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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Seine Eigen-schaften.
7.

Die Sitten dieses Kaisers haben die Türken, eben wie die von seinem
Vorfahrer Murad, umständlich beschrieben, ungeachtet sie ihr Leben dabey in
Gefahr setzten. So wie Murad sich gänzlich dem Weine ergeben hatte: so war
Ibrahim der Geilheit ergeben. Man saget, er habe alle seine Zeit mit sinnli-
chen Lüsten zugebracht; und wann die Kräfte der Natur durch öftere Wieder-
holung venerischer Ergetzlichkeiten erschöpfet gewesen: so habe er dieselben durch
stärkende Tränke und durch die Kunst wieder zu ersetzen gesuchet. Alle Frey-
tage, das der Türken Sabbath ist, widmete er der Venus, und ließ sich eine
schöne Jungfer in kostbarer Kleidung von seiner Mutter, dem obersten Weßire,
oder einem andern hohen Bedienten, zuführen. Die Wände in seinem Schlaf-
zimmer ließ er ganz mit Spiegelglase überziehen, damit er seine Liebeskämpfe
an verschiedenen Orten zugleich anschauen und als vervielfältiget sich vorstellen
könnte. Seine Küssen ließ er mit Haren von köstlichem Pelzwerke ausfüllen,
damit das Bette, das zu einem kaiserlichen Vergnügen bestimmet war, desto mehr
Kostbarkeit haben möchte. Ja, er legte sich ganze Zobelfelle unter, in der Mei-
nung, seine Brunst würde desto mehr entzündet werden, wenn ihm die Knie
feuerten und solchergestalt seine Liebesarbeit beschwerlicher machten. In dem
Garten an dem Palaste, Chass genennet, ließ er öfters alle seine Jungfern zu-
sammen kommen; und da mußten sie sich völlig ausziehen: er selbst zog sich
gleichfals nacket aus, wieherte wie ein Hengst, und lief unter sie hinein. Jene
mußten sich auf seinen Befehl mit Händen und Füßen wehren; da er dann
eine und die andere gleichsam raubete und nothzüchtigte. Als er einsmals
von ungefähr das Geburtsglied einer wilden Kuhe zu sehen bekam: so sendete
er das Model davon in Golde durch das ganze Reich, mit Befehle, nachzufor-
schen, ob nicht eine Weibsperson zu finden sey, die gerade auf diese Art beschaf-
fen wäre, und zu seiner Wollust dienen sollte. Endlich, saget man, sey eine
solche ausfündig gemacht, und unter das Frauenzimmer aufgenommen worden.
Er machte sich eine Sammlung von Bildern, große und weitläuftige Bände
stark, die die mancherley Gattungen vom Beyschlafe vorstelleten; dabey er
immer einige neue und bisher noch unbekannte Stellungen erfand. Auf diese
Weise wurde der öffentliche Schatz, der durch Murads Trunkenheit schon ver-
mindert war, durch Ibrahims Wollust und Geilheit vollends erschöpfet; und
die Kräfte des Reiches, die seine Vorfahrer gebrauchet hatten, ihre Feinde ab-
zutreiben und ihre Herrschaft auszubreiten, von demselben zur Zerstörung seines
eigenen Leibes angewendet.



Geschichte
Osmaniſche Geſchichte
Seine Eigen-ſchaften.
7.

Die Sitten dieſes Kaiſers haben die Tuͤrken, eben wie die von ſeinem
Vorfahrer Murad, umſtaͤndlich beſchrieben, ungeachtet ſie ihr Leben dabey in
Gefahr ſetzten. So wie Murad ſich gaͤnzlich dem Weine ergeben hatte: ſo war
Ibrahim der Geilheit ergeben. Man ſaget, er habe alle ſeine Zeit mit ſinnli-
chen Luͤſten zugebracht; und wann die Kraͤfte der Natur durch oͤftere Wieder-
holung veneriſcher Ergetzlichkeiten erſchoͤpfet geweſen: ſo habe er dieſelben durch
ſtaͤrkende Traͤnke und durch die Kunſt wieder zu erſetzen geſuchet. Alle Frey-
tage, das der Tuͤrken Sabbath iſt, widmete er der Venus, und ließ ſich eine
ſchoͤne Jungfer in koſtbarer Kleidung von ſeiner Mutter, dem oberſten Weßire,
oder einem andern hohen Bedienten, zufuͤhren. Die Waͤnde in ſeinem Schlaf-
zimmer ließ er ganz mit Spiegelglaſe uͤberziehen, damit er ſeine Liebeskaͤmpfe
an verſchiedenen Orten zugleich anſchauen und als vervielfaͤltiget ſich vorſtellen
koͤnnte. Seine Kuͤſſen ließ er mit Haren von koͤſtlichem Pelzwerke ausfuͤllen,
damit das Bette, das zu einem kaiſerlichen Vergnuͤgen beſtimmet war, deſto mehr
Koſtbarkeit haben moͤchte. Ja, er legte ſich ganze Zobelfelle unter, in der Mei-
nung, ſeine Brunſt wuͤrde deſto mehr entzuͤndet werden, wenn ihm die Knie
feuerten und ſolchergeſtalt ſeine Liebesarbeit beſchwerlicher machten. In dem
Garten an dem Palaſte, Chaſſ genennet, ließ er oͤfters alle ſeine Jungfern zu-
ſammen kommen; und da mußten ſie ſich voͤllig ausziehen: er ſelbſt zog ſich
gleichfals nacket aus, wieherte wie ein Hengſt, und lief unter ſie hinein. Jene
mußten ſich auf ſeinen Befehl mit Haͤnden und Fuͤßen wehren; da er dann
eine und die andere gleichſam raubete und nothzuͤchtigte. Als er einsmals
von ungefaͤhr das Geburtsglied einer wilden Kuhe zu ſehen bekam: ſo ſendete
er das Model davon in Golde durch das ganze Reich, mit Befehle, nachzufor-
ſchen, ob nicht eine Weibsperſon zu finden ſey, die gerade auf dieſe Art beſchaf-
fen waͤre, und zu ſeiner Wolluſt dienen ſollte. Endlich, ſaget man, ſey eine
ſolche ausfuͤndig gemacht, und unter das Frauenzimmer aufgenommen worden.
Er machte ſich eine Sammlung von Bildern, große und weitlaͤuftige Baͤnde
ſtark, die die mancherley Gattungen vom Beyſchlafe vorſtelleten; dabey er
immer einige neue und bisher noch unbekannte Stellungen erfand. Auf dieſe
Weiſe wurde der oͤffentliche Schatz, der durch Murads Trunkenheit ſchon ver-
mindert war, durch Ibrahims Wolluſt und Geilheit vollends erſchoͤpfet; und
die Kraͤfte des Reiches, die ſeine Vorfahrer gebrauchet hatten, ihre Feinde ab-
zutreiben und ihre Herrſchaft auszubreiten, von demſelben zur Zerſtoͤrung ſeines
eigenen Leibes angewendet.



