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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
dachts wegen unter einer starken Wache gefangen gesetzet hatte) sich in eine
Verschwerung gegen sein Leben eingelassen, und viele Mitschuldigen habe. Weil er
nun nach angestellter Untersuchung befand, daß die Sache wahr sey: so ließ er
seinen Sohn erdrosseln. Kurz hierauf, als er nach Aleppo kam, ging noch ein
anderer von seinen Söhnen, Dschihangjir 93, aus der Welt. Dem ältesten
Prinzen Selim befahl der Kaiser, mit den Truppen zu Merasch zu überwintern.

Sülejman ero-
bert Rewan, und
verwüstet Per-sien:
46.

Im Jahre 961 zog Sülejman sein völliges Heer zusammen, und
rückte damit in Schirwan ein. Vorher aber schickte er einen Herold an den
Schah 94, und ließ ihm sagen, daß er bereit sey, ihm ein Treffen zu liefern;
H. 961.



J. C. 1553.forderte ihn auch heraus, gegen ihn im Felde zu erscheinen, wenn er das Herz
habe, sein Glück der Tapferkeit seiner Leute anzuvertrauen. Weil aber der
Perser auf seine Ausforderung weder mit Worten noch mit der That antwor-
tete: so belagerte er Rewan 95, den Sitz des persischen Königes, im Monate
Schäban, eroberte dasselbe in wenigen Tagen, und zerstörete die königlichen
Gärten, Paläste und Landhäuser, steckte auch die Stadt, die die Krone von
[Spaltenumbruch]
93 Dschihangjir] Man saget, er habe
einen Buckel gehabt, so daß es ausgesehen,
als wenn er eine Kugel auf dem Rücken lie-
gen hätte. Aus dieser Ursache sey er von
Sülejman Dschihangjir genennet worden,
das eben so viel heißet, als einen Atlas oder
Träger der Welt. Man sehe die vorherge-
hende Anmerkung.
94 Schah] Es ist den Türken in ihrem
Gesetze verboten, Krieg anzufangen, ohne
vorher ihrem Feinde ihren Anzug anzukündi-
gen. Dieses geschiehet (sagen sie) sowol
deswegen, damit die Tapferkeit der Osmanen
nicht verdunkelt werde, wenn sie ihren Gegen-
theil mit List und Statsstreichen unter sich
bringen wollten: als auch, damit die Feinde
zu den Geboten des Kurons und zu dem mu-
hämmedischen Glauben eingeladen werden
mögen. Nach Abschlagung dessen halten sie
sich nicht allein an allem erfolgenden Blut-
vergießen unschuldig; sondern wenn sie ster-
ben: so glauben sie, sie würden in den Augen
[Spaltenumbruch]
Gottes Märtirer. Wenn sie aber siegen:
so werden sie Gaßi. Unterdessen beobachten
sie doch diese Gewohnheit nicht so gar genau,
sondern erklären das Gesetz öfters nach den
dringenden Vorfällen, und thun die Kriegs-
erklärung nicht eher, als bis sie den Feinden
den Säbel in den Leib gestoßen haben; wie
ich letzthin bey dem Kriege gegen die Venetia-
ner wahrgenommen habe, da Sultan Aehmed
denselben durch seinen Feldherrn Ali Pascha
ganz Morea innerhalb vier Monate weg-
nahm. Doch, es wäre unrecht, die Türken
wegen eines Verfahrens zu schelten, das un-
ter dem ganzen menschlichen Geschlechte so
gemein ist.
95 Rewan] Eine berühmte Stadt in
Persien, die in den neuern Landkarten ver-
derbter Weise Ervan geschrieben wird.
96 Neh Dschiwan] In den Landkar-
ten nach einer verdorbenen Aussprache Nah
Schuan genennet.

