Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.17. Murad der IIII zuge nichts weniger als dergleichen vermuthete, darüber in den heftigsten Zornund Grimm. Die Wirkungen davon mußte zuerst der Weßir Mehemmed Pascha empfinden, der aus Ursache, weil er die Grenzen zu verwahren versäu- met habe, sogleich abgesetzet, und dessen Stelle Bäjram Pascha gegeben wurde, mit beygefügten entsetzlichen Drohungen gegen die Perser. Damit aber diese Drohworte nicht vergebens seyn möchten: so schickte er noch in demselben JahreH. 1042. J. C. 1637. den Weßir mit einiger leichten Reiterey voraus, und folgte demselben mit einem noch größern Kriegsheere in eigener Person nach Asien, dabey er seinen Zug gerades Weges auf Bägdad richtete. 16. Bey seiner Ankunft daselbst treibet ihn nicht sowol sein Heldenmuthin dem derselbe willen sich freywillig dazu bequemete, noch weiter Dienste zu thun. Denn wer nach St. Demetrietage zu Ordikaßisi oder dem Feld- richter kommt, und von demselben Kasim Si- dschilli oder einen Beglaubigungsschein be- gehret, daß er dieses Jahr hindurch bis an St. Demetrietag treulich gedienet habe; wel- ches man keinem abschlagen kann: der darf frey und sicher von dem Heere weggehen, ohne dießfalls eine Strafe oder Ahndung zu befürchten. Denn kein türkischer Soldat, ungeachtet sie allesammt das ganze Jahr hin- durch Sold genießen, ist verbunden, über sechs Monate lang zu dienen. 10 dreyßig tausend] Die Perser betrau- [Spaltenumbruch] ren noch bis auf den heutigen Tag diese Grau- samkeit des Sultan Murads mit immerwäh- renden Threnen. Denn er hatte den Schluß gefasset, keines Gefangenen zu schonen, er möchte vornehm oder gering seyn; sondern gab Befehl, dieselben allesammt Mann für Mann niederzuhauen. Als man im Begriffe war, seinen Befehl zu vollziehen: so bat ein gewisser Musikverständiger die Befehlhaber, seine Strafe etwas aufzuschieben, und ihm zu verstatten, nur ein Wort mit dem Kaiser zu reden. Da er nun vor den Kaiser ge- bracht und gefraget wurde, was er vorzu- bringen habe: so sagte er; Lasse nicht gesche- hen, allergnädigster Kaiser, daß mit mir Schahkuli (des Kaisers Knechte, welchen Na- Weise
17. Murad der IIII zuge nichts weniger als dergleichen vermuthete, daruͤber in den heftigſten Zornund Grimm. Die Wirkungen davon mußte zuerſt der Weßir Mehemmed Paſcha empfinden, der aus Urſache, weil er die Grenzen zu verwahren verſaͤu- met habe, ſogleich abgeſetzet, und deſſen Stelle Baͤjram Paſcha gegeben wurde, mit beygefuͤgten entſetzlichen Drohungen gegen die Perſer. Damit aber dieſe Drohworte nicht vergebens ſeyn moͤchten: ſo ſchickte er noch in demſelben JahreH. 1042. J. C. 1637. den Weßir mit einiger leichten Reiterey voraus, und folgte demſelben mit einem noch groͤßern Kriegsheere in eigener Perſon nach Aſien, dabey er ſeinen Zug gerades Weges auf Baͤgdad richtete. 16. Bey ſeiner Ankunft daſelbſt treibet ihn nicht ſowol ſein Heldenmuthin dem derſelbe willen ſich freywillig dazu bequemete, noch weiter Dienſte zu thun. Denn wer nach St. Demetrietage zu Ordikaßiſi oder dem Feld- richter kommt, und von demſelben Kaſim Si- dſchilli oder einen Beglaubigungsſchein be- gehret, daß er dieſes Jahr hindurch bis an St. Demetrietag treulich gedienet habe; wel- ches man keinem abſchlagen kann: der darf frey und ſicher von dem Heere weggehen, ohne dießfalls eine Strafe oder Ahndung zu befuͤrchten. Denn kein tuͤrkiſcher Soldat, ungeachtet ſie alleſammt das ganze Jahr hin- durch Sold genießen, iſt verbunden, uͤber ſechs Monate lang zu dienen. 