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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
beredete den Kriegsbefehlhaber 7 der Stadt, daß er die letzte, aber stärkste Fe-
stung, in die sich die Besatzung gezogen hatte, auf gewisse Bedingungen übergab.
Der Weßir nahm also im Anfange des Monats Dschemaßiül ewwel, des Jah-
H. 1080.


J. C. 1669.
res 1080, von Kandia Besitz, nachdem die Venetianer dasselbe verlassen hatten,
ließ auf den Wällen die türkischen Standarten pflanzen, verwandelte die Kir-
chen in Dschami, und befahl, das Eßan und Nemaß in denselben zu verrichten.
Auf diese Weise wurde eine Stadt, die viele Zeiten hindurch berühmt und als
das achte Wunder der Welt geachtet war, und die die Natur selbst gegen alle
Anfälle verwahret zu haben schiene, nach einem vier und zwanzigjährigen 8 Kriege, darinnen, nach dem Berichte der besten und noch lebender türkischen
Geschichtschreiber, über zweymal hundert tausend Osmanen das Leben einge-
büßet haben, mit dem osmanischen Reiche vereiniget.

Muhämmed
nimmt die Ko-
saken in seinenSchutz.
9.

Während der Zeit, da das osmanische Kriegesheer noch mit der Be-
lagerung beschäfftiget war, begab sich Sultan Muhämmed, unter dem Vor-
wande des Jagens, von Adrianopel nach Jeng-ischehir 9, damit er in der Nähe
seyn, und dadurch sowol seine Soldaten anfrischen, als auch gegen alle Vorfal-
[Spaltenumbruch]

7 Kriegsbefehlhaber] Dieses war Franz
Morosini, der durch den letztern Krieg zwi-
schen den Venetianern und Türken so bekannt
geworden ist, daß ich nicht nöthig habe, wei-
ter etwas von demselben hier zu erwähnen.
Nachdem derselbe Morea erobert hatte: so
wurde er zum Doge von Venedig erwählet.
8 vier und zwanzigjährigen] Wenn
dieser Krieg zu den Zeiten der alten Dichter
wäre geführet worden: so würde er ohne Zwei-
fel berühmter geworden seyn, als der troja-
nische Krieg. Denn, wenn man beyde genau
mit einander vergleichet: so wird man leicht
wahrnehmen, daß die kretischen Schlachten
blutiger gewesen sind, als die trojanischen.
Wahrhaftig, so lange derselbe gewähret hat,
waren es nichts als beständige Schlachten
und immerwährende Ströme von Menschen-
blute, nicht allein in Krete; sondern auch in
dem ganzen ägeischen Meere und an allen
Grenzen des türkischen und venetianischen Ge-
[Spaltenumbruch]
bietes. Was noch mehr ist, so gestehen die
Türken selbst, die sonst ihren Verlust sorgfältig
zu verhehlen pflegen, daß in Krete allein über
zweymal hundert tausend von ihren Leuten
geblieben seyen; in welcher Zahl noch dazu
diejenigen außengelassen sind, die nicht auf der
Soldatenliste stunden, deren vielleicht keine
geringere Anzahl dabey umgekommen ist.
Wie viel Christen aber diese mit sich in das
Reich der Todten gerissen haben: das kann
man leicht urtheilen. Die Venetianer beken-
nen, daß dieser Krieg ihnen über hundert
Millionen Ducaten gekostet habe.
9 Jeng-ischehir] So wird Larissa, eine
bekannte Stadt in Thessalien und gegenwär-
tig die Hauptstadt des Landes, von den Tür-
ken genennet.
10 Sari Kamisch Kaßaki] die Ko-
saken von dem gelben Rohre. Mit diesem
Namen werden von den Türken diejenigen

lenheiten

Osmaniſche Geſchichte
beredete den Kriegsbefehlhaber 7 der Stadt, daß er die letzte, aber ſtaͤrkſte Fe-
ſtung, in die ſich die Beſatzung gezogen hatte, auf gewiſſe Bedingungen uͤbergab.
Der Weßir nahm alſo im Anfange des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, des Jah-
H. 1080.


