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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
H. 943.


J. C. 1541.
ten: daher kommt derselbe im folgenden Frühjahre in eigener Person dem
Weßire mit seinen übrigen Truppen zu Hülfe. Als die Deutschen von Sülej-
mans Anzuge hören, da dieser noch drey Tagreisen von ihrem Lager entfernet
war: so heben sie die Belagerung auf, ohne eine Schlacht zu wagen, und zie-
hen sich in der Nacht mit Hinterlassung ihres groben Geschützes zurück. Me-
hemmed Pascha hielte es sich für eine Schande, wenn er die Feinde ohne eine
Niederlage abziehen ließe. Er setzte also denselben beherzt nach, gewann vor ih-
nen den Vorsprung an den Ort, da sie zu Schiffe gehen sollten, nahm ihrer
einen Theil gefangen, und den andern brachte er um, wie sie nach einander all-
gemach herbey geschlendert kamen. Einige wenige von ihnen warfen das Ge-
wehr von sich, und retteten sich mit der Flucht. Nachdem die Feinde solcher-
gestalt zerstreuet waren: so zog Sülejman in Ofen ein, sendete den Erben des
Reichs, Istifan, nebst seiner Mutter, nach Siebenbürgen, weil er dieselben
(den einen wegen seiner Jugend, und die andere wegen ihres Geschlechts)
für unfähig hielte, das Reich zu beschützen 76, und wies ihnen eine Sandschak-
schaft zu ihrem Unterhalte an. Hierauf legte er eine starke Besatzung von Jeng-
itscheri in Ofen, unter der Befehlhabung eines von seinem Namen, Sülejman
[Spaltenumbruch]
76 das Reich zu beschützen] Was ich
in einer der vorhergehenden Anmerkungen*
erwähnet habe, daß der Türken ihre Worte
gut, aber ihre Thaten schlecht seyen: das
wird durch das gegenwärtige Verfahren Sü-
lejmans bestätiget. Nachdem derselbe unter
dem Scheine der Tugend sich die Neigung
des gesammten ungarischen Adels zuwege ge-
bracht hatte, und itzo gute Gelegenheit bekam:
so ließ er seinen Pferdefuß sehen, und ver-
schlang, wie ein unersättliches Ungeheuer,
das Königreich Ungarn, das einem Waisen
zugehörete. Die Christen mögen aus diesem
Beyspiele lernen, was bey dem Schutze der
Osmanen zu gewinnen ist. Ich wollte wün-
schen, daß Carl der XII in Schweden (der
sonst allerdings ein Held dieser Zeit ist) dieses
gehörigermaßen erwogen haben möchte, ehe
er sich dem allezeit treulosen osmanischen Hofe
ergeben hätte. Wahrhaftig, der Ausgang
hat zur Genüge bewiesen, wie nachtheilig
[Spaltenumbruch]
dieses Verfahren seinem Reiche sowol als der
ganzen Christenheit gewesen ist: und es ist
zu befürchten, daß es beyden noch weiter
zum Verderben gereichen werde.
77 Firantsche Padischahi] Der osma-
nische Hof giebt den Titel Padischah sonst kei-
nem einzigen christlichen Fürsten, als dem Kö-
nige in Frankreich. Die Gelegenheit, und
der Ursprung dieser Benennung, wie er von
den Türken erzählet wird, ist sehr merkwür-
dig. Sie sagen: eine Enkelinn des Königes
in Frankreich habe ein Gelübde gethan gehabt,
eine Wallfahrt nach Jerusalem vorzunehmen;
sey aber unterweges bey Cypern von den tür-
kischen Seeräubern gefangen, und Sülejman
angeboten worden. Wegen ihrer hohen Ge-
burt und Schönheit, heißet es weiter, wurde
dieselbe unter die geliebtesten Beyschläferinnen
aufgenommen, und zog durch ihre französi-
schen Sitten, Tänze und Liebesgedichte, die

Paschas:
* 277 S. 24 Anm.

Osmaniſche Geſchichte
H. 943.


