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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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18. Ibrahim
eine letzthin geschehene Beleidigung aber, die einigen wiederfuhr, die nach Mekka
und Aegypten reisen wollten, gab hierzu die nächste Veranlassung. Kißlar
Agasi Sümbül Aga, der seines Amtes entlassen war, und einen Versicherungs-
[Spaltenumbruch]
niemals wieder dahin zu kommen. Weil sie
nun nicht im Stande waren, sich zu wider-
setzen: so gehorchten sie seinem Befehle, be-
gaben sich wieder zu Schiffe, und richteten
ihren Lauf gerade auf Krete zu. Die Frucht-
barkeit und Anmuth des Eylandes reizete sie
so sehr, daß sie sich entschlossen, sich daselbst
niederzulassen, und sich berathschlagten, wie
sie sich desselben bemächtigen wollten. Um
dieses mit desto größerem Eifer zu vollstrecken,
verbrenneten sie ihre Schiffe; damit sie sich
selbst alle Hoffnung einiger Zuflucht abschnei-
den möchten, wenn sie sich zurückschlagen
ließen. Hierauf griffen sie das Eyland an,
und brachten es gar geschwind in ihre Gewalt,
befestigten die Schlösser mit neuen Werken,
und versahen selbige mit allem nöthigen Krie-
gesvorrathe. Als der griechische Kaiser Mi-
chael vernahm, daß Krete von den Müsül-
manen (oder Saracenen) eingenommen wor-
den sey: so schickte er eine große Kriegesflote
gegen sie aus. Die Müsülmanen wurden
auch in dem ersten Treffen überwunden; sie
brachten aber ihre Völker bald wieder zusam-
men, und griffen die Griechen in ihrem Lager
mit solchem Muthe an, daß nicht ein einziger
von ihnen davon kam, der einmal die Zeitung
von dieser Niederlage nach Griechenland hätte
überbringen können. Die Müsülmanen ga-
ben dem Kaiser von dem Vorgegangenen
Nachricht, und erboten sich dabey zu einem
Frieden; den auch der Kaiser, weil er sahe,
daß er mit der Gewalt nichts ausrichten
konnte, willig einging. Nachdem der Frie-
densvergleich zu Stande gekommen war: so
beherrschete der müsülmanische Fürst Uemru
und seine Nachkommen das Eyland achtzig
[Spaltenumbruch]
Jahre lang in Ruhe. Nach der Zeit, im
Jahre 284, schickte der griechische Kaiser
seinen Feldherrn, Nicephorus Phokas, mit
einem zahlreichen Heere nach Krete, um die
Müsülmanen von da zu vertreiben. Nach-
dem Phokas seine Truppen an das Land ge-
setzet hatte: so griff er die Müsülmanen an,
und überwand dieselben; nahm hierauf ihre
Städte und Festungen ein, und zwang die-
jenigen, die er nicht umbrachte, sich dem grie-
chischen Kaiser zu unterwerfen. Diese aber
starben mit der Zeit theils ab, und theils
wurden sie Christen; so daß in einigen Jah-
ren keine Spur von Müsülmanen mehr daselbst
zu finden war. Einige Zeit hernach bekommt
Alexius, der jüngere Bruder des Kaiser Isaaks
zu Constantinopel, diesen seinen ältern Bruder
listiger Weise in das Netz, bemächtiget sich
seiner, und bringet denselben ums Leben, so
nämlich, daß er ihm die Augen ausstechen
lässet; darauf derselbe den Thron besteiget.
Er begnüget sich aber nicht mit einem Bruder-
morde; sondern trachtet auch, Isaaks Sohn,
der mit ihm einerley Namen hatte, aus der
Welt zu schaffen, damit er keinen Nebenbuh-
ler haben möchte. Allein, der junge Prinz
wird wegen dieser ihm drohenden Gefahr ge-
warnet, entwischet nur wenige Stunden eher,
als die That sollte vollstrecket werden, und
nimmt seine Zuflucht zu den Venetianern.