J. C. 1669.
res 1080, von Kandia Beſitz, nachdem die Venetianer daſſelbe verlaſſen hatten,
ließ auf den Waͤllen die tuͤrkiſchen Standarten pflanzen, verwandelte die Kir-
chen in Dſchami, und befahl, das Eßan und Nemaß in denſelben zu verrichten.
Auf dieſe Weiſe wurde eine Stadt, die viele Zeiten hindurch beruͤhmt und als
das achte Wunder der Welt geachtet war, und die die Natur ſelbſt gegen alle
Anfaͤlle verwahret zu haben ſchiene, nach einem vier und zwanzigjaͤhrigen 8 Kriege, darinnen, nach dem Berichte der beſten und noch lebender tuͤrkiſchen
Geſchichtſchreiber, uͤber zweymal hundert tauſend Osmanen das Leben einge-
buͤßet haben, mit dem osmaniſchen Reiche vereiniget.

Muhaͤmmed
nimmt die Ko-
ſaken in ſeinenSchutz.
9.

Waͤhrend der Zeit, da das osmaniſche Kriegesheer noch mit der Be-
lagerung beſchaͤfftiget war, begab ſich Sultan Muhaͤmmed, unter dem Vor-
wande des Jagens, von Adrianopel nach Jeng-iſchehir 9, damit er in der Naͤhe
ſeyn, und dadurch ſowol ſeine Soldaten anfriſchen, als auch gegen alle Vorfal-
[Spaltenumbruch]

7 Kriegsbefehlhaber] Dieſes war Franz
Moroſini, der durch den letztern Krieg zwi-
ſchen den Venetianern und Tuͤrken ſo bekannt
geworden iſt, daß ich nicht noͤthig habe, wei-
ter etwas von demſelben hier zu erwaͤhnen.
Nachdem derſelbe Morea erobert hatte: ſo
wurde er zum Doge von Venedig erwaͤhlet.
8 vier und zwanzigjaͤhrigen] Wenn
dieſer Krieg zu den Zeiten der alten Dichter
waͤre gefuͤhret worden: ſo wuͤrde er ohne Zwei-
fel beruͤhmter geworden ſeyn, als der troja-
niſche Krieg. Denn, wenn man beyde genau
mit einander vergleichet: ſo wird man leicht
wahrnehmen, daß die kretiſchen Schlachten
blutiger geweſen ſind, als die trojaniſchen.
Wahrhaftig, ſo lange derſelbe gewaͤhret hat,
waren es nichts als beſtaͤndige Schlachten
und immerwaͤhrende Stroͤme von Menſchen-
blute, nicht allein in Krete; ſondern auch in
dem ganzen aͤgeiſchen Meere und an allen
Grenzen des tuͤrkiſchen und venetianiſchen Ge-
[Spaltenumbruch]
bietes. Was noch mehr iſt, ſo geſtehen die
Tuͤrken ſelbſt, die ſonſt ihren Verluſt ſorgfaͤltig
zu verhehlen pflegen, daß in Krete allein uͤber
zweymal hundert tauſend von ihren Leuten
geblieben ſeyen; in welcher Zahl noch dazu
diejenigen außengelaſſen ſind, die nicht auf der
Soldatenliſte ſtunden, deren vielleicht keine
geringere Anzahl dabey umgekommen iſt.
Wie viel Chriſten aber dieſe mit ſich in das
Reich der Todten geriſſen haben: das kann
man leicht urtheilen. Die Venetianer beken-
nen, daß dieſer Krieg ihnen uͤber hundert
Millionen Ducaten gekoſtet habe.
9 Jeng-iſchehir] So wird Lariſſa, eine
bekannte Stadt in Theſſalien und gegenwaͤr-
tig die Hauptſtadt des Landes, von den Tuͤr-
ken genennet.
10 Sari Kamiſch Kaßaki] die Ko-
ſaken von dem gelben Rohre. Mit dieſem
Namen werden von den Tuͤrken diejenigen