J. C. 1541.
ten: daher kommt derſelbe im folgenden Fruͤhjahre in eigener Perſon dem
Weßire mit ſeinen uͤbrigen Truppen zu Huͤlfe. Als die Deutſchen von Suͤlej-
mans Anzuge hoͤren, da dieſer noch drey Tagreiſen von ihrem Lager entfernet
war: ſo heben ſie die Belagerung auf, ohne eine Schlacht zu wagen, und zie-
hen ſich in der Nacht mit Hinterlaſſung ihres groben Geſchuͤtzes zuruͤck. Me-
hemmed Paſcha hielte es ſich fuͤr eine Schande, wenn er die Feinde ohne eine
Niederlage abziehen ließe. Er ſetzte alſo denſelben beherzt nach, gewann vor ih-
nen den Vorſprung an den Ort, da ſie zu Schiffe gehen ſollten, nahm ihrer
einen Theil gefangen, und den andern brachte er um, wie ſie nach einander all-
gemach herbey geſchlendert kamen. Einige wenige von ihnen warfen das Ge-
wehr von ſich, und retteten ſich mit der Flucht. Nachdem die Feinde ſolcher-
geſtalt zerſtreuet waren: ſo zog Suͤlejman in Ofen ein, ſendete den Erben des
Reichs, Iſtifan, nebſt ſeiner Mutter, nach Siebenbuͤrgen, weil er dieſelben
(den einen wegen ſeiner Jugend, und die andere wegen ihres Geſchlechts)
fuͤr unfaͤhig hielte, das Reich zu beſchuͤtzen 76, und wies ihnen eine Sandſchak-
ſchaft zu ihrem Unterhalte an. Hierauf legte er eine ſtarke Beſatzung von Jeng-
itſcheri in Ofen, unter der Befehlhabung eines von ſeinem Namen, Suͤlejman
[Spaltenumbruch]
76 das Reich zu beſchuͤtzen] Was ich
in einer der vorhergehenden Anmerkungen*
erwaͤhnet habe, daß der Tuͤrken ihre Worte
gut, aber ihre Thaten ſchlecht ſeyen: das
wird durch das gegenwaͤrtige Verfahren Suͤ-
lejmans beſtaͤtiget. Nachdem derſelbe unter
dem Scheine der Tugend ſich die Neigung
des geſammten ungariſchen Adels zuwege ge-
bracht hatte, und itzo gute Gelegenheit bekam:
ſo ließ er ſeinen Pferdefuß ſehen, und ver-
ſchlang, wie ein unerſaͤttliches Ungeheuer,
das Koͤnigreich Ungarn, das einem Waiſen
zugehoͤrete. Die Chriſten moͤgen aus dieſem
Beyſpiele lernen, was bey dem Schutze der
Osmanen zu gewinnen iſt. Ich wollte wuͤn-
ſchen, daß Carl der XII in Schweden (der
ſonſt allerdings ein Held dieſer Zeit iſt) dieſes
gehoͤrigermaßen erwogen haben moͤchte, ehe
er ſich dem allezeit treuloſen osmaniſchen Hofe
ergeben haͤtte. Wahrhaftig, der Ausgang
hat zur Genuͤge bewieſen, wie nachtheilig
[Spaltenumbruch]
dieſes Verfahren ſeinem Reiche ſowol als der
ganzen Chriſtenheit geweſen iſt: und es iſt
zu befuͤrchten, daß es beyden noch weiter
zum Verderben gereichen werde.
77 Firantſche Padiſchahi] Der osma-
niſche Hof giebt den Titel Padiſchah ſonſt kei-
nem einzigen chriſtlichen Fuͤrſten, als dem Koͤ-
nige in Frankreich. Die Gelegenheit, und
der Urſprung dieſer Benennung, wie er von
den Tuͤrken erzaͤhlet wird, iſt ſehr merkwuͤr-
dig. Sie ſagen: eine Enkelinn des Koͤniges
in Frankreich habe ein Geluͤbde gethan gehabt,
eine Wallfahrt nach Jeruſalem vorzunehmen;
ſey aber unterweges bey Cypern von den tuͤr-
kiſchen Seeraͤubern gefangen, und Suͤlejman
angeboten worden. Wegen ihrer hohen Ge-
burt und Schoͤnheit, heißet es weiter, wurde
dieſelbe unter die geliebteſten Beyſchlaͤferinnen
aufgenommen, und zog durch ihre franzoͤſi-
ſchen Sitten, Taͤnze und Liebesgedichte, die