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[386/0492] Osmaniſche Geſchichte 7. Die Sitten dieſes Kaiſers haben die Tuͤrken, eben wie die von ſeinem Vorfahrer Murad, umſtaͤndlich beſchrieben, ungeachtet ſie ihr Leben dabey in Gefahr ſetzten. So wie Murad ſich gaͤnzlich dem Weine ergeben hatte: ſo war Ibrahim der Geilheit ergeben. Man ſaget, er habe alle ſeine Zeit mit ſinnli- chen Luͤſten zugebracht; und wann die Kraͤfte der Natur durch oͤftere Wieder- holung veneriſcher Ergetzlichkeiten erſchoͤpfet geweſen: ſo habe er dieſelben durch ſtaͤrkende Traͤnke und durch die Kunſt wieder zu erſetzen geſuchet. Alle Frey- tage, das der Tuͤrken Sabbath iſt, widmete er der Venus, und ließ ſich eine ſchoͤne Jungfer in koſtbarer Kleidung von ſeiner Mutter, dem oberſten Weßire, oder einem andern hohen Bedienten, zufuͤhren. Die Waͤnde in ſeinem Schlaf- zimmer ließ er ganz mit Spiegelglaſe uͤberziehen, damit er ſeine Liebeskaͤmpfe an verſchiedenen Orten zugleich anſchauen und als vervielfaͤltiget ſich vorſtellen koͤnnte. Seine Kuͤſſen ließ er mit Haren von koͤſtlichem Pelzwerke ausfuͤllen, damit das Bette, das zu einem kaiſerlichen Vergnuͤgen beſtimmet war, deſto mehr Koſtbarkeit haben moͤchte. Ja, er legte ſich ganze Zobelfelle unter, in der Mei- nung, ſeine Brunſt wuͤrde deſto mehr entzuͤndet werden, wenn ihm die Knie feuerten und ſolchergeſtalt ſeine Liebesarbeit beſchwerlicher machten. In dem Garten an dem Palaſte, Chaſſ genennet, ließ er oͤfters alle ſeine Jungfern zu- ſammen kommen; und da mußten ſie ſich voͤllig ausziehen: er ſelbſt zog ſich gleichfals nacket aus, wieherte wie ein Hengſt, und lief unter ſie hinein. Jene mußten ſich auf ſeinen Befehl mit Haͤnden und Fuͤßen wehren; da er dann eine und die andere gleichſam raubete und nothzuͤchtigte. Als er einsmals von ungefaͤhr das Geburtsglied einer wilden Kuhe zu ſehen bekam: ſo ſendete er das Model davon in Golde durch das ganze Reich, mit Befehle, nachzufor- ſchen, ob nicht eine Weibsperſon zu finden ſey, die gerade auf dieſe Art beſchaf- fen waͤre, und zu ſeiner Wolluſt dienen ſollte. Endlich, ſaget man, ſey eine ſolche ausfuͤndig gemacht, und unter das Frauenzimmer aufgenommen worden. Er machte ſich eine Sammlung von Bildern, große und weitlaͤuftige Baͤnde ſtark, die die mancherley Gattungen vom Beyſchlafe vorſtelleten; dabey er immer einige neue und bisher noch unbekannte Stellungen erfand. Auf dieſe Weiſe wurde der oͤffentliche Schatz, der durch Murads Trunkenheit ſchon ver- mindert war, durch Ibrahims Wolluſt und Geilheit vollends erſchoͤpfet; und die Kraͤfte des Reiches, die ſeine Vorfahrer gebrauchet hatten, ihre Feinde ab- zutreiben und ihre Herrſchaft auszubreiten, von demſelben zur Zerſtoͤrung ſeines eigenen Leibes angewendet. Geſchichte

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/492>, abgerufen am 22.11.2024.