lenheiten
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[402/0510] Osmaniſche Geſchichte beredete den Kriegsbefehlhaber ⁷ der Stadt, daß er die letzte, aber ſtaͤrkſte Fe- ſtung, in die ſich die Beſatzung gezogen hatte, auf gewiſſe Bedingungen uͤbergab. Der Weßir nahm alſo im Anfange des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, des Jah- res 1080, von Kandia Beſitz, nachdem die Venetianer daſſelbe verlaſſen hatten, ließ auf den Waͤllen die tuͤrkiſchen Standarten pflanzen, verwandelte die Kir- chen in Dſchami, und befahl, das Eßan und Nemaß in denſelben zu verrichten. Auf dieſe Weiſe wurde eine Stadt, die viele Zeiten hindurch beruͤhmt und als das achte Wunder der Welt geachtet war, und die die Natur ſelbſt gegen alle Anfaͤlle verwahret zu haben ſchiene, nach einem vier und zwanzigjaͤhrigen ⁸ Kriege, darinnen, nach dem Berichte der beſten und noch lebender tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber, uͤber zweymal hundert tauſend Osmanen das Leben einge- buͤßet haben, mit dem osmaniſchen Reiche vereiniget. H. 1080. J. C. 1669. 9. Waͤhrend der Zeit, da das osmaniſche Kriegesheer noch mit der Be- lagerung beſchaͤfftiget war, begab ſich Sultan Muhaͤmmed, unter dem Vor- wande des Jagens, von Adrianopel nach Jeng-iſchehir ⁹ , damit er in der Naͤhe ſeyn, und dadurch ſowol ſeine Soldaten anfriſchen, als auch gegen alle Vorfal- lenheiten ⁷ Kriegsbefehlhaber] Dieſes war Franz Moroſini, der durch den letztern Krieg zwi- ſchen den Venetianern und Tuͤrken ſo bekannt geworden iſt, daß ich nicht noͤthig habe, wei- ter etwas von demſelben hier zu erwaͤhnen. Nachdem derſelbe Morea erobert hatte: ſo wurde er zum Doge von Venedig erwaͤhlet. ⁸ vier und zwanzigjaͤhrigen] Wenn dieſer Krieg zu den Zeiten der alten Dichter waͤre gefuͤhret worden: ſo wuͤrde er ohne Zwei- fel beruͤhmter geworden ſeyn, als der troja- niſche Krieg. Denn, wenn man beyde genau mit einander vergleichet: ſo wird man leicht wahrnehmen, daß die kretiſchen Schlachten blutiger geweſen ſind, als die trojaniſchen. Wahrhaftig, ſo lange derſelbe gewaͤhret hat, waren es nichts als beſtaͤndige Schlachten und immerwaͤhrende Stroͤme von Menſchen- blute, nicht allein in Krete; ſondern auch in dem ganzen aͤgeiſchen Meere und an allen Grenzen des tuͤrkiſchen und venetianiſchen Ge- bietes. Was noch mehr iſt, ſo geſtehen die Tuͤrken ſelbſt, die ſonſt ihren Verluſt ſorgfaͤltig zu verhehlen pflegen, daß in Krete allein uͤber zweymal hundert tauſend von ihren Leuten geblieben ſeyen; in welcher Zahl noch dazu diejenigen außengelaſſen ſind, die nicht auf der Soldatenliſte ſtunden, deren vielleicht keine geringere Anzahl dabey umgekommen iſt. Wie viel Chriſten aber dieſe mit ſich in das Reich der Todten geriſſen haben: das kann man leicht urtheilen. Die Venetianer beken- nen, daß dieſer Krieg ihnen uͤber hundert Millionen Ducaten gekoſtet habe. ⁹ Jeng-iſchehir] So wird Lariſſa, eine bekannte Stadt in Theſſalien und gegenwaͤr- tig die Hauptſtadt des Landes, von den Tuͤr- ken genennet. ¹⁰ Sari Kamiſch Kaßaki] die Ko- ſaken von dem gelben Rohre. Mit dieſem Namen werden von den Tuͤrken diejenigen bele-

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/510>, abgerufen am 22.11.2024.