Paſchas:
* 277 S. 24 Anm.
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[308/0398] Osmaniſche Geſchichte ten: daher kommt derſelbe im folgenden Fruͤhjahre in eigener Perſon dem Weßire mit ſeinen uͤbrigen Truppen zu Huͤlfe. Als die Deutſchen von Suͤlej- mans Anzuge hoͤren, da dieſer noch drey Tagreiſen von ihrem Lager entfernet war: ſo heben ſie die Belagerung auf, ohne eine Schlacht zu wagen, und zie- hen ſich in der Nacht mit Hinterlaſſung ihres groben Geſchuͤtzes zuruͤck. Me- hemmed Paſcha hielte es ſich fuͤr eine Schande, wenn er die Feinde ohne eine Niederlage abziehen ließe. Er ſetzte alſo denſelben beherzt nach, gewann vor ih- nen den Vorſprung an den Ort, da ſie zu Schiffe gehen ſollten, nahm ihrer einen Theil gefangen, und den andern brachte er um, wie ſie nach einander all- gemach herbey geſchlendert kamen. Einige wenige von ihnen warfen das Ge- wehr von ſich, und retteten ſich mit der Flucht. Nachdem die Feinde ſolcher- geſtalt zerſtreuet waren: ſo zog Suͤlejman in Ofen ein, ſendete den Erben des Reichs, Iſtifan, nebſt ſeiner Mutter, nach Siebenbuͤrgen, weil er dieſelben (den einen wegen ſeiner Jugend, und die andere wegen ihres Geſchlechts) fuͤr unfaͤhig hielte, das Reich zu beſchuͤtzen ⁷⁶ , und wies ihnen eine Sandſchak- ſchaft zu ihrem Unterhalte an. Hierauf legte er eine ſtarke Beſatzung von Jeng- itſcheri in Ofen, unter der Befehlhabung eines von ſeinem Namen, Suͤlejman Paſchas: ⁷⁶ das Reich zu beſchuͤtzen] Was ich in einer der vorhergehenden Anmerkungen * erwaͤhnet habe, daß der Tuͤrken ihre Worte gut, aber ihre Thaten ſchlecht ſeyen: das wird durch das gegenwaͤrtige Verfahren Suͤ- lejmans beſtaͤtiget. Nachdem derſelbe unter dem Scheine der Tugend ſich die Neigung des geſammten ungariſchen Adels zuwege ge- bracht hatte, und itzo gute Gelegenheit bekam: ſo ließ er ſeinen Pferdefuß ſehen, und ver- ſchlang, wie ein unerſaͤttliches Ungeheuer, das Koͤnigreich Ungarn, das einem Waiſen zugehoͤrete. Die Chriſten moͤgen aus dieſem Beyſpiele lernen, was bey dem Schutze der Osmanen zu gewinnen iſt. Ich wollte wuͤn- ſchen, daß Carl der XII in Schweden (der ſonſt allerdings ein Held dieſer Zeit iſt) dieſes gehoͤrigermaßen erwogen haben moͤchte, ehe er ſich dem allezeit treuloſen osmaniſchen Hofe ergeben haͤtte. Wahrhaftig, der Ausgang hat zur Genuͤge bewieſen, wie nachtheilig dieſes Verfahren ſeinem Reiche ſowol als der ganzen Chriſtenheit geweſen iſt: und es iſt zu befuͤrchten, daß es beyden noch weiter zum Verderben gereichen werde. ⁷⁷ Firantſche Padiſchahi] Der osma- niſche Hof giebt den Titel Padiſchah ſonſt kei- nem einzigen chriſtlichen Fuͤrſten, als dem Koͤ- nige in Frankreich. Die Gelegenheit, und der Urſprung dieſer Benennung, wie er von den Tuͤrken erzaͤhlet wird, iſt ſehr merkwuͤr- dig. Sie ſagen: eine Enkelinn des Koͤniges in Frankreich habe ein Geluͤbde gethan gehabt, eine Wallfahrt nach Jeruſalem vorzunehmen; ſey aber unterweges bey Cypern von den tuͤr- kiſchen Seeraͤubern gefangen, und Suͤlejman angeboten worden. Wegen ihrer hohen Ge- burt und Schoͤnheit, heißet es weiter, wurde dieſelbe unter die geliebteſten Beyſchlaͤferinnen aufgenommen, und zog durch ihre franzoͤſi- ſchen Sitten, Taͤnze und Liebesgedichte, die Nei- H. 943. J. C. 1541. * 277 S. 24 Anm.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/398>, abgerufen am 22.11.2024.