Jahr Christi 622, dessen Worte (weil die Schriftsteller hauptsächlich wegen des Tages uneinig sind) ich hier beyfügen will. "Der Streit," saget derselbe, "betrifft den Tag. Nämlich, die Sternkundigen, Alfraganus 1, Alba- "tegnius 2 und Jordan, zählen das Jahr der Ismaeliten und Türken, nach "der astronomischen Rechnung, von einem Donnerstage den funfzehenten "Julius an; weil an diesem Tage der wahre Neumond eingefallen ist. "Allein, die Araber selbst und die Türken, und mit denselben die Zeitrechner, "Scaliger und Petau, zählen sie auf bürgerliche Weise von einem Freytage "den sechszehenten Julius an, die vorhergehende Nacht dazu gerechnet; "weil in der Nacht, die auf den funfzehenten Julius gefolget, Muhämmed "von Mekka geflohen und in eben derselben Nacht der neue Mond zum ersten [Spaltenumbruch]
1 soll heißen: Elfergani, aus der Land- schaft Fergan.
[Spaltenumbruch]
2 eigentlich: Elbatani, aus der Stadt Batan in Mesopotamien.
"erschie-
Vorrede
von den Tuͤrken, dabey die ganze Chriſtenheit in Gefahr war: und dennoch iſt das eigentliche Jahr dieſes traurigen Zeitpunktes ſo wenig bekannt, daß ſehr gelehrte Schriftſteller darinnen von einander abgehen; indem einige dieſelbe in das Jahr 1452, andere aber in das Jahr 1453, ſetzen. Hieraus kann man ſchließen, wie viele Irrthuͤmer in andern Stuͤcken der tuͤrkiſchen Geſchichte begangen worden ſind, als in den Tagen der Geburt und des Todes der Sultane, und dergleichen. Um nun dieſe Irrungen wegzuraͤumen, habe ich es fuͤr dienlich erachtet, in dieſer Zeitrechnung etwas genauer nachzufor- ſchen; zumal da ich mich derſelben in meiner Geſchichte bedienet habe. Ich will hier nicht den Namen derſelben unterſuchen, oder dieſes, ob ſie von Mu- haͤmmeds Flucht von Mekka nach Medina, oder von deſſen Tode anhebet; wie einige der Muhaͤmmediſchen behaupten. Zu meinem Vorhaben wird es genug ſeyn, zu zeigen, wie man die Jahre der tuͤrkiſchen Zeitrechnung in die Jahre unſers Erloͤſers verwandeln ſolle; und dieſes durch einige Beyſpiele, die aus chriſtlichen Schriftſtellern genommen ſind.
Riccioli ſetzet ganz recht den Anfang der Hidſchret in das Jahr Chriſti 622, deſſen Worte (weil die Schriftſteller hauptſaͤchlich wegen des Tages uneinig ſind) ich hier beyfuͤgen will. “Der Streit,„ ſaget derſelbe, “betrifft den Tag. Naͤmlich, die Sternkundigen, Alfraganus 1, Alba- “tegnius 2 und Jordan, zaͤhlen das Jahr der Iſmaeliten und Tuͤrken, nach “der aſtronomiſchen Rechnung, von einem Donnerstage den funfzehenten “Julius an; weil an dieſem Tage der wahre Neumond eingefallen iſt. “Allein, die Araber ſelbſt und die Tuͤrken, und mit denſelben die Zeitrechner, “Scaliger und Petau, zaͤhlen ſie auf buͤrgerliche Weiſe von einem Freytage “den ſechszehenten Julius an, die vorhergehende Nacht dazu gerechnet; “weil in der Nacht, die auf den funfzehenten Julius gefolget, Muhaͤmmed “von Mekka geflohen und in eben derſelben Nacht der neue Mond zum erſten [Spaltenumbruch]
1 ſoll heißen: Elfergani, aus der Land- ſchaft Fergan.
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2 eigentlich: Elbatani, aus der Stadt Batan in Meſopotamien.
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Vorrede
von den Tuͤrken, dabey die ganze Chriſtenheit in Gefahr war: und dennoch
iſt das eigentliche Jahr dieſes traurigen Zeitpunktes ſo wenig bekannt, daß
ſehr gelehrte Schriftſteller darinnen von einander abgehen; indem einige
dieſelbe in das Jahr 1452, andere aber in das Jahr 1453, ſetzen. Hieraus
kann man ſchließen, wie viele Irrthuͤmer in andern Stuͤcken der tuͤrkiſchen
Geſchichte begangen worden ſind, als in den Tagen der Geburt und des Todes
der Sultane, und dergleichen. Um nun dieſe Irrungen wegzuraͤumen, habe
ich es fuͤr dienlich erachtet, in dieſer Zeitrechnung etwas genauer nachzufor-
ſchen; zumal da ich mich derſelben in meiner Geſchichte bedienet habe. Ich
will hier nicht den Namen derſelben unterſuchen, oder dieſes, ob ſie von Mu-
haͤmmeds Flucht von Mekka nach Medina, oder von deſſen Tode anhebet;
wie einige der Muhaͤmmediſchen behaupten. Zu meinem Vorhaben wird es
genug ſeyn, zu zeigen, wie man die Jahre der tuͤrkiſchen Zeitrechnung in die
Jahre unſers Erloͤſers verwandeln ſolle; und dieſes durch einige Beyſpiele,
die aus chriſtlichen Schriftſtellern genommen ſind.
Riccioli ſetzet ganz recht den Anfang der Hidſchret in das Jahr Chriſti
622, deſſen Worte (weil die Schriftſteller hauptſaͤchlich wegen des Tages
uneinig ſind) ich hier beyfuͤgen will. “Der Streit,„ ſaget derſelbe,
“betrifft den Tag. Naͤmlich, die Sternkundigen, Alfraganus
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und Jordan, zaͤhlen das Jahr der Iſmaeliten und Tuͤrken, nach
“der aſtronomiſchen Rechnung, von einem Donnerstage den funfzehenten
“Julius an; weil an dieſem Tage der wahre Neumond eingefallen iſt.
“Allein, die Araber ſelbſt und die Tuͤrken, und mit denſelben die Zeitrechner,
“Scaliger und Petau, zaͤhlen ſie auf buͤrgerliche Weiſe von einem Freytage
“den ſechszehenten Julius an, die vorhergehende Nacht dazu gerechnet;
“weil in der Nacht, die auf den funfzehenten Julius gefolget, Muhaͤmmed
“von Mekka geflohen und in eben derſelben Nacht der neue Mond zum erſten
“erſchie-
¹ ſoll heißen: Elfergani, aus der Land-
ſchaft Fergan.
² eigentlich: Elbatani, aus der Stadt
Batan in Meſopotamien.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/36>, abgerufen am 23.11.2024.
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