10 dreyßig tauſend] Die Perſer betrau- [Spaltenumbruch] ren noch bis auf den heutigen Tag dieſe Grau- ſamkeit des Sultan Murads mit immerwaͤh- renden Threnen. Denn er hatte den Schluß gefaſſet, keines Gefangenen zu ſchonen, er moͤchte vornehm oder gering ſeyn; ſondern gab Befehl, dieſelben alleſammt Mann fuͤr Mann niederzuhauen. Als man im Begriffe war, ſeinen Befehl zu vollziehen: ſo bat ein gewiſſer Muſikverſtaͤndiger die Befehlhaber, ſeine Strafe etwas aufzuſchieben, und ihm zu verſtatten, nur ein Wort mit dem Kaiſer zu reden. Da er nun vor den Kaiſer ge- bracht und gefraget wurde, was er vorzu- bringen habe: ſo ſagte er; Laſſe nicht geſche- hen, allergnaͤdigſter Kaiſer, daß mit mir Schahkuli (des Kaiſers Knechte, welchen Na- Weiſe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0479" n="375"/><fw place="top" type="header">17. Murad der <hi rendition="#aq">IIII</hi></fw><lb/> zuge nichts weniger als dergleichen vermuthete, daruͤber in den heftigſten Zorn<lb/> und Grimm. Die Wirkungen davon mußte zuerſt der Weßir Mehemmed<lb/> Paſcha empfinden, der aus Urſache, weil er die Grenzen zu verwahren verſaͤu-<lb/> met habe, ſogleich abgeſetzet, und deſſen Stelle Baͤjram Paſcha gegeben wurde,<lb/> mit beygefuͤgten entſetzlichen Drohungen gegen die Perſer. Damit aber dieſe<lb/> Drohworte nicht vergebens ſeyn moͤchten: ſo ſchickte er noch in demſelben Jahre<note place="right">H. 1042.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> J. C. 1637.</note><lb/> den Weßir mit einiger leichten Reiterey voraus, und folgte demſelben mit einem<lb/> noch groͤßern Kriegsheere in eigener Perſon nach Aſien, dabey er ſeinen Zug<lb/> gerades Weges auf Baͤgdad richtete.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>16.</head> <p>Bey ſeiner Ankunft daſelbſt treibet ihn nicht ſowol ſein Heldenmuth<note place="right">in dem derſelbe<lb/> Baͤgdad erobert:</note><lb/> und ſeine Tapferkeit an, als vielmehr die Begierde ſich zu raͤchen, die Stadt<lb/> mit ſolcher Heftigkeit anzugreifen, daß es dreyßig Tage lang mehr einer unauf-<lb/> hoͤrlichen Schlachtung und Metzelung, als einem Gefechte, aͤhnlich ſahe. Feuer,<lb/> Schwert und Geſchuͤtz ruheten dieſe ganze Zeit uͤber nicht einen Augenblick, um<lb/> auf beyden Seiten die Soldaten zu Grunde zu richten. Die Stuͤrme werden<lb/> alle Tage erneuret, dabey der Kaiſer mit dem Saͤbel in der Hand die Zuruͤck-<lb/> laufenden zwinget, den Angriff aufs neue zu thun, und den Weßir mit eigener<lb/> Hand umbringet, weil derſelbe, ſeiner Meinung nach, zu nachlaͤſſig iſt. End-<lb/> lich wird die Stadt, durch die Tapferkeit der Osmanen und Standhaftigkeit<lb/> des Kaiſers, erobert, und uͤber dreyßig tauſend <note place="end" n="10"/> Perſer, die ſich der Gewalt<lb/> des Sultans uͤbergeben hatten, in ſeiner Gegenwart niedergeſaͤbelt. Auf dieſe<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Weiſe</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="C479" prev="#C478" place="end">willen ſich freywillig dazu bequemete, noch<lb/> weiter Dienſte zu thun. Denn wer nach St.<lb/> Demetrietage zu Ordikaßiſi oder dem Feld-<lb/> richter kommt, und von demſelben Kaſim Si-<lb/> dſchilli oder einen Beglaubigungsſchein be-<lb/> gehret, daß er dieſes Jahr hindurch bis an<lb/> St. Demetrietag treulich gedienet habe; wel-<lb/> ches man keinem abſchlagen kann: der darf<lb/> frey und ſicher von dem Heere weggehen,<lb/> ohne dießfalls eine Strafe oder Ahndung zu<lb/> befuͤrchten. Denn kein tuͤrkiſcher Soldat,<lb/> ungeachtet ſie alleſammt das ganze Jahr hin-<lb/> durch Sold genießen, iſt verbunden, uͤber<lb/> ſechs Monate lang zu dienen.</note><lb/><note xml:id="D479" next="#D480" place="end" n="10">dreyßig tauſend] Die Perſer betrau-<lb/><cb n="2"/><lb/> ren noch bis auf den heutigen Tag dieſe Grau-<lb/> ſamkeit des Sultan Murads mit immerwaͤh-<lb/> renden Threnen. Denn er hatte den Schluß<lb/> gefaſſet, keines Gefangenen zu ſchonen, er<lb/> moͤchte vornehm oder gering ſeyn; ſondern<lb/> gab Befehl, dieſelben alleſammt Mann fuͤr<lb/> Mann niederzuhauen. Als man im Begriffe<lb/> war, ſeinen Befehl zu vollziehen: ſo bat ein<lb/> gewiſſer Muſikverſtaͤndiger die Befehlhaber,<lb/> ſeine Strafe etwas aufzuſchieben, und ihm<lb/> zu verſtatten, nur ein Wort mit dem Kaiſer<lb/> zu reden. Da er nun vor den Kaiſer ge-<lb/> bracht und gefraget wurde, was er vorzu-<lb/> bringen habe: ſo ſagte er; Laſſe nicht geſche-<lb/> hen, allergnaͤdigſter Kaiſer, daß mit mir<lb/> Schahkuli (des Kaiſers Knechte, welchen Na-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">men</fw></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [375/0479]
17. Murad der IIII
zuge nichts weniger als dergleichen vermuthete, daruͤber in den heftigſten Zorn
und Grimm. Die Wirkungen davon mußte zuerſt der Weßir Mehemmed
Paſcha empfinden, der aus Urſache, weil er die Grenzen zu verwahren verſaͤu-
met habe, ſogleich abgeſetzet, und deſſen Stelle Baͤjram Paſcha gegeben wurde,
mit beygefuͤgten entſetzlichen Drohungen gegen die Perſer. Damit aber dieſe
Drohworte nicht vergebens ſeyn moͤchten: ſo ſchickte er noch in demſelben Jahre
den Weßir mit einiger leichten Reiterey voraus, und folgte demſelben mit einem
noch groͤßern Kriegsheere in eigener Perſon nach Aſien, dabey er ſeinen Zug
gerades Weges auf Baͤgdad richtete.
H. 1042.
J. C. 1637.
16. Bey ſeiner Ankunft daſelbſt treibet ihn nicht ſowol ſein Heldenmuth
und ſeine Tapferkeit an, als vielmehr die Begierde ſich zu raͤchen, die Stadt
mit ſolcher Heftigkeit anzugreifen, daß es dreyßig Tage lang mehr einer unauf-
hoͤrlichen Schlachtung und Metzelung, als einem Gefechte, aͤhnlich ſahe. Feuer,
Schwert und Geſchuͤtz ruheten dieſe ganze Zeit uͤber nicht einen Augenblick, um
auf beyden Seiten die Soldaten zu Grunde zu richten. Die Stuͤrme werden
alle Tage erneuret, dabey der Kaiſer mit dem Saͤbel in der Hand die Zuruͤck-
laufenden zwinget, den Angriff aufs neue zu thun, und den Weßir mit eigener
Hand umbringet, weil derſelbe, ſeiner Meinung nach, zu nachlaͤſſig iſt. End-
lich wird die Stadt, durch die Tapferkeit der Osmanen und Standhaftigkeit
des Kaiſers, erobert, und uͤber dreyßig tauſend
¹⁰
Perſer, die ſich der Gewalt
des Sultans uͤbergeben hatten, in ſeiner Gegenwart niedergeſaͤbelt. Auf dieſe
Weiſe
willen ſich freywillig dazu bequemete, noch
weiter Dienſte zu thun. Denn wer nach St.
Demetrietage zu Ordikaßiſi oder dem Feld-
richter kommt, und von demſelben Kaſim Si-
dſchilli oder einen Beglaubigungsſchein be-
gehret, daß er dieſes Jahr hindurch bis an
St. Demetrietag treulich gedienet habe; wel-
ches man keinem abſchlagen kann: der darf
frey und ſicher von dem Heere weggehen,
ohne dießfalls eine Strafe oder Ahndung zu
befuͤrchten. Denn kein tuͤrkiſcher Soldat,
ungeachtet ſie alleſammt das ganze Jahr hin-
durch Sold genießen, iſt verbunden, uͤber
ſechs Monate lang zu dienen.
¹⁰ dreyßig tauſend] Die Perſer betrau-
ren noch bis auf den heutigen Tag dieſe Grau-
ſamkeit des Sultan Murads mit immerwaͤh-
renden Threnen. Denn er hatte den Schluß
gefaſſet, keines Gefangenen zu ſchonen, er
moͤchte vornehm oder gering ſeyn; ſondern
gab Befehl, dieſelben alleſammt Mann fuͤr
Mann niederzuhauen. Als man im Begriffe
war, ſeinen Befehl zu vollziehen: ſo bat ein
gewiſſer Muſikverſtaͤndiger die Befehlhaber,
ſeine Strafe etwas aufzuſchieben, und ihm
zu verſtatten, nur ein Wort mit dem Kaiſer
zu reden. Da er nun vor den Kaiſer ge-
bracht und gefraget wurde, was er vorzu-
bringen habe: ſo ſagte er; Laſſe nicht geſche-
hen, allergnaͤdigſter Kaiſer, daß mit mir
Schahkuli (des Kaiſers Knechte, welchen Na-
men
in dem derſelbe
Baͤgdad erobert:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |