Sinan Pascha führet ein Krie- gesheer nach Un-garn.
19.
Um nun alle Gelegenheit zu Unruhen von dieser Art aus dem Wege zu räumen: so schickte Murad im Jahre 1002 den Weßir mit einem großen Kriegesheere nach Ungarn, und eroberte unter seiner Anführung einige Städte. H. 1002. J. C. 1594.Bey Herannahung des Winters ließ er den Truppen ihr Lager in Rumili an- weisen, und gab im folgenden Frühjahre Befehl, Janik 14 zu berennen. Nach H. 1003. J. C. 1595.einer Belagerung von achtzehen Tagen wurde auch diese Stadt an das osma- nische Reich gebracht: darauf der Weßir die nöthigen Einrichtungen in diesen Landen machte, und wieder nach Constantinopel zurück kehrete.
Murads Tod.
20.
Nachdem Murad sowol Aufrührer als Feinde bezwungen hatte: so verließ er in eben demselben Jahre sein irdisches Königreich, um das himm- lische Reich anzutreten. Er brachte sein Leben auf funfzig Jahre, und regierete zwanzig Jahre und acht Monate. Er hinterließ eben so viel Söhne, als Jahre seiner Regierung waren: sie wurden aber auf Befehl des ältesten insgesammt erdrosselt, und folgeten also ihrem Vater in die Unsterblichkeit 15 nach. Es ist etwas seltsames, daß alle türkischen Geschichtschreiber, die mir zu Gesichte gekom- men sind, die Eigenschaften und Sitten dieses Kaisers mit Stilleschweigen über- gehen; welches sonst ihrer beständigen Gewohnheit zuwider ist.
[Spaltenumbruch]
14 Janik] lauarinum oder laurinum, bey den Deutschen Raab genennet. Die christ- lichen Geschichtschreiber sagen, es sey durch Verrath des Grafen von Hardeck an die Türken übergeben worden.
15 Unsterblichkeit] Die Türken halten ihre Kaiser insgesammt für heilig, und erwäh- [Spaltenumbruch] nen daher ihres Abschiedes aus der Welt mit den ruhmwürdigsten Ausdrücken, als: "In "diesem Jahre nahm das Daseyn seiner Ma- "jestät, mit Beystimmung seines eigenen "Wunsches und Verlangens, von dem Hofe "des Hochmuthes (der Welt) Abschied, "und ging in die ewigen Wohnungen ein."
Mit Murad dem III zugleich regiereten in Europa. In Deutschland, Rudolph der II, 1575 - 1611. In England, Elisabeth, 1558 - 1602. In Frankreich, Heinrich der IIII, 1589 - 1610.
Geschichte
Osmaniſche Geſchichte
Sinan Paſcha fuͤhret ein Krie- gesheer nach Un-garn.
19.
Um nun alle Gelegenheit zu Unruhen von dieſer Art aus dem Wege zu raͤumen: ſo ſchickte Murad im Jahre 1002 den Weßir mit einem großen Kriegesheere nach Ungarn, und eroberte unter ſeiner Anfuͤhrung einige Staͤdte. H. 1002. J. C. 1594.Bey Herannahung des Winters ließ er den Truppen ihr Lager in Rumili an- weiſen, und gab im folgenden Fruͤhjahre Befehl, Janik 14 zu berennen. Nach H. 1003. J. C. 1595.einer Belagerung von achtzehen Tagen wurde auch dieſe Stadt an das osma- niſche Reich gebracht: darauf der Weßir die noͤthigen Einrichtungen in dieſen Landen machte, und wieder nach Conſtantinopel zuruͤck kehrete.
Murads Tod.
20.
Nachdem Murad ſowol Aufruͤhrer als Feinde bezwungen hatte: ſo verließ er in eben demſelben Jahre ſein irdiſches Koͤnigreich, um das himm- liſche Reich anzutreten. Er brachte ſein Leben auf funfzig Jahre, und regierete zwanzig Jahre und acht Monate. Er hinterließ eben ſo viel Soͤhne, als Jahre ſeiner Regierung waren: ſie wurden aber auf Befehl des aͤlteſten insgeſammt erdroſſelt, und folgeten alſo ihrem Vater in die Unſterblichkeit 15 nach. Es iſt etwas ſeltſames, daß alle tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber, die mir zu Geſichte gekom- men ſind, die Eigenſchaften und Sitten dieſes Kaiſers mit Stilleſchweigen uͤber- gehen; welches ſonſt ihrer beſtaͤndigen Gewohnheit zuwider iſt.
[Spaltenumbruch]
14 Janik] lauarinum oder laurinum‚ bey den Deutſchen Raab genennet. Die chriſt- lichen Geſchichtſchreiber ſagen, es ſey durch Verrath des Grafen von Hardeck an die Tuͤrken uͤbergeben worden.
15 Unſterblichkeit] Die Tuͤrken halten ihre Kaiſer insgeſammt fuͤr heilig, und erwaͤh- [Spaltenumbruch] nen daher ihres Abſchiedes aus der Welt mit den ruhmwuͤrdigſten Ausdruͤcken, als: “In “dieſem Jahre nahm das Daſeyn ſeiner Ma- “jeſtaͤt, mit Beyſtimmung ſeines eigenen “Wunſches und Verlangens, von dem Hofe “des Hochmuthes (der Welt) Abſchied, “und ging in die ewigen Wohnungen ein.„
Mit Murad dem III zugleich regiereten in Europa. In Deutſchland, Rudolph der II‚ 1575 - 1611. In England, Eliſabeth, 1558 - 1602. In Frankreich, Heinrich der IIII‚ 1589 - 1610.
Geſchichte
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Osmaniſche Geſchichte
19. Um nun alle Gelegenheit zu Unruhen von dieſer Art aus dem Wege
zu raͤumen: ſo ſchickte Murad im Jahre 1002 den Weßir mit einem großen
Kriegesheere nach Ungarn, und eroberte unter ſeiner Anfuͤhrung einige Staͤdte.
Bey Herannahung des Winters ließ er den Truppen ihr Lager in Rumili an-
weiſen, und gab im folgenden Fruͤhjahre Befehl, Janik
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einer Belagerung von achtzehen Tagen wurde auch dieſe Stadt an das osma-
niſche Reich gebracht: darauf der Weßir die noͤthigen Einrichtungen in dieſen
Landen machte, und wieder nach Conſtantinopel zuruͤck kehrete.
H. 1002.
J. C. 1594.
H. 1003.
J. C. 1595.
20. Nachdem Murad ſowol Aufruͤhrer als Feinde bezwungen hatte:
ſo verließ er in eben demſelben Jahre ſein irdiſches Koͤnigreich, um das himm-
liſche Reich anzutreten. Er brachte ſein Leben auf funfzig Jahre, und regierete
zwanzig Jahre und acht Monate. Er hinterließ eben ſo viel Soͤhne, als Jahre
ſeiner Regierung waren: ſie wurden aber auf Befehl des aͤlteſten insgeſammt
erdroſſelt, und folgeten alſo ihrem Vater in die Unſterblichkeit
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nach. Es iſt
etwas ſeltſames, daß alle tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber, die mir zu Geſichte gekom-
men ſind, die Eigenſchaften und Sitten dieſes Kaiſers mit Stilleſchweigen uͤber-
gehen; welches ſonſt ihrer beſtaͤndigen Gewohnheit zuwider iſt.
Geſchichte
¹⁴ Janik] lauarinum oder laurinum‚
bey den Deutſchen Raab genennet. Die chriſt-
lichen Geſchichtſchreiber ſagen, es ſey durch
Verrath des Grafen von Hardeck an die
Tuͤrken uͤbergeben worden.
¹⁵ Unſterblichkeit] Die Tuͤrken halten
ihre Kaiſer insgeſammt fuͤr heilig, und erwaͤh-
nen daher ihres Abſchiedes aus der Welt mit
den ruhmwuͤrdigſten Ausdruͤcken, als: “In
“dieſem Jahre nahm das Daſeyn ſeiner Ma-
“jeſtaͤt, mit Beyſtimmung ſeines eigenen
“Wunſches und Verlangens, von dem Hofe
“des Hochmuthes (der Welt) Abſchied,
“und ging in die ewigen Wohnungen ein.„
Mit Murad dem III zugleich regiereten in Europa.
In Deutſchland, Rudolph der II‚ 1575 - 1611.
In England, Eliſabeth, 1558 - 1602.
In Frankreich, Heinrich der IIII‚ 1589 - 1610.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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