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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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10. Sülejman der I
ben einer großen Sorge: denn er ging bereits damit um, Mehemmed Pascha
mit einem Kriegesheere abzufertigen, der sich dem verstellten Mustäfa wider-
setzen sollte.

49.

Um diese Zeit entspann sich abermals ein Krieg zwischen den Königenkommt den
Franzosen mit
einer Flote zu
Hülfe:

von Spanien und Frankreich. Weil nun der König von Frankreich 104 in dem-
selben kein gutes Glück hatte, und von seinen Feinden in die Enge getrieben
wurde: so ersuchte er den Kaiser, ihm mit noch einer Kriegesflote zu Hülfe
zu kommen. Sülejman glaubte, er dürfe seinem Bundesgenossen keine Bitte
[Spaltenumbruch]

begj einzukehren, der von großem Ansehen
unter ihnen, und dabey ein reicher Mann war.
Als ich am zwey und zwanzigsten Julius*,
das der Gedächtnißtag St. Phokas ist, in die-
ses Mannes Haus kam, und sahe, daß alle
seine Taglöhner (deren er über hundert von
den Christen im jährlichen Solde hatte)
müßig stunden: so fragte ich ihn; warum
seine Leute nicht bey der Arbeit seyen. Er gab
darauf zur Antwort: ob er gleich ein Mu-
hämmedischer sey; so leide er doch niemals,
daß an diesem Tage gearbeitet würde. Diese
Worte vermehreten meine Verwunderung,
so daß ich ihn noch weiter fragte: was denn
die Ursache dieser Feierung sey. Er antwor-
tete mit Lächeln: "Ich muß mich wun-
"dern, daß ihr, da ihr doch ein Christ seyd,
"nicht wisset, daß heute St. Phokas Tag
"ist." Was, sagte ich, gehet euch doch
St. Phokas an? Mein Freund, versetzte
derselbe, ihr müsset nicht so reden. Dieser
Heilige hat seine Kraft durch Wunderthun
unter uns zur Genüge bewiesen. Nämlich,
wir haben von unsern Vorältern erzählen ge-
höret, daß einsmals unsere Leute, die von
St. Phokas Heiligkeit nichts wußten, ihre
christlichen Arbeiter an diesem Tage in die
Ernte zur Einsammlung des Getreides ge-
schicket, und, da sie dagegen eingewendet, es
sey St. Phokas Tag, sie mit Schlägen ange-
[Spaltenumbruch]
halten haben, zu thun, was ihnen befohlen
sey. Sie mußten also, obgleich wider ihren
Willen, gehorchen, und luden ihre Wägen
mit Getreide. Als sie aber dasselbe heimfüh-
ren: so erscheinet ihnen ein Mann, der sei-
nes Alters wegen ehrwürdig aussiehet, mit
einer brennenden Fackel in der Hand. Dieser
bestrafet die Arbeiter scharf, daß sie seinen
Festtag entheiligten, und stecket zu gleicher Zeit
das auf ihren Wägen geladene Getreide mit
seiner Fackel an. Die Flamme davon fäh-
ret wie ein Blitz durch das ganze Land, und
verzehret nicht allein alles Getreide, das noch
im Felde stehet; sondern auch dasjenige,
das bereits nach Hause gebracht ist. Durch
diesen Verlust wurden unsere Vorältern ge-
witziget, und fasseten den Vorsatz, den Ge-
dächtnißtag dieses Heiligen eben so andächtig,
als die Christen, zu begehen, und an demsel-
ben alle Arbeit zu unterlassen. So lange
nun als wir diesem Vorsatze nachleben: so
erinnern wir uns nicht, daß wir seit dem
dergleichen Feuersbrunst wieder gehabt hätten.
104 König von Frankreich] Dieses war
Franciscus der I, der, durch seine beständigen
Kriege mit Kaiser Carl dem V, Sülejman
die herrlichste Gelegenheit machte, sich des Kö-
nigreichs Ungarn zu bemächtigen.

abschla-
* altes Kalenders.

10. Suͤlejman der I
ben einer großen Sorge: denn er ging bereits damit um, Mehemmed Paſcha
mit einem Kriegesheere abzufertigen, der ſich dem verſtellten Muſtaͤfa wider-
ſetzen ſollte.

49.

