Geschichte der Regierung Selims des II, mit dem Zunamen Mest 1, eilften Kaisers der Türken. Des dritten Buches fünftes Hauptstück.
1.
Als Sülejman todt war: so war niemand mehr übrig, demSelim wird als Kaiser erkennet: das Reich zufallen konnte, als Selim, und dieser hielte sich damals zu Amasia* auf, wie bereits gedacht worden ist. Er reisete also im Jahre 974 von da ab, und langteH. 974. J. C. 1566. am neunten des Monats Rebiül ewwel, an welchem Tage eben der Planet Merrich2* regierete, zu Constantinopel an, da derselbe den Thron seines Vaters bestiege. Des andern Tages darauf erschienen alle die Großen des Reichs, der Gewohnheit gemäß, in Trauerklei- [Spaltenumbruch]
1 Mest] das ist, betrunken. Er bekam diesen Zunamen, weil er dem Weine und der Trunkenheit ergeben war; denn dieses war sein größtes Vergnügen. Ungeachtet er aber diesem Laster äußerst nachhinge: so saget man doch, daß er sein tägliches Gebet nie- mals unterlassen habe. Es sind noch andere Geschichtschreiber, die nicht gerne einen sol- chen Schandflecken einem so berühmten Kai- ser angehänget wissen wollen, und daher leug- nen, daß er die Gewohnheit gehabt habe, [Spaltenumbruch] sich zu betrinken; dagegen aber vorgeben: er sey öfters mit einer Art einer göttlichen Ent- zückung (Enthusiasm) befallen worden; da- mit nun das Volk nicht argwohnen möchte, es wäre Verstellung und Heucheley: so habe er es selbst für Trunkenheit ausgegeben, und solchergestalt lieber für einen Trunkenbold, als für einen Heuchler, wollen gehalten seyn. Allein, dergleichen Beschönigungen sind nur für den gemeinen Mann.
dern
* Oben stehet Magnesia, 324 Seite, 54 Absatz.
2* Mars.
2 T
Geſchichte der Regierung Selims des II‚ mit dem Zunamen Meſt 1, eilften Kaiſers der Tuͤrken. Des dritten Buches fuͤnftes Hauptſtuͤck.
1.
Als Suͤlejman todt war: ſo war niemand mehr uͤbrig, demSelim wird als Kaiſer erkennet: das Reich zufallen konnte, als Selim, und dieſer hielte ſich damals zu Amaſia* auf, wie bereits gedacht worden iſt. Er reiſete alſo im Jahre 974 von da ab, und langteH. 974. J. C. 1566. am neunten des Monats Rebiuͤl ewwel, an welchem Tage eben der Planet Merrich2* regierete, zu Conſtantinopel an, da derſelbe den Thron ſeines Vaters beſtiege. Des andern Tages darauf erſchienen alle die Großen des Reichs, der Gewohnheit gemaͤß, in Trauerklei- [Spaltenumbruch]
1 Meſt] das iſt, betrunken. Er bekam dieſen Zunamen, weil er dem Weine und der Trunkenheit ergeben war; denn dieſes war ſein groͤßtes Vergnuͤgen. Ungeachtet er aber dieſem Laſter aͤußerſt nachhinge: ſo ſaget man doch, daß er ſein taͤgliches Gebet nie- mals unterlaſſen habe. Es ſind noch andere Geſchichtſchreiber, die nicht gerne einen ſol- chen Schandflecken einem ſo beruͤhmten Kai- ſer angehaͤnget wiſſen wollen, und daher leug- nen, daß er die Gewohnheit gehabt habe, [Spaltenumbruch] ſich zu betrinken; dagegen aber vorgeben: er ſey oͤfters mit einer Art einer goͤttlichen Ent- zuͤckung (Enthuſiaſm) befallen worden; da- mit nun das Volk nicht argwohnen moͤchte, es waͤre Verſtellung und Heucheley: ſo habe er es ſelbſt fuͤr Trunkenheit ausgegeben, und ſolchergeſtalt lieber fuͤr einen Trunkenbold, als fuͤr einen Heuchler, wollen gehalten ſeyn. Allein, dergleichen Beſchoͤnigungen ſind nur fuͤr den gemeinen Mann.
dern
* Oben ſtehet Magneſia, 324 Seite, 54 Abſatz.
2* Mars.