Persien

Osmaniſche Geſchichte
dachts wegen unter einer ſtarken Wache gefangen geſetzet hatte) ſich in eine
Verſchwerung gegen ſein Leben eingelaſſen, und viele Mitſchuldigen habe. Weil er
nun nach angeſtellter Unterſuchung befand, daß die Sache wahr ſey: ſo ließ er
ſeinen Sohn erdroſſeln. Kurz hierauf, als er nach Aleppo kam, ging noch ein
anderer von ſeinen Soͤhnen, Dſchihangjir 93, aus der Welt. Dem aͤlteſten
Prinzen Selim befahl der Kaiſer, mit den Truppen zu Meraſch zu uͤberwintern.

Suͤlejman ero-
bert Rewan, und
verwuͤſtet Per-ſien:
46.

Im Jahre 961 zog Suͤlejman ſein voͤlliges Heer zuſammen, und
ruͤckte damit in Schirwan ein. Vorher aber ſchickte er einen Herold an den
Schah 94, und ließ ihm ſagen, daß er bereit ſey, ihm ein Treffen zu liefern;
H. 961.



J. C. 1553.forderte ihn auch heraus, gegen ihn im Felde zu erſcheinen, wenn er das Herz
habe, ſein Gluͤck der Tapferkeit ſeiner Leute anzuvertrauen. Weil aber der
Perſer auf ſeine Ausforderung weder mit Worten noch mit der That antwor-
tete: ſo belagerte er Rewan 95, den Sitz des perſiſchen Koͤniges, im Monate
Schaͤban, eroberte daſſelbe in wenigen Tagen, und zerſtoͤrete die koͤniglichen
Gaͤrten, Palaͤſte und Landhaͤuſer, ſteckte auch die Stadt, die die Krone von
[Spaltenumbruch]
93 Dſchihangjir] Man ſaget, er habe
einen Buckel gehabt, ſo daß es ausgeſehen,
als wenn er eine Kugel auf dem Ruͤcken lie-
gen haͤtte. Aus dieſer Urſache ſey er von
Suͤlejman Dſchihangjir genennet worden,
das eben ſo viel heißet, als einen Atlas oder
Traͤger der Welt. Man ſehe die vorherge-
hende Anmerkung.
94 Schah] Es iſt den Tuͤrken in ihrem
Geſetze verboten, Krieg anzufangen, ohne
vorher ihrem Feinde ihren Anzug anzukuͤndi-
gen. Dieſes geſchiehet (ſagen ſie) ſowol
deswegen, damit die Tapferkeit der Osmanen
nicht verdunkelt werde, wenn ſie ihren Gegen-
theil mit Liſt und Statsſtreichen unter ſich
bringen wollten: als auch, damit die Feinde
zu den Geboten des Kurons und zu dem mu-
haͤmmediſchen Glauben eingeladen werden
moͤgen. Nach Abſchlagung deſſen halten ſie
ſich nicht allein an allem erfolgenden Blut-
vergießen unſchuldig; ſondern wenn ſie ſter-
ben: ſo glauben ſie, ſie wuͤrden in den Augen
[Spaltenumbruch]
Gottes Maͤrtirer. Wenn ſie aber ſiegen:
ſo werden ſie Gaßi. Unterdeſſen beobachten
ſie doch dieſe Gewohnheit nicht ſo gar genau,
ſondern erklaͤren das Geſetz oͤfters nach den
dringenden Vorfaͤllen, und thun die Kriegs-
erklaͤrung nicht eher, als bis ſie den Feinden
den Saͤbel in den Leib geſtoßen haben; wie
ich letzthin bey dem Kriege gegen die Venetia-
ner wahrgenommen habe, da Sultan Aehmed
denſelben durch ſeinen Feldherrn Ali Paſcha
ganz Morea innerhalb vier Monate weg-
nahm. Doch, es waͤre unrecht, die Tuͤrken
wegen eines Verfahrens zu ſchelten, das un-
ter dem ganzen menſchlichen Geſchlechte ſo
gemein iſt.
95 Rewan] Eine beruͤhmte Stadt in
Perſien, die in den neuern Landkarten ver-
derbter Weiſe Ervan geſchrieben wird.
96 Neh Dſchiwan] In den Landkar-
ten nach einer verdorbenen Ausſprache Nah
Schuan genennet.