Daselbst wiegelt er ganz Westen auf, und be-
weget es, ihm beyzustehen; erhält von den
Venetianern eine Flote, von den Franzosen aber
ein Kriegesheer, und segelt mit dieser Hülfe
auf Constantinopel zu, in Begleitung der Für-
sten von Frankreich und Spanien, mit denen
die Venetianer in Freundschaft lebeten. Mit

brief

18. Ibrahim
eine letzthin geſchehene Beleidigung aber, die einigen wiederfuhr, die nach Mekka
und Aegypten reiſen wollten, gab hierzu die naͤchſte Veranlaſſung. Kißlar
Agaſi Suͤmbuͤl Aga, der ſeines Amtes entlaſſen war, und einen Verſicherungs-
[Spaltenumbruch]
niemals wieder dahin zu kommen. Weil ſie
nun nicht im Stande waren, ſich zu wider-
ſetzen: ſo gehorchten ſie ſeinem Befehle, be-
gaben ſich wieder zu Schiffe, und richteten
ihren Lauf gerade auf Krete zu. Die Frucht-
barkeit und Anmuth des Eylandes reizete ſie
ſo ſehr, daß ſie ſich entſchloſſen, ſich daſelbſt
niederzulaſſen, und ſich berathſchlagten, wie
ſie ſich deſſelben bemaͤchtigen wollten. Um
dieſes mit deſto groͤßerem Eifer zu vollſtrecken,
verbrenneten ſie ihre Schiffe; damit ſie ſich
ſelbſt alle Hoffnung einiger Zuflucht abſchnei-
den moͤchten, wenn ſie ſich zuruͤckſchlagen
ließen. Hierauf griffen ſie das Eyland an,
und brachten es gar geſchwind in ihre Gewalt,
befeſtigten die Schloͤſſer mit neuen Werken,
und verſahen ſelbige mit allem noͤthigen Krie-
gesvorrathe. Als der griechiſche Kaiſer Mi-
chael vernahm, daß Krete von den Muͤſuͤl-
manen (oder Saracenen) eingenommen wor-
den ſey: ſo ſchickte er eine große Kriegesflote
gegen ſie aus. Die Muͤſuͤlmanen wurden
auch in dem erſten Treffen uͤberwunden; ſie
brachten aber ihre Voͤlker bald wieder zuſam-
men, und griffen die Griechen in ihrem Lager
mit ſolchem Muthe an, daß nicht ein einziger
von ihnen davon kam, der einmal die Zeitung
von dieſer Niederlage nach Griechenland haͤtte
uͤberbringen koͤnnen. Die Muͤſuͤlmanen ga-
ben dem Kaiſer von dem Vorgegangenen
Nachricht, und erboten ſich dabey zu einem
Frieden; den auch der Kaiſer, weil er ſahe,
daß er mit der Gewalt nichts ausrichten
konnte, willig einging. Nachdem der Frie-
densvergleich zu Stande gekommen war: ſo
beherrſchete der muͤſuͤlmaniſche Fuͤrſt Uemru
und ſeine Nachkommen das Eyland achtzig
[Spaltenumbruch]
Jahre lang in Ruhe. Nach der Zeit, im
Jahre 284, ſchickte der griechiſche Kaiſer
ſeinen Feldherrn, Nicephorus Phokas, mit
einem zahlreichen Heere nach Krete, um die
Muͤſuͤlmanen von da zu vertreiben. Nach-
dem Phokas ſeine Truppen an das Land ge-
ſetzet hatte: ſo griff er die Muͤſuͤlmanen an,
und uͤberwand dieſelben; nahm hierauf ihre
Staͤdte und Feſtungen ein, und zwang die-
jenigen, die er nicht umbrachte, ſich dem grie-
chiſchen Kaiſer zu unterwerfen. Dieſe aber
ſtarben mit der Zeit theils ab, und theils
wurden ſie Chriſten; ſo daß in einigen Jah-
ren keine Spur von Muͤſuͤlmanen mehr daſelbſt
zu finden war. Einige Zeit hernach bekommt
Alexius, der juͤngere Bruder des Kaiſer Iſaaks
zu Conſtantinopel, dieſen ſeinen aͤltern Bruder
liſtiger Weiſe in das Netz, bemaͤchtiget ſich
ſeiner, und bringet denſelben ums Leben, ſo
naͤmlich, daß er ihm die Augen ausſtechen
laͤſſet; darauf derſelbe den Thron beſteiget.
Er begnuͤget ſich aber nicht mit einem Bruder-
morde; ſondern trachtet auch, Iſaaks Sohn,
der mit ihm einerley Namen hatte, aus der
Welt zu ſchaffen, damit er keinen Nebenbuh-
ler haben moͤchte. Allein, der junge Prinz
wird wegen dieſer ihm drohenden Gefahr ge-
warnet, entwiſchet nur wenige Stunden eher,
als die That ſollte vollſtrecket werden, und
nimmt ſeine Zuflucht zu den Venetianern.