2 T
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0421"n="329"/><divn="2"><head>Geſchichte<lb/>
der Regierung Selims des <hirendition="#aq">II</hi>‚<lb/>
mit dem Zunamen Meſt <noteplace="end"n="1"/>,<lb/>
eilften Kaiſers der Tuͤrken.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Des dritten Buches fuͤnftes Hauptſtuͤck.</head><lb/><divn="3"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>ls Suͤlejman todt war: ſo war niemand mehr uͤbrig, dem<noteplace="right">Selim wird als<lb/>
Kaiſer erkennet:</note><lb/>
das Reich zufallen konnte, als Selim, und dieſer hielte<lb/>ſich damals zu Amaſia<noteplace="foot"n="*">Oben ſtehet Magneſia, 324 Seite, 54 Abſatz.</note> auf, wie bereits gedacht worden<lb/>
iſt. Er reiſete alſo im Jahre 974 von da ab, und langte<noteplace="right">H. 974.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
J. C. 1566.</note><lb/>
am neunten des Monats Rebiuͤl ewwel, an welchem Tage<lb/>
eben der Planet Merrich<noteplace="foot"n="2*">Mars.</note> regierete, zu Conſtantinopel<lb/>
an, da derſelbe den Thron ſeines Vaters beſtiege. Des andern Tages darauf<lb/>
erſchienen alle die Großen des Reichs, der Gewohnheit gemaͤß, in Trauerklei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dern</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><noteplace="end"n="1">Meſt] das iſt, betrunken. Er bekam<lb/>
dieſen Zunamen, weil er dem Weine und der<lb/>
Trunkenheit ergeben war; denn dieſes war<lb/>ſein groͤßtes Vergnuͤgen. Ungeachtet er aber<lb/>
dieſem Laſter aͤußerſt nachhinge: ſo ſaget<lb/>
man doch, daß er ſein taͤgliches Gebet nie-<lb/>
mals unterlaſſen habe. Es ſind noch andere<lb/>
Geſchichtſchreiber, die nicht gerne einen ſol-<lb/>
chen Schandflecken einem ſo beruͤhmten Kai-<lb/>ſer angehaͤnget wiſſen wollen, und daher leug-<lb/>
nen, daß er die Gewohnheit gehabt habe,<lb/><cbn="2"/><lb/>ſich zu betrinken; dagegen aber vorgeben: er<lb/>ſey oͤfters mit einer Art einer goͤttlichen Ent-<lb/>
zuͤckung (<hirendition="#aq">Enthuſiaſm</hi>) befallen worden; da-<lb/>
mit nun das Volk nicht argwohnen moͤchte,<lb/>
es waͤre Verſtellung und Heucheley: ſo habe<lb/>
er es ſelbſt fuͤr Trunkenheit ausgegeben, und<lb/>ſolchergeſtalt lieber fuͤr einen Trunkenbold,<lb/>
als fuͤr einen Heuchler, wollen gehalten ſeyn.<lb/>
Allein, dergleichen Beſchoͤnigungen ſind nur<lb/>
fuͤr den gemeinen Mann.</note><lb/><fwplace="bottom"type="sig">2 T</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[329/0421]
Geſchichte
der Regierung Selims des II‚
mit dem Zunamen Meſt
¹
,
eilften Kaiſers der Tuͤrken.
Des dritten Buches fuͤnftes Hauptſtuͤck.
1.
Als Suͤlejman todt war: ſo war niemand mehr uͤbrig, dem
das Reich zufallen konnte, als Selim, und dieſer hielte
ſich damals zu Amaſia * auf, wie bereits gedacht worden
iſt. Er reiſete alſo im Jahre 974 von da ab, und langte
am neunten des Monats Rebiuͤl ewwel, an welchem Tage
eben der Planet Merrich 2* regierete, zu Conſtantinopel
an, da derſelbe den Thron ſeines Vaters beſtiege. Des andern Tages darauf
erſchienen alle die Großen des Reichs, der Gewohnheit gemaͤß, in Trauerklei-
dern
¹ Meſt] das iſt, betrunken. Er bekam
dieſen Zunamen, weil er dem Weine und der
Trunkenheit ergeben war; denn dieſes war
ſein groͤßtes Vergnuͤgen. Ungeachtet er aber
dieſem Laſter aͤußerſt nachhinge: ſo ſaget
man doch, daß er ſein taͤgliches Gebet nie-
mals unterlaſſen habe. Es ſind noch andere
Geſchichtſchreiber, die nicht gerne einen ſol-
chen Schandflecken einem ſo beruͤhmten Kai-
ſer angehaͤnget wiſſen wollen, und daher leug-
nen, daß er die Gewohnheit gehabt habe,
ſich zu betrinken; dagegen aber vorgeben: er
ſey oͤfters mit einer Art einer goͤttlichen Ent-
zuͤckung (Enthuſiaſm) befallen worden; da-
mit nun das Volk nicht argwohnen moͤchte,
es waͤre Verſtellung und Heucheley: ſo habe
er es ſelbſt fuͤr Trunkenheit ausgegeben, und
ſolchergeſtalt lieber fuͤr einen Trunkenbold,
als fuͤr einen Heuchler, wollen gehalten ſeyn.
Allein, dergleichen Beſchoͤnigungen ſind nur
fuͤr den gemeinen Mann.
Selim wird als
Kaiſer erkennet:
H. 974.
J. C. 1566.
* Oben ſtehet Magneſia, 324 Seite, 54 Abſatz.
2* Mars.
2 T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/421>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.