Um dieſe Zeit entſpann ſich abermals ein Krieg zwiſchen den Koͤnigenkommt den
Franzoſen mit
einer Flote zu
Huͤlfe:

von Spanien und Frankreich. Weil nun der Koͤnig von Frankreich 104 in dem-
ſelben kein gutes Gluͤck hatte, und von ſeinen Feinden in die Enge getrieben
wurde: ſo erſuchte er den Kaiſer, ihm mit noch einer Kriegesflote zu Huͤlfe
zu kommen. Suͤlejman glaubte, er duͤrfe ſeinem Bundesgenoſſen keine Bitte
[Spaltenumbruch]

begj einzukehren, der von großem Anſehen
unter ihnen, und dabey ein reicher Mann war.
Als ich am zwey und zwanzigſten Julius*,
das der Gedaͤchtnißtag St. Phokas iſt, in die-
ſes Mannes Haus kam, und ſahe, daß alle
ſeine Tagloͤhner (deren er uͤber hundert von
den Chriſten im jaͤhrlichen Solde hatte)
muͤßig ſtunden: ſo fragte ich ihn; warum
ſeine Leute nicht bey der Arbeit ſeyen. Er gab
darauf zur Antwort: ob er gleich ein Mu-
haͤmmediſcher ſey; ſo leide er doch niemals,
daß an dieſem Tage gearbeitet wuͤrde. Dieſe
Worte vermehreten meine Verwunderung,
ſo daß ich ihn noch weiter fragte: was denn
die Urſache dieſer Feierung ſey. Er antwor-
tete mit Laͤcheln: “Ich muß mich wun-
“dern, daß ihr, da ihr doch ein Chriſt ſeyd,
“nicht wiſſet, daß heute St. Phokas Tag
“iſt.„ Was, ſagte ich, gehet euch doch
St. Phokas an? Mein Freund, verſetzte
derſelbe, ihr muͤſſet nicht ſo reden. Dieſer
Heilige hat ſeine Kraft durch Wunderthun
unter uns zur Genuͤge bewieſen. Naͤmlich,
wir haben von unſern Voraͤltern erzaͤhlen ge-
hoͤret, daß einsmals unſere Leute, die von
St. Phokas Heiligkeit nichts wußten, ihre
chriſtlichen Arbeiter an dieſem Tage in die
Ernte zur Einſammlung des Getreides ge-
ſchicket, und, da ſie dagegen eingewendet, es
ſey St. Phokas Tag, ſie mit Schlaͤgen ange-
[Spaltenumbruch]
halten haben, zu thun, was ihnen befohlen
ſey. Sie mußten alſo, obgleich wider ihren
Willen, gehorchen, und luden ihre Waͤgen
mit Getreide. Als ſie aber daſſelbe heimfuͤh-
ren: ſo erſcheinet ihnen ein Mann, der ſei-
nes Alters wegen ehrwuͤrdig ausſiehet, mit
einer brennenden Fackel in der Hand. Dieſer
beſtrafet die Arbeiter ſcharf, daß ſie ſeinen
Feſttag entheiligten, und ſtecket zu gleicher Zeit
das auf ihren Waͤgen geladene Getreide mit
ſeiner Fackel an. Die Flamme davon faͤh-
ret wie ein Blitz durch das ganze Land, und
verzehret nicht allein alles Getreide, das noch
im Felde ſtehet; ſondern auch dasjenige,
das bereits nach Hauſe gebracht iſt. Durch
dieſen Verluſt wurden unſere Voraͤltern ge-
witziget, und faſſeten den Vorſatz, den Ge-
daͤchtnißtag dieſes Heiligen eben ſo andaͤchtig,
als die Chriſten, zu begehen, und an demſel-
ben alle Arbeit zu unterlaſſen. So lange
nun als wir dieſem Vorſatze nachleben: ſo
erinnern wir uns nicht, daß wir ſeit dem
dergleichen Feuersbrunſt wieder gehabt haͤtten.
104 Koͤnig von Frankreich] Dieſes war
Franciſcus der I, der, durch ſeine beſtaͤndigen
Kriege mit Kaiſer Carl dem V, Suͤlejman
die herrlichſte Gelegenheit machte, ſich des Koͤ-
nigreichs Ungarn zu bemaͤchtigen.

abſchla-
* altes Kalenders.
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[319/0409] 10. Suͤlejman der I ben einer großen Sorge: denn er ging bereits damit um, Mehemmed Paſcha mit einem Kriegesheere abzufertigen, der ſich dem verſtellten Muſtaͤfa wider- ſetzen ſollte. 49. Um dieſe Zeit entſpann ſich abermals ein Krieg zwiſchen den Koͤnigen von Spanien und Frankreich. Weil nun der Koͤnig von Frankreich ¹⁰⁴ in dem- ſelben kein gutes Gluͤck hatte, und von ſeinen Feinden in die Enge getrieben wurde: ſo erſuchte er den Kaiſer, ihm mit noch einer Kriegesflote zu Huͤlfe zu kommen. Suͤlejman glaubte, er duͤrfe ſeinem Bundesgenoſſen keine Bitte abſchla- begj einzukehren, der von großem Anſehen unter ihnen, und dabey ein reicher Mann war. Als ich am zwey und zwanzigſten Julius *, das der Gedaͤchtnißtag St. Phokas iſt, in die- ſes Mannes Haus kam, und ſahe, daß alle ſeine Tagloͤhner (deren er uͤber hundert von den Chriſten im jaͤhrlichen Solde hatte) muͤßig ſtunden: ſo fragte ich ihn; warum ſeine Leute nicht bey der Arbeit ſeyen. Er gab darauf zur Antwort: ob er gleich ein Mu- haͤmmediſcher ſey; ſo leide er doch niemals, daß an dieſem Tage gearbeitet wuͤrde. Dieſe Worte vermehreten meine Verwunderung, ſo daß ich ihn noch weiter fragte: was denn die Urſache dieſer Feierung ſey. Er antwor- tete mit Laͤcheln: “Ich muß mich wun- “dern, daß ihr, da ihr doch ein Chriſt ſeyd, “nicht wiſſet, daß heute St. Phokas Tag “iſt.„ Was, ſagte ich, gehet euch doch St. Phokas an? Mein Freund, verſetzte derſelbe, ihr muͤſſet nicht ſo reden. Dieſer Heilige hat ſeine Kraft durch Wunderthun unter uns zur Genuͤge bewieſen. Naͤmlich, wir haben von unſern Voraͤltern erzaͤhlen ge- hoͤret, daß einsmals unſere Leute, die von St. Phokas Heiligkeit nichts wußten, ihre chriſtlichen Arbeiter an dieſem Tage in die Ernte zur Einſammlung des Getreides ge- ſchicket, und, da ſie dagegen eingewendet, es ſey St. Phokas Tag, ſie mit Schlaͤgen ange- halten haben, zu thun, was ihnen befohlen ſey. Sie mußten alſo, obgleich wider ihren Willen, gehorchen, und luden ihre Waͤgen mit Getreide. Als ſie aber daſſelbe heimfuͤh- ren: ſo erſcheinet ihnen ein Mann, der ſei- nes Alters wegen ehrwuͤrdig ausſiehet, mit einer brennenden Fackel in der Hand. Dieſer beſtrafet die Arbeiter ſcharf, daß ſie ſeinen Feſttag entheiligten, und ſtecket zu gleicher Zeit das auf ihren Waͤgen geladene Getreide mit ſeiner Fackel an. Die Flamme davon faͤh- ret wie ein Blitz durch das ganze Land, und verzehret nicht allein alles Getreide, das noch im Felde ſtehet; ſondern auch dasjenige, das bereits nach Hauſe gebracht iſt. Durch dieſen Verluſt wurden unſere Voraͤltern ge- witziget, und faſſeten den Vorſatz, den Ge- daͤchtnißtag dieſes Heiligen eben ſo andaͤchtig, als die Chriſten, zu begehen, und an demſel- ben alle Arbeit zu unterlaſſen. So lange nun als wir dieſem Vorſatze nachleben: ſo erinnern wir uns nicht, daß wir ſeit dem dergleichen Feuersbrunſt wieder gehabt haͤtten. ¹⁰⁴ Koͤnig von Frankreich] Dieſes war Franciſcus der I, der, durch ſeine beſtaͤndigen Kriege mit Kaiſer Carl dem V, Suͤlejman die herrlichſte Gelegenheit machte, ſich des Koͤ- nigreichs Ungarn zu bemaͤchtigen. kommt den Franzoſen mit einer Flote zu Huͤlfe: * altes Kalenders.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/409>, abgerufen am 22.11.2024.