Daſelbſt wiegelt er ganz Weſten auf, und be-
weget es, ihm beyzuſtehen; erhaͤlt von den
Venetianern eine Flote, von den Franzoſen aber
ein Kriegesheer, und ſegelt mit dieſer Huͤlfe
auf Conſtantinopel zu, in Begleitung der Fuͤr-
ſten von Frankreich und Spanien, mit denen
die Venetianer in Freundſchaft lebeten. Mit

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[383/0489] 18. Ibrahim eine letzthin geſchehene Beleidigung aber, die einigen wiederfuhr, die nach Mekka und Aegypten reiſen wollten, gab hierzu die naͤchſte Veranlaſſung. Kißlar Agaſi Suͤmbuͤl Aga, der ſeines Amtes entlaſſen war, und einen Verſicherungs- brief niemals wieder dahin zu kommen. Weil ſie nun nicht im Stande waren, ſich zu wider- ſetzen: ſo gehorchten ſie ſeinem Befehle, be- gaben ſich wieder zu Schiffe, und richteten ihren Lauf gerade auf Krete zu. Die Frucht- barkeit und Anmuth des Eylandes reizete ſie ſo ſehr, daß ſie ſich entſchloſſen, ſich daſelbſt niederzulaſſen, und ſich berathſchlagten, wie ſie ſich deſſelben bemaͤchtigen wollten. Um dieſes mit deſto groͤßerem Eifer zu vollſtrecken, verbrenneten ſie ihre Schiffe; damit ſie ſich ſelbſt alle Hoffnung einiger Zuflucht abſchnei- den moͤchten, wenn ſie ſich zuruͤckſchlagen ließen. Hierauf griffen ſie das Eyland an, und brachten es gar geſchwind in ihre Gewalt, befeſtigten die Schloͤſſer mit neuen Werken, und verſahen ſelbige mit allem noͤthigen Krie- gesvorrathe. Als der griechiſche Kaiſer Mi- chael vernahm, daß Krete von den Muͤſuͤl- manen (oder Saracenen) eingenommen wor- den ſey: ſo ſchickte er eine große Kriegesflote gegen ſie aus. Die Muͤſuͤlmanen wurden auch in dem erſten Treffen uͤberwunden; ſie brachten aber ihre Voͤlker bald wieder zuſam- men, und griffen die Griechen in ihrem Lager mit ſolchem Muthe an, daß nicht ein einziger von ihnen davon kam, der einmal die Zeitung von dieſer Niederlage nach Griechenland haͤtte uͤberbringen koͤnnen. Die Muͤſuͤlmanen ga- ben dem Kaiſer von dem Vorgegangenen Nachricht, und erboten ſich dabey zu einem Frieden; den auch der Kaiſer, weil er ſahe, daß er mit der Gewalt nichts ausrichten konnte, willig einging. Nachdem der Frie- densvergleich zu Stande gekommen war: ſo beherrſchete der muͤſuͤlmaniſche Fuͤrſt Uemru und ſeine Nachkommen das Eyland achtzig Jahre lang in Ruhe. Nach der Zeit, im Jahre 284, ſchickte der griechiſche Kaiſer ſeinen Feldherrn, Nicephorus Phokas, mit einem zahlreichen Heere nach Krete, um die Muͤſuͤlmanen von da zu vertreiben. Nach- dem Phokas ſeine Truppen an das Land ge- ſetzet hatte: ſo griff er die Muͤſuͤlmanen an, und uͤberwand dieſelben; nahm hierauf ihre Staͤdte und Feſtungen ein, und zwang die- jenigen, die er nicht umbrachte, ſich dem grie- chiſchen Kaiſer zu unterwerfen. Dieſe aber ſtarben mit der Zeit theils ab, und theils wurden ſie Chriſten; ſo daß in einigen Jah- ren keine Spur von Muͤſuͤlmanen mehr daſelbſt zu finden war. Einige Zeit hernach bekommt Alexius, der juͤngere Bruder des Kaiſer Iſaaks zu Conſtantinopel, dieſen ſeinen aͤltern Bruder liſtiger Weiſe in das Netz, bemaͤchtiget ſich ſeiner, und bringet denſelben ums Leben, ſo naͤmlich, daß er ihm die Augen ausſtechen laͤſſet; darauf derſelbe den Thron beſteiget. Er begnuͤget ſich aber nicht mit einem Bruder- morde; ſondern trachtet auch, Iſaaks Sohn, der mit ihm einerley Namen hatte, aus der Welt zu ſchaffen, damit er keinen Nebenbuh- ler haben moͤchte. Allein, der junge Prinz wird wegen dieſer ihm drohenden Gefahr ge- warnet, entwiſchet nur wenige Stunden eher, als die That ſollte vollſtrecket werden, und nimmt ſeine Zuflucht zu den Venetianern. Daſelbſt wiegelt er ganz Weſten auf, und be- weget es, ihm beyzuſtehen; erhaͤlt von den Venetianern eine Flote, von den Franzoſen aber ein Kriegesheer, und ſegelt mit dieſer Huͤlfe auf Conſtantinopel zu, in Begleitung der Fuͤr- ſten von Frankreich und Spanien, mit denen die Venetianer in Freundſchaft lebeten. Mit dieſer

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/489>, abgerufen am 22.11.2024.