Perſien
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[316/0406] Osmaniſche Geſchichte dachts wegen unter einer ſtarken Wache gefangen geſetzet hatte) ſich in eine Verſchwerung gegen ſein Leben eingelaſſen, und viele Mitſchuldigen habe. Weil er nun nach angeſtellter Unterſuchung befand, daß die Sache wahr ſey: ſo ließ er ſeinen Sohn erdroſſeln. Kurz hierauf, als er nach Aleppo kam, ging noch ein anderer von ſeinen Soͤhnen, Dſchihangjir ⁹³ , aus der Welt. Dem aͤlteſten Prinzen Selim befahl der Kaiſer, mit den Truppen zu Meraſch zu uͤberwintern. 46. Im Jahre 961 zog Suͤlejman ſein voͤlliges Heer zuſammen, und ruͤckte damit in Schirwan ein. Vorher aber ſchickte er einen Herold an den Schah ⁹⁴ , und ließ ihm ſagen, daß er bereit ſey, ihm ein Treffen zu liefern; forderte ihn auch heraus, gegen ihn im Felde zu erſcheinen, wenn er das Herz habe, ſein Gluͤck der Tapferkeit ſeiner Leute anzuvertrauen. Weil aber der Perſer auf ſeine Ausforderung weder mit Worten noch mit der That antwor- tete: ſo belagerte er Rewan ⁹⁵ , den Sitz des perſiſchen Koͤniges, im Monate Schaͤban, eroberte daſſelbe in wenigen Tagen, und zerſtoͤrete die koͤniglichen Gaͤrten, Palaͤſte und Landhaͤuſer, ſteckte auch die Stadt, die die Krone von Perſien ⁹³ Dſchihangjir] Man ſaget, er habe einen Buckel gehabt, ſo daß es ausgeſehen, als wenn er eine Kugel auf dem Ruͤcken lie- gen haͤtte. Aus dieſer Urſache ſey er von Suͤlejman Dſchihangjir genennet worden, das eben ſo viel heißet, als einen Atlas oder Traͤger der Welt. Man ſehe die vorherge- hende Anmerkung. ⁹⁴ Schah] Es iſt den Tuͤrken in ihrem Geſetze verboten, Krieg anzufangen, ohne vorher ihrem Feinde ihren Anzug anzukuͤndi- gen. Dieſes geſchiehet (ſagen ſie) ſowol deswegen, damit die Tapferkeit der Osmanen nicht verdunkelt werde, wenn ſie ihren Gegen- theil mit Liſt und Statsſtreichen unter ſich bringen wollten: als auch, damit die Feinde zu den Geboten des Kurons und zu dem mu- haͤmmediſchen Glauben eingeladen werden moͤgen. Nach Abſchlagung deſſen halten ſie ſich nicht allein an allem erfolgenden Blut- vergießen unſchuldig; ſondern wenn ſie ſter- ben: ſo glauben ſie, ſie wuͤrden in den Augen Gottes Maͤrtirer. Wenn ſie aber ſiegen: ſo werden ſie Gaßi. Unterdeſſen beobachten ſie doch dieſe Gewohnheit nicht ſo gar genau, ſondern erklaͤren das Geſetz oͤfters nach den dringenden Vorfaͤllen, und thun die Kriegs- erklaͤrung nicht eher, als bis ſie den Feinden den Saͤbel in den Leib geſtoßen haben; wie ich letzthin bey dem Kriege gegen die Venetia- ner wahrgenommen habe, da Sultan Aehmed denſelben durch ſeinen Feldherrn Ali Paſcha ganz Morea innerhalb vier Monate weg- nahm. Doch, es waͤre unrecht, die Tuͤrken wegen eines Verfahrens zu ſchelten, das un- ter dem ganzen menſchlichen Geſchlechte ſo gemein iſt. ⁹⁵ Rewan] Eine beruͤhmte Stadt in Perſien, die in den neuern Landkarten ver- derbter Weiſe Ervan geſchrieben wird. ⁹⁶ Neh Dſchiwan] In den Landkar- ten nach einer verdorbenen Ausſprache Nah Schuan genennet. H. 961. J. C. 1553.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/406>, abgerufen am 22